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Nachfolge für Shinzo Abe
Der Favorit für Japans Premierposten

Als Premier dürfte er die Politik von Shinzo Abe fortsetzen: Yoshihide Suga bei seiner Medienkonferenz in Tokio.
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Der Auftritt von Yoshihide Suga hätte wahrscheinlich etwas weniger staatstragend klingen sollen. Suga (71), derzeit noch Kabinettschefsekretär der japanischen Regierung, sollte bei dem heutigen Termin vor den versammelten Medien ja im Grunde nur offiziell bekannt geben, dass er sich wie der Ex-Verteidigungsminister Shigeru Ishiba (63) und der Ex-Aussenminister Fumio Kishida, ebenfalls 63, um die Nachfolge des scheidenden Premierministers Shinzo Abe bewirbt.

Andererseits: Warum hätte Yoshihide Suga so tun sollen, als müsse er eine Charmeoffensive starten, um am 14. September die Wahl zum Präsidenten der Regierungspartei LDP zu gewinnen und damit den Aufstieg zum Regierungschef zu schaffen?

Yoshihide Suga ist der Favorit auf den höchsten Posten im Inselstaat, alle wissen das. Die wichtigsten Faktionen innerhalb der LDP haben sich zu ihm bekannt. LDP-Generalsekretär Toshihiro Nikai lobte schon am Freitag seine Fähigkeiten, nachdem Abe die Nation mit seinem Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen überrascht hatte.

Also verzog Yoshihide Suga keine Miene und verlas einen Text, der sich wie eine Regierungserklärung anhörte: «Japan durchlebt eine Krise, die wir so noch nie erlebt haben. Wir müssen alles tun, um soziale und wirtschaftliche Aktivitäten zu fördern, während wir die Ausbreitung des Coronavirus verhindern.»

Parteispitze will keinen Wandel

Wohl keiner im Raum zweifelte daran, dass da gerade der künftige Premierminister sprach. Ishiba und Kishida hatten tags zuvor eher leise ihre offizielle Bewerbung erklärt, obwohl beide schon viel länger im Gespräch sind als mögliche Abe-Nachfolger. Den Auftritt von Suga hingegen kommentierte Finanzminister und Vizepremier Taro Aso, der Anführer einer der stärksten Faktionen in der LDP: «Nachdem ich seine Pressekonferenz gesehen habe, bin ich davon überzeugt, dass er dafür qualifiziert ist, die Politik der Regierung weiterzuführen, und ich habe beschlossen, ihn zu unterstützen.»

Die Politik der Regierung weiterzuführen – darum geht es den Altvorderen der LDP. «Das zeigt den Verfall und die Unbeweglichkeit der Regierungspartei», twitterte Kazuo Shii, Chef der Kommunistischen Partei, ein Favorit der bürgerlichen LDP-Gegner. Aber was der Linke Shii sagte, interessierte im rechtskonservativen Establishment niemanden. An der LDP-Spitze ist derzeit nicht einmal gefragt, was die eigene Basis will.

Keinen Millimeter rückt Suga von Abe ab, obwohl ihr Verhältnis in den letzten Monaten abgekühlt sein soll.

Der Werdegang von Yoshihide Suga ist ganz anders als der des bisherigen Premiers. Shinzo Abe stammt aus einer reichen Politikerfamilie, sein Grossonkel Eisaku Sato war selbst Premierminister, sein Vater Shintaro Abe Aussenminister. Sugas Vater war ein Landwirt in der Präfektur Akita, in der Japans Bevölkerungsschwund heute besonders deutlich zu spüren ist. Er hatte als junger Mann nicht viel Geld. Sein Jurastudium an der Hosei-Universität in Tokio finanzierte er sich, indem er in einer Kartonfabrik jobbte.

Und Suga kennt das Geschäft der Strassenpolitik: Als er in den Achtzigerjahren für den Stadtrat von Yokohama kandidierte, wanderte er von Tür zu Tür, um für Stimmen zu werben. Ausserdem war er einer der ersten japanischen Politiker, der in der Menge vor Bahnhöfen Wahlkampfreden hielt. An diesen bescheidenen Anfängen dürfte es liegen, dass Suga nicht so grossspurig wirkt wie Abe.

Aber seine politischen Ziele sind die gleichen. Keinen Millimeter rückt Suga von Abe ab, obwohl ihr Verhältnis in den vergangenen Monaten etwas abgekühlt sein soll. «Bedauernswert» nannte er den Rücktritt. «Ich bin entschlossen, die Politik zu übernehmen und voranzubringen, derer sich Präsident Abe gewidmet hat», sagte Suga heute vor den Medien.

Drei Kandidaten für das Amt des Regierungschefs: Yoshihide Suga, Shigeru Ishiba und Fumio Kishida.

Ganz in Abes Sinn nannte Suga drei Herausforderungen für seine Amtszeit, die ja erst eine Amtszeit werden soll: Erstens Lösungen finden für die überalterte Gesellschaft. Zweitens nach Nordkorea entführte Japaner zurückholen. Drittens die pazifistische Nachkriegsverfassung so ändern, dass Japan nicht mehr nur Selbstverteidigungskräfte unterhalten darf, sondern eine richtige Armee.

Suga bekannte sich ausserdem zur Abenomics-Strategie, mit der Abe während der Jahre des Weltkonjunkturhochs ein zartes Wachstum für Japan erreichte. Lockere Geldpolitik und Wirtschaftsförderung bleiben also die Säulen des Regierungskonzepts. Und ein Bekenntnis zur Allianz mit den USA gab Suga auch ab.

Im Fernen Osten nichts Neues: Das war also die Botschaft, die Suga in seiner gewohnt unbewegten Art verkündete. Am Ende seiner 45-minütigen Medienkonferenz war im Grunde nur noch eine Frage offen: Ob auch Suga als Premierminister einen derart undurchdringlichen Verteidiger bekommen wird, wie Abe ihn in seiner Person immer hatte.