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Der Bund greift den KMU mit einem «aggressiven Plan» unter die Arme

Geschlossene Läden, Infos für die Kunden: Für kleine Betriebe ist die Krise bedrohlich. Foto: Dominique Meienberg
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Die Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie treffen kleine und mittlere Unternehmen besonders schwer. Ein Viertel der KMU rechnet mit grossen Umsatzeinbussen, wie eine diese Woche durchgeführte Blitzumfrage von Visable zeigt, einem Betreiber von Onlineplattformen für Lieferanten und Geschäftskunden.

Gut 4 Prozent der 208 befragten KMU reagierten auf die Krise bereits mit Entlassungen. Jedes fünfte Unternehmen stellt auf Kurzarbeit um. Das dürfte erst der Anfang sein.

Kurzarbeitsentschädigungen werden in diesen Tagen in nie da gewesenem Ausmass beantragt. Rund 11'000 Unternehmen mit 175'000 Angestellten sind es aktuell, die Zahl nimmt ständig zu. Die Arbeitslosenversicherung übernimmt dabei 80 Prozent des Lohnausfalls. Der Bundesrat hat am Freitag den Zugang zu diesem schnell wirkenden Kriseninstrument erleichtert und ausgebaut.

Der Bundesrat weitete am Freitag die Nothilfe für Angestellte und Unternehmen stark aus. Die Soforthilfe von anfänglich 10 Milliarden Franken wird auf 42 Milliarden mehr als vervierfacht.

Der Plan sieht praktisch eine Lohngarantie des Bundes vor

Zum Vergleich: Ein Monat Total-Stillstand der Schweizer Wirtschaft würde die Wertschöpfung der Schweizer Wirtschaft um gut 8 Prozent oder um knapp 60 Milliarden Franken reduzieren. Während der Grossen Depression von 1930 bis 1936 fiel das Bruttoinlandprodukt (BIP) um kumuliert 21 Prozent. Im Zug der Finanzkrise 2008 ging das BIP 2009 nur um 2 Prozent zurück.

Die Denkfabrik Avenir Suisse schätzt die Kosten für Kurzarbeit auf eine Grössenordnung von etwa 21 Milliarden Franken, unter der Annahme, dass die betroffenen Branchen und Unternehmen drei Monate lang auf Kurzarbeit angewiesen sein werden.

Der Plan des Bundesrats sieht praktisch eine Lohngarantie durch den Bund vor. Gemäss volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung machen die Löhne rund 410 Milliarden Franken aus. Bricht die Wirtschaftsleistung um 20 Prozent ein, wie das in China im Januar und Februar der Fall war, müsste der Bund grob geschätzt mit rund 5 Milliarden Franken Belastung der Bundeskasse pro Monat rechnen.

Damit kommt der Bundesrat einem Vorschlag von Arturo Bris, Leiter des World Competitiveness Center der IMD Business School in Lausanne, und Michel Demaré, IMD-Präsident, Verwaltungsrat von Vodafone und früher UBS, nahe. Sie fordern einen «aggressiven Plan» der Schweiz gegen die Krise: Die Eidgenossenschaft solle drei Monate lang alle Gehälter der Schweizer Angestellten bis zu zwei Dritteln des Durchschnittslohns oder 4300 Franken pro Person garantieren. Das würde maximal 20 Milliarden Franken kosten.

Der bundesrätliche Plan hat jedoch den Vorteil, dass er über die Kurzarbeitsregelung zielgerichtet die notleidenden Betriebe unterstützt, statt mit der Giesskanne alle Firmen. Er entspricht damit weitgehend den Empfehlungen von Avenir Suisse, nicht nur, was die Kurzarbeitsregelungen betrifft.

Der Bundesrat baut auch das Instrument der verbürgten Kredite aus und übernimmt für Kredite bis 500'000 Franken das volle Risiko. Die Kredite werden aber von den Banken vergeben. Das hat den Vorteil, dass das Know-how und die bestehenden Kundenbeziehungen genutzt werden.

Normalerweise müssten auch Banken einen Teil des Risikos tragen, damit sie einen Anreiz haben, sorgfältig vorzugehen. Das Ziel, schnell und unkompliziert Kredite an notleidende Firmen vergeben zu können, kollidiert hier jedoch mit den strengeren Eigenkapitalregeln für Banken, müssten die Zusatzkredite doch mit zusätzlichem Eigenkapital unterlegt werden. Bei Beträgen von einer halben bis zu 20 Millionen Franken müssen die Banken aber ebenfalls ins Risiko: Mit 15 Prozent, denn der Bund verbürgt nur 85 Prozent.

20 Milliarden Franken stellt der Bund für solche Kredite bereit. Die Höhe des Zinses könnte 1 Prozent betragen, ist aber noch nicht entschieden. Auf 20 Milliarden Franken Kreditvolumen wären das 200 Millionen für die Banken, die auch noch von rund 600 Millionen Franken weniger Negativzinsen profitieren. Deshalb gibt es Stimmen, die den Banken nur eine Servicegebühr zugestehen wollen.

Bei Verlusten in diesem Jahr kämen viele KMU in Nöte

Es brauche Minimalanforderungen, damit das Instrument nicht missbraucht werde, sagt Oliver Wünsch, Strategieberater bei Oliver Wyman, der beim Internationalen Währungsfonds unter anderem für die Ausarbeitung der Griechenland-Hilfspakete zuständig war: «Ein Unternehmen muss nachweisen können, dass es operativ tätig und nicht überschuldet ist. Das könnte mit der Vorlage des Steuerausweises unkompliziert funktionieren.» Dazu gewährt der Bund den Unternehmen einen Zahlungsaufschub auf Sozialversicherungsbeiträgen und auf Steuern bis Ende Jahr. Gleichzeitig will der Bund Rechnungen von Lieferanten sofort bezahlen.

Dass die Nothilfe des Bundes vor allem für KMU nötig ist, zeigt eine Analyse von Arturo Bris vom IMD. Er hat die Finanzlage von über 100 KMU untersucht, deren Aktien im Schweizer Börsenindex SPI enthalten sind. Sollten die Unternehmen im Jahr 2020 Verluste realisieren, wären nur 60 Prozent von ihnen in der Lage, die Beschäftigung aufrechtzuerhalten und ihre Gehälter in voller Höhe zu zahlen. Nur ein Viertel der Unternehmen wäre in der Lage, ihre betrieblichen und finanziellen Verpflichtungen für mehr als zwei Jahre zu erfüllen.

Würden die Einnahmen der Unternehmen um die Hälfte einbrechen, könnten 13 Prozent von ihnen die Löhne nicht mehr aus den Gewinnen und Barbeständen finanzieren. Nur 40 Prozent könnten ihre Verpflichtungen über mehr als zwei Jahre erfüllen.

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