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Brasilien in der Krise
Der Erziehungsminister mit dem Rohrstock

Harte Linie, umstrtittene Vergangenheit: Milton Ribeiro ist der vierte Erziehungsminister, seit Jair Bolsonaro 2018 zum Präsidenten gewählt worden ist.
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Noch bevor Milton Ribeiro sein Amt überhaupt angetreten hatte, gab es schon den ersten Skandal. Ein Video zeigte eine Predigt des neuen brasilianischen Erziehungsministers. Sie trug den Titel «A vara da disciplina», auf Deutsch in etwa «Der Rohrstock». Kinder, sagte Ribeiro, müssten manchmal Schmerz spüren, mit Nachsicht erreiche man nur selten etwas in der Erziehung. «Der Rohrstock darf darum in keinem Haus fehlen», so Ribeiro.

Das Video stammt von 2016, längst ist es gelöscht und Ribeiro seit ein paar Tagen nun auch offiziell im Amt, aller Kritik zum Trotz. Bei seiner Antrittsrede erklärte Ribeiro, er sei gegen körperliche Züchtigung im Unterricht. Ein fader Beigeschmack aber bleibt. Denn Ribeiro hat zwar in Erziehungswissenschaften promoviert, er ist aber auch Pastor in einer evangelikalen Gemeinde.

Evangelikale an der Macht

Für die Evangelikalen in Brasilien ist die Ernennung des 62-Jährigen ein Erfolg. Ihre Anhängerschaft in Südamerikas grösstem Land wächst und wächst, ein paar Jahre noch, dann könnten sie bei der Zahl der Gläubigen die Katholiken überholt haben. Über ihre TV-Kanäle und Radiostationen haben die Evangelikalen massgeblich zum Wahlerfolg Jair Bolsonaros beigetragen, bis heute sind sie neben der Armee der wichtigste Machtpfeiler des Präsidenten. Bolsonaro revanchiert sich für die Unterstützung, mal mit einem öffentlichen Kniefall vor einem evangelikalen Bischof, mal mit öffentlichen Ämtern.

Gegner der Regierung sehen den Einfluss der Evangelikalen mit Sorge. Die Ernennung Ribeiros erregt darum Unmut, der Pastor wird zudem Erziehungsminister – und die öffentliche Bildung ist in Brasilien ohnehin schon schwer umkämpft und politisiert. Seit Jahren kritisieren ultrarechte Gruppen die angeblich viel zu liberalen und linken Lehrpläne. Präsident Bolsonaro griff diese Diskussion auf: Sein erster Bildungsminister, Ricardo Vélez Rodríguez, war ein Philosoph vom äussersten rechten Rand, der Schulen von «marxistischem Müll» reinigen wollte.

Nach ein paar Monaten im Amt wurde er abgelöst von Abraham Weintraub, einem ehemaligen Investmentbanker, der glaubt, Kommunisten würden Crack nach Brasilien schmuggeln, um das Land zu schwächen. Weintraub strich Gelder zusammen, gefördert werden sollten nur noch Fächer an Universitäten, die auch direkten Nutzen hätten für die Gesellschaft.

Erziehungsminister mit Rechtschreibschwierigkeiten

Weintraub wurde zunehmend zum Gespött wegen grober Schreibfehler im Netz und in öffentlichen Dokumenten. Zudem beschimpfte er Minderheiten und stänkerte gegen China. Inmitten von Ermittlungen wegen der Verbreitung von Hassbotschaften im Netz trat Weintraub im Juni zurück und verliess das Land überhastet in Richtung der USA. Ihm sollte ein weiterer Wirtschaftswissenschaftler nachfolgen, der es aber wegen eines Skandals um einen falschen Doktortitel in seinem Lebenslauf nicht einmal bis zur Amtsübergabe schaffte.

Milton Ribeiro ist nun der vierte Erziehungsminister innerhalb von eineinhalb Jahren. Vor ihm liegt eine schwere Aufgabe: Wegen der Corona-Pandemie sind brasilianische Schulen geschlossen, die Lücken im Bildungssystem werden dadurch nur noch grösser. Wie er diese Herausforderungen angehen will, hat Ribeiro nicht verraten, wohl aber, dass er hoffe, Hilfe zu bekommen, von niemand Geringerem als dem Herrgott höchstpersönlich.