AboKantonsrat ändert Hochhausbau-RegelZürcher Hochhäuser dürfen drei Stunden Schatten werfen
Ein bisschen weniger Sonne sei zumutbar, meint das Zürcher Kantonsparlament. Deshalb dürfen Hochhäuser künftig näher zusammen gebaut werden.

Hochhäuser im Leutschenbach.
Derzeit gilt laut kantonaler Bauverordnung, dass ein Hochhaus, also ein Gebäude von mindestens 25 Metern Höhe, ein anderes nicht länger als zwei Stunden an zwei definierten Tagen – 3. November und 8. Februar – beschatten darf. Das hat Auswirkungen auf die zulässigen Abstände zwischen den Häusern. So ist es in gewissen Konstellationen unmöglich, zwei Hochhäuser nebeneinander zu stellen.
Die 2-Stunden-Regel ist eine Zürcher Erfindung, der Kanton hat sie in den 1970er-Jahren eingeführt, viele Kantone kopierten sie.
Die Bestimmung geriet aber im Rahmen der Verdichtungsdiskussion unter Druck. Ein erster FDP-Vorstoss dazu wurde 2011 vom Kantonsrat überwiesen. Am Montag diskutierte das Parlament die Änderung eines Satzes in der Allgemeinen Bauverordnung: Statt zwei, so der Vorschlag, dürften die Häuser andere Gebäude drei Stunden lang beschatten. Der Kanton Zug habe die neue Regel schon eingeführt, wurde gesagt.
Verdichtung vs. Wohnhygiene
«Die 2-Stunden-Regel ist zu starr für eine innere Verdichtung», sagte Andrew Katumba (SP, Zürich), Präsident der Kommission für Planung und Bau. Es werde mit dem neuen Regime nicht mehr Hochhäuser geben, aber die Planer könnten flexibler gestalten.
«Die Folge wird nicht die grosse Verdichtung sein», meinte Peter Schick (SVP, Zürich). Viel sensibler sei der Ort, wohin ein Hochhaus gestellt wird. Dennoch solle man den Planern die Arbeit erleichtern.
Jonas Erni (SP, Wädenswil) deutete an, dass es sich seine Partei nicht leichtgemacht habe mit dem Entscheid pro Drei-Stunden-Regel. Es sei eine Interessenabwägung: Innere Verdichtung kontra wohnhygienische Überlegungen, da Nachbarn weniger Sonnenlicht haben. Die Vorteile der Verdichtung überwiegen, sagte Erni, auch wenn die SP gerne mehr Bedingungen wie Solarpanels, Mehrwertabschöpfung oder Fassadenbegrünung in die Verordnung gepackt hätte. Doch das sei Sache des Baugesetzes, und dieses ist in Revision.
«Hochhausensembles machen Sinn», sagte Sonja Rueff-Frenkel (FDP, Zürich). Das gebe eben auch Möglichkeiten für die Solarnutzung. Und in Hochhäusern wohnten und arbeiteten viele Menschen, weshalb der öffentliche Verkehr in den Hochhausquartieren gut sei, was wiederum die Autoquote senke – ein Argument, das den Grünen gefallen sollte, wie Rueff-Frenkel fand.
«Die SP hat sich dazu verführen lassen, Politik für wenige zu machen.»
Doch das überzeugte die Grünen und die AL nicht. Planer könnten die Hochhäuser flexibler setzen. Die neue Regel nütze nur den Grossinvestoren. «Die SP hat sich dazu verführen lassen, Politik für wenige zu machen», stichelte David Galeuchet (Grüne, Bülach). Hochhäuser bewirkten keine innere Verdichtung, zudem werde die Wohnqualität der Bewohnenden eingeschränkt. Er kritisierte auch die Baudirektion, welche nicht imstande sei, zu sagen, wie viele bestehende Hochhausprojekte betroffen seien. «Verdichtung muss sozial und städtebaulich verträglich sein», sagte Judith Stofer (AL, Zürich). Es gebe bessere Lösungen als Hochhäuser. «Menschen brauchen Sonne», sagte sie. «Sonst werden sie krank.»
Josef Widler (Mitte, Zürich) erinnerte daran, dass «nicht nur Grosskapitalisten, sondern auch gemeinnützige Träger» Hochhäuser bauen. Ausserdem sei eine längere Beschattung auch ein kleiner Beitrag gegen die Überhitzung der Städte.
Baudirektor Martin Neukom (Grüne) verzichtete auf eine Stellungnahme, worauf die neue Regel mit 142:27 Stimmen angenommen wurde.
Stadiondiskussion warf Schatten
Die Schattenfrage war anlässlich der Debatte ums neue Fussballstadion auf dem Hardturmareal Anfang des Jahrtausends besonders kontrovers diskutiert worden. Damals ging es um das Pentagon-Projekt, das längst beerdigt ist. Die Arena sollte auf einen Sockel zu stehen kommen, was entsprechend Schatten geworfen hätte.
Auch in der Diskussion um den Swiss Mill Tower im Kreis 5 brandete das Thema Schattenwurf auf. Oder beim aktuellsten Stadionvorhaben mit den zwei flankierenden, 137 Meter hohen Türmen. So hatte sich ein Komitee mit dem Namen «Eltern gegen eine Schule im Schatten» aus dem Umfeld der Schule am Wasser in Höngg gebildet, das kritisierte, dass 400 Schülerinnen und Schüler ständig im Schatten sein würden. Die beiden Projekte wurden aber vom Stimmvolk klar angenommen.
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