Hilfspaket für den LuftverkehrDer Flugbranche sollen nach Corona Klima-Fesseln angelegt werden
Soll der Bundesrat die Luftfahrt in der Schweiz mit Milliarden retten? Ja, sagen Grüne und Linke – knüpfen das aber an Bedingungen, von denen Bürgerliche wenig halten.
Am Himmel ist es ruhig geworden. Corona legt auch den Flugverkehr lahm. Wann und wie stark dieser wieder anziehen wird, ist unklar. Klar ist hingegen der langfristige Trend: Trotz Corona-Krise stehen die Zeichen auf Wachstum.
Derzeit sind die Fluggesellschaften noch damit beschäftigt, die aktuelle Flaute zu meistern, auch die Swiss. Sie hat deshalb schon früh beim Bund angeklopft. Dieser hat reagiert und eine Taskforce eingesetzt, um ein zweites Grounding der Schweizer Luftfahrt zu verhindern. Die Taskforce erarbeitet nun Vorschläge zuhanden der Landesregierung.
Linke und grüne Parteien wittern nun die Chance, den möglichen Massnahmen des Bundes ihren klimapolitischen Stempel aufzudrücken. Brisant ist dabei der Vorschlag der Grünen, der die weitere Zukunft der Schweizer Luftfahrt ins Visier nimmt. Die Landesflughäfen Zürich, Genf und Basel-Mülhausen sollen ein Korsett erhalten, also beispielsweise weder Pisten verlängern noch neue bauen dürfen. «Eine weitere Steigerung der Flugkapazitäten ist mit den Bemühungen um einen verstärkten Klimaschutz unvereinbar», sagt Nationalrätin Florence Brenzikofer (Grüne). Sie wird in der nächsten Session eine Motion einreichen. Ein absolutes Verbot verlangt die Nationalrätin nicht. Vielmehr ein Moratorium, das so lange bestehen soll, bis der CO2-Ausstoss, den der Schweizer Flugverkehr verursacht, auf ein Drittel des Referenzjahres 2018 gesunken ist.
Zürich will Pisten ausbauen
Ein Moratorium, wie es die Grünen fordern, kollidiert mit den Plänen der Flugbranche. Der Flughafen Zürich zum Beispiel will die Pisten 28 und 32 verlängern; die Planungsarbeiten hat er letztes Jahr abgeschlossen, nun startet der politische Prozess. «Um den Flughafen für die nach wie vor steigende Nachfrage leistungsfähig zu halten, müssen wir heute die Weichen für die grossen Entwicklungsprojekte der Zukunft stellen», machte CEO Stephan Widrig jüngst in einem Schreiben an die Aktionäre klar. Flughafensprecherin Raffaela Stelzer betont: «Bei diesen Vorhaben geht es primär um die Stabilisierung des Betriebs und nicht um Kapazitätserweiterungen.» Zum Vorstoss der Grünen äussern sich die Flughafenbetreiber erst, wenn dieser offiziell vorliegt.
Klimaschützer misstrauen solchen Äusserungen. Ermutigt sehen sie sich durch ein Gerichtsurteil zur geplanten Erweiterung des grössten Flughafens Europas, London-Heathrow. Dessen Betreiber hätten nicht aufgezeigt, inwieweit der Bau einer dritten Piste kompatibel mit dem Pariser Klimaabkommen sei, urteilten die Richter. Ein definitives Nein zum Vorhaben ist das Verdikt von Ende Februar zwar nicht, ein Rückschlag aber sehr wohl. Die Flughafenbetreiber wollen das Urteil ans höchste Berufungsgericht in Grossbritannien weiterziehen.
Zusätzlich zum Moratorium wollen die Grünen etwaige Staatshilfen für die Flugbranche, wie sie derzeit diskutiert werden, an Auflagen knüpfen und so einen «grundlegenden Wandel» im Flugsektor in die Wege leiten. Dazu gehört etwa ein neuer Fonds für Umschulungen und Weiterbildungen. Das Flugpersonal soll so in «klimaverträgliche» Sektoren des öffentlichen Verkehrs wechseln können, insbesondere in das Nachtzuggeschäft.
Es ist falsch, wenn man die Corona-Pandemie missbraucht, um den Flugverkehr einzuschränken.
Zusätzlich wandten sich am Dienstag linke und grüne Organisationen mit einem offenen Brief an den Bundesrat. Jegliche staatliche Unterstützung müsse die Arbeitnehmenden schützen und an Bedingungen mit klaren Klimazielen geknüpft sein. Die Flugbranche müsse auf ein klimaverträgliches Niveau zurückgebaut werden. Dazu schlägt die Allianz von 46 Bewegungen, Organisationen und Parteien die Einführung einer Kerosinsteuer vor, die in Zusammenarbeit mit anderen Staaten eingeführt werden soll. Zudem soll der Bund mehr Geld in den ÖV investieren, konkret in den Ausbau des internationalen Bahn- und Nachtzugverkehrs.
Warnung vor den Folgen
Die verschiedenen Vorstösse von Grünen und Linken, insbesondere der Ruf nach einem Moratorium, stossen auf heftigen Widerstand. «Es ist falsch, wenn man die Corona-Pandemie missbraucht, um den Flugverkehr einzuschränken», sagt Nationalrat Martin Candinas (CVP). «Gerade jetzt zeigt sich, wie wichtig es ist, dass wir eine Airline haben, die das Drehkreuz Zürich bedient.» Nur so sei es gelungen, gestrandete Schweizer aus der ganzen Welt heimzuholen und medizinische Güter aus China, Singapur und Hongkong einzufliegen. Auch Nationalrat und Pilot Thomas Hurter (SVP) übt Kritik: «Einmal mehr anerkennen die Grünen den Fortschritt und die Wichtigkeit der Luftfahrt nicht.»
Die Gegner eines Ausbaumoratoriums argumentieren mit der volkswirtschaftlichen Bedeutung der Luftfahrt für die Schweiz und präsentieren dazu viele Zahlen. Wertschöpfung pro Jahr: 33,5 Milliarden Franken; Arbeitsplätze: 190’000 direkt abhängig und mehrere Hunderttausend indirekt. Und weiter: Mehr als 40 Prozent der Exporte, gemessen an ihrem Wert, verlassen die Schweiz auf dem Luftweg, und jeder dritte Tourist erreicht die Schweiz mit dem Flieger.
Hurter warnt denn auch: «Wenn wir nun beginnen, unsere Infrastruktur zu beschränken, wird das auf Kosten unserer Arbeitsplätze gehen.» Das aber mindere im Endeffekt jene finanziellen Erträge, aus denen die öffentliche Hand «all die verschiedenen Umweltmassnahmen» in der Schweiz finanziere.
Die Gegner halten eine Beschränkung auch deshalb für falsch, weil sich die Luftfahrt ohnehin schon um mehr Klimaschutz bemühe, etwa mit effizienteren Fliegern. Zudem, so machen sie geltend, kompensiere der Schweizer Luftverkehr seine Emissionen in Europa über das EU-Emissionshandelssystem. Auch habe die Schweiz eine Teilnahme an Corsia beschlossen, dem globalen CO2-Kompensationssystem für den Luftverkehr.
Der Flugverkehr muss in Zukunft auch Teil von griffigen Klimaschutzmassnahmen sein.
Zustimmung für die Moratoriumspläne signalisieren bis jetzt nur Politiker aus dem linken Spektrum und der Grünliberalen. «Der Flugverkehr muss in Zukunft auch Teil von griffigen Klimaschutzmassnahmen sein», sagt zum Beispiel GLP-Präsident Jürg Grossen. Seine Partei bringt zudem noch einen eigenen Ansatz in die Diskussion. Sie plädiert für ein zweistufiges Verfahren: Der Bund soll demnach für die Liquidität in Form von Krediten sorgen. Die Swiss soll diese innerhalb von fünf Jahren zurückzahlen oder sie durch Green Bonds ablösen.
Diese Bonds sollen auch zum Einsatz kommen, wenn Unternehmen über die Liquiditätshilfen hinaus Geld vom Bund wollen. Und sie sollen mit klaren Zielvereinbarungen verknüpft werden. So soll die Luftfahrtbranche etwa verpflichtet werden, stufenweise für die Beimischung von CO2-neutralem synthethischem Kerosin zu sorgen. «Green Bonds sind einfach umzusetzen, was etliche Firmen schon erfolgreich machen», sagt GLP-Vizepräsident Pascal Vuichard.
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