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Unruhen im US-Bundesstaat Minnesota
Der Anti-Trump von Minneapolis

Schwarz zu sein, dürfe kein Todesurteil sein: Der frühere Rechtsanwalt Jacob Frey ist seit zwei Jahren Bürgermeister von Minneapolis.
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Für Jacob Frey begann der Freitag mit einer Beleidigung und einer Drohung. Absender war in beiden Fällen der Präsident der USA. Frey sei ein «sehr schwacher, linksradikaler Bürgermeister», der seine Stadt nicht unter Kontrolle habe, twitterte Donald Trump. Wenn sich das nicht ändere, werde er die Nationalgarde nach Minneapolis schicken. Die werde die Plünderer und Brandstifter dann notfalls mit ein paar Schüssen stoppen, schob der Präsident in einem zweiten Tweet nach, den Twitter prompt mit der Warnung versah, er verherrliche Gewalt: «When the looting starts, the shooting starts.»

«Donald Trump weiss nichts über die Stärke von Minneapolis. Wir sind höllisch stark.»

Jacob Frey, Bürgermeister

Genau das, dass «das Schiessen beginnt», will Jacob Frey natürlich verhindern. Gewalt gibt es im Moment genug in Minneapolis, der mit etwa 500’000 Einwohnern grössten Stadt des Bundesstaates Minnesota, die der 39 Jahre alte frühere Rechtsanwalt seit zwei Jahren regiert. Das Letzte, was Frey jetzt gebrauchen kann, sind markige Sprüche aus Washington, die die Lage eher anheizen als beruhigen. «Schwäche bedeutet, keine Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen», antwortete der Bürgermeister am Freitag sichtlich aufgebracht. «Schwäche bedeutet, in einer Krise mit dem Finger auf andere zu zeigen. Donald Trump weiss nichts über die Stärke von Minneapolis. Wir sind höllisch stark.»

Nun mag es für das innere Gleichgewicht des Demokraten Frey wohltuend gewesen sein, dem republikanischen Präsidenten in Washington kräftig Kontra zu geben. Das ändert aber nichts daran, dass es in Freys Stadt zu einem der furchtbarsten Fälle von Polizeibrutalität gekommen ist, die Amerika in den vergangenen Jahren erlebt hat – ein weiterer in einer langen Reihe, wenn auch ein besonders erschütternder: Am Montag tötete der weisse Polizist Derek Chauvin bei einem Einsatz den Schwarzen George Floyd, indem er sich neun Minuten lang auf dessen Hals kniete, die Hände in den Taschen und völlig unbeeindruckt von den Hilfeschreien seines Opfers oder den filmenden Passanten. Und weil Chauvin bisher nur entlassen, aber weder verhaftet noch angeklagt worden ist, randalieren in Minneapolis seit vier Tagen wütende Demonstranten.

Jacob Frey, der in Virginia aufgewachsen ist und in Pennsylvania Jura studierte, bevor er 2009 nach Minneapolis umzog, hat zwar seine Abscheu über die ebenso brutale wie rassistische Tat bekundet. Schwarz zu sein, dürfe kein Todesurteil sein, hat er gesagt – eigentlich eine Selbstverständlichkeit, die in Amerika aber eben leider keine ist. Aber ein gewisses Mass an politischer Verantwortung für die Tat trägt auch der Bürgermeister.

Mögliche Vizekandidatur von Klobuchar hat sich erledigt

Chauvin war Angehöriger des städtischen Police Department. Und dass die Polizei von Minneapolis ein ernstes Problem mit fahrlässiger Gewaltanwendung hat, ist bekannt – der jetzige Polizeichef der Stadt wurde 2017 eingesetzt, weil seine Vorgängerin wegen eines verpatzten Einsatzes zurücktreten musste, bei dem eine Frau erschossen worden war. Das war einer der Gründe, warum Frey nach seinem Amtsantritt Anfang 2018 durchsetzte, dass alle Polizisten Kameras an ihrer Uniform tragen müssen.

Auch Chauvin war einschlägig bekannt. Gegen den Officer wurden in den vergangenen Jahren insgesamt zehn Beschwerden wegen zweifelhaften oder gewalttätigen Verhaltens eingereicht. In einigen Fällen kamen dabei Menschen zu Tode. Trotzdem blieb Chauvin im Dienst. 2006 erschoss er zusammen mit anderen Beamten einen Verdächtigen, angeblich in Notwehr. Die Staatsanwältin, die sich damals weigerte, ein Verfahren gegen ihn zu eröffnen, hiess Amy Klobuchar. Sie vertritt inzwischen Minnesota im US-Senat und war als mögliche demokratische Vizekandidatin im Gespräch. Diese Überlegungen dürften sich erledigt haben: Die Demokraten müssen Minnesota bei der Präsidentschaftswahl im November gewinnen, und dafür brauchen sie die Stimmen der Schwarzen.