Bistum ChurDer Bischofsflüsterer geht
Zehn Jahre lang versuchte Giuseppe Gracia die ewiggestrigen Ansichten der Churer Bischöfe salonfähig zu machen. Angeblich im Dienste der Meinungsfreiheit.
Die Demission des bischöflichen Medienbeauftragten im Bistum Chur deuten nicht wenige als verheissungsvollen Auftakt unter dem neuen Bischof Joseph Bonnemain. Giuseppe Gracia (53), Familienvater und Nicht-Theologe, galt als engster Mitarbeiter, ja Komplize des unbeliebten Generalvikars Martin Grichting. Wenn Gracia gehe, heisse das, dass auch Grichting, Bonnemains Kontrahent, gehen müsse.
Offiziell im Bistum seit zehn Jahren für die Kommunikation verantwortlich, hatte Gracia viele andere Rollen: Stratege, Bischofsflüsterer, Strippenzieher. Als letztes Jahr Peter Bürcher, Administrator des Bistums, den beliebten Urschweizer Bischofsstellvertreter Martin Kopp in die Wüste schickte, meinte dieser: «Es handelt sich um eine Intrige», hinter der Martin Grichting und Giuseppe Gracia steckten.
Er brüstete sich damit, das Bischofswort von 2017 auf die Titelseite des «Blicks» gehievt zu haben.
Gracia selber sah sich gern als Krisenkommunikator. Der Job habe ihn wegen der scheinbar aussichtslosen Situation im Bistum gereizt, sagte er dieser Zeitung vor Jahren. Allerdings hatte man nie das Gefühl, es falle ihm schwer, die strittigen Personalentscheide und die ewiggestrigen Ansichten des früheren Bischofs Vitus Huonder zu verkünden: etwa gegen Genderismus, Sexualkundeunterricht, gegen Abtreibungsfinanzierung oder die Ehe für alle.
Das Communiqué des Bistums gegen die Konzernverantwortungsinitiative war von Gracia selber unterzeichnet. Einmal allerdings, als Huonder Homosexualität als todeswürdiges Vergehen brandmarkte, widersprach ihm sein Sprecher öffentlich. Dafür brüstete er sich, das Bischofswort von 2017 auf die Titelseite des «Blicks» gehievt zu haben. Dieses war nämlich von der deutschen Publizistin Birgit Kelle verfasst, die so gern gegen Abtreibung, Kinderkrippen und Regenbogenfamilien wettert.
Literatur als Passion
Gracias eigentliche Passion ist die Literatur. Im italienisch-spanischen Gastarbeitermilieu St. Gallens aufgewachsen, ist für den Secondo-Literaten die Kommunikation nur der Brotjob. Er habe Huonder dabei helfen wollen, «dass die heute schwer zu vermittelnden weltkirchlichen Positionen verstanden werden». Nur logisch, dass er die Positionen nicht teilen müsse, die er für seinen Chef kommuniziere.
Wirklich? Als Autor und Referent scheint er sich im konservativen Milieu sehr wohlzufühlen. Nicht umsonst haben rechtskatholische Medien wie kath.net als Erste über seine Demission berichtet. Die deutsche «Tagespost» kündigte gleich ein Interview mit Gracia an «über Grenzen und Chancen katholischer Positionen in einer christentumsvergessenen Gesellschaft».
Fanatischer Finsterling?
Bei seinem Engagement für den umstrittensten Bischof der Schweiz ging es ihm angeblich immer um die Meinungsfreiheit. In diesem Sinne nahm er 2017 an der Veranstaltung des Glarner Schoggiproduzenten Johannes Läderach teil: «Meinungsfreiheit – eine Illusion?» «In vielen europäischen Medien erscheint die Lehre der katholischen Kirche als etwas Krankhaftes oder Menschenfeindliches», klagte er in der NZZ. Ähnliche Töne schlug er schon im TA oder als «Blick»-Kolumnist an.
Jedenfalls schreibt ihm Administrator Peter Bürcher zum Abschied: «Dank seiner Erfahrung und Vernetzung mit den relevanten Schweizer Medienhäusern konnte er die Interessen des Bistums nachhaltig vertreten.» Im Gegenzug nennt Gracia Bürcher «einen wunderbaren Menschen» und Huonder einen « freundlichen, frommen Menschen», der so gar nicht ins Bild des fanatischen Finsterlings passe.
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