Albert Rösti in seiner neuen RolleDer Bergler will auch die Städte vertreten
Der neue SVP-Bundesrat gibt sich konkordant. Lateinische Mehrheit in der Regierung? Kein Problem. Auch wolle er sich für die Wirtschaftszentren einsetzen, so der Mann aus Uetendorf.
«FDP und Mitte sind nicht ganz bei Trost, dass sie der SVP aufs Wahljahr zu einem beliebten Bundesrat verhelfen», entfährt es einer SP-Nationalrätin nach der souveränen Wahl Albert Röstis bereits im ersten Wahlgang. Tatsächlich übernimmt mit dem 55-jährigen Rösti ein in allen Fraktionen respektierter Parlamentarier die Nachfolge von Ueli Maurer. Während Letzterer mit seiner eigenwilligen, gelegentlich widerborstigen Art vor allem bei der eigenen Parteibasis gut ankam, gilt Rösti als freundlich, zugänglich und lösungsorientiert und dürfte damit auch in der Bevölkerung punkten.
Dabei folgte Rösti in seiner Zeit als SVP-Präsident treu der Parteilinie. Unter seiner Präsidentschaft stellte die SVP etwa auf einem Plakat die anderen Parteien als Würmer dar, die den saftigen Schweizer Apfel durchlöchern.
Rösti sitzt seit 2011 im Nationalrat, von 2016 bis 2019 war er SVP-Präsident. Anders als Maurer sagt man Rösti nach, dass er seit Jahren auf das Bundesratsamt hingearbeitet habe. Röstis Rezept heisst: Gemässigt im Ton, aber hart in der Sache. Nicht geschadet hat dem gebürtigen Kandersteger, dass er sich als Nationalrat zu einem der am stärksten verbandelten Lobbyisten entwickelte. Zuletzt hatte er im Interessenregister des Parlaments 16 Mandate in Firmen, Verbänden und Lobbygruppen verzeichnet: von den Autoimporteuren und dem Wasserwirtschaftsverband über das Grand Casino Bern bis zum Zuchtverband für Freiberger Pferde.
Rösti selbst sieht in seinen Interessenbindungen kein Problem für das künftige Amt, wie er an seiner ersten Medienkonferenz nach seiner Wahl sagte.
Herr Rösti, Sie gelten als Lobbyist. Wie verträgt sich das mit der neuen Rolle als Bundesrat?
Das ist kein Problem, weil ich ja sämtliche Mandate per Ende Jahr abgebe. Es bleibt kein einziges dieser Mandate. Wir haben ein Milizparlament. Ich hatte einen Lohn für diese Dienstleistungen, die ich erbracht habe. Deshalb schulde ich niemandem etwas und kann ab Anfang Jahr unabhängig politisieren für die ganze Bevölkerung.
Am meisten vermissen werde er jenes Amt, das er seit neun Jahren innehat: Seit 2013 ist er Gemeindepräsident der 6000-Seelen-Gemeinde Uetendorf bei Thun. Rösti ist also ein Vertreter der ländlichen Schweiz, dennoch will der Agronom ETH mit Doktortitel auch urbane Anliegen vertreten, wie er vor den Medien ausführte.
Mit Ihnen sind Uetendorf und Kandersteg im Bundesrat vertreten, mit Elisabeth Baume-Schneider Les Breuleux. Die grossen Wirtschaftsmotoren des Landes haben keine Vertreter mehr. Ist das nicht ein Problem?
Es ist ganz wichtig, dass der Bundesrat die Sensibilitäten der unterschiedlichen Regionen berücksichtigt. Am Schluss ist es das Parlament, das so entschieden hat, und das gilt es zu akzeptieren. Ich würde die Ausgangslage aber etwas anders beschreiben. Mit mir ist eine Person gewählt worden, die zeit ihres Lebens in der Stadt Bern gearbeitet, die in Zürich studiert hat und durchaus das städtische Umfeld kennt. Ich weiss, wo die Motoren der Schweiz sind, in den grossen Städten, wo Geld verdient wird, was einen sozialen Ausgleich, den Finanzausgleich, ermöglicht.
«In einem Land mit sprachlichen Minderheiten ist es auch eine Chance, wenn wir für einige Jahre eine lateinische Mehrheit haben.»
Wie schon bei der Lancierung seiner Kandidatur trat Rösti auch nach seiner Wahl am Mittwoch bestens vorbereitet vor die Medien. Er habe Respekt und Demut vor dem neuen Amt, spüre die grosse Verantwortung. Dennoch sei er voller Tatendrang. Danach folgten einige Programmpunkte für die Regierungsarbeit: Der grosse Wohlstand, den die Schweiz trotz weltweiter Krisen habe halten können, müsse bewahrt werden. Zu den Vorzügen gehörten die tiefe Arbeitslosigkeit und die im internationalen Vergleich tiefe Inflation. Ziel müsse ein ausgeglichener Finanzhaushalt, die Sicherung der Energieversorgung und der Sozialwerke sein. Sein Anliegen sei nicht nur ein gutes Verhältnis zu den Nachbarländern, sondern insbesondere zur EU.
Wie stellen Sie sich als SVP-Vertreter die Beziehungen zur EU vor?
Es wäre verfehlt, am Tag der Wahl inhaltliche Ausführungen zu machen. Aber die EU ist der wichtigste Wirtschaftspartner der Schweiz. Mit dem wichtigsten Wirtschaftspartner muss man in allen Bereichen eng zusammenarbeiten. Da wird es immer Lösungen geben. Politik ist nie alternativlos.
Rösti hat sich im Parlament als Energie- und Sozialpolitiker etabliert, er hat Interesse am Umwelt-, Verkehrs- und Energiedepartement von Simonetta Sommaruga. Unabhängig vom Departement will sich Rösti im Bundesrat einbringen, etwa über sogenannte Mitberichte zu den Geschäften der anderen Mitglieder. Etwas ungewohnt könnte für Rösti sein, dass er als Deutschschweizer in einem Bundesrat sitzt, in dem für einmal die lateinischen Vertreter in der Mehrheit sind.
Ändert die neue lateinische Mehrheit für Sie etwas?
Inhaltlich wird das nicht viel ändern. In einem Land mit sprachlichen Minderheiten ist es auch eine Chance, wenn wir für einige Jahre eine lateinische Mehrheit haben. Es ist eine kulturelle Chance, damit man sieht, dass wir den Minderheiten Sorge tragen, und eine Minderheit kann auch einmal in der Mehrheit sein.
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