Kommentar zur Afghanistan-Krise Den Flüchtenden helfen, aber mit Verstand
Linke und Grüne wollen 10’000 Menschen aus Afghanistan aufnehmen. Die Idee ist so populistisch wie unüberlegt.
In den letzten Stunden wieder und wieder diese Bilder: Menschen, die den Flughafen von Kabul stürmen, Männer, die sich an Fahrwerke klammern. Alle verzweifelt auf der Flucht vor der Rache der Taliban. Wer hier nicht helfen will, hat kein Herz.
Aber: Wer wirklich helfen will, braucht mehr als Herz. Etwa Verstand. Und den lassen Linke und Grüne vermissen, wenn sie sich hinter der Forderung von SP-Nationalrat Fabian Molina versammeln: «Die Schweiz muss sofort 10’000 Geflüchteten Schutz gewähren.»
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Natürlich, der Satz macht sich gut. Und er hat Molina auch sofort die erwünschten Schlagzeilen eingebracht. Die Forderung ist das Echo auf Angela Merkels «Wir schaffen das»: die menschliche, vielleicht allzu menschliche Reaktion auf neu aufgebrochenes Flüchtlingselend.
Völlig unklar und eigentlich unwahrscheinlich ist allerdings, dass mit dem Satz irgendjemandem geholfen ist. Zurzeit ist die unüberwindbare Hürde für flüchtende Afghaninnen und Afghanen der Weg zum Flughafen und über die Grenze. Ein Versprechen, 10’000 Flüchtende aufzunehmen, wäre, wie wenn man einem Verdurstenden Champagner verspricht, wenn er nur tapfer die Sahara durchquert.
Und dann die fixe Zahl: 10’000. Warum? Warum nicht 100’000, wie der heutige Grünen-Parteipräsident Balthasar Glättli auf dem Höhepunkt des syrischen Bürgerkriegs forderte? Flüchtlingsstatus erhält in der Schweiz nach geltendem Recht, wer die Kriterien dafür erfüllt. Das Asylrecht misst sich nicht nach Kontingenten und humanitäres Handeln nicht an absoluten Zahlen.
Der Multilateralist und EU-Liebhaber Molina macht einen intellektuellen Salto rückwärts.
Und schliesslich: Warum soll die Schweiz quasi im Alleingang handeln? Der Multilateralist und EU-Liebhaber Molina macht hier einen intellektuellen Salto rückwärts. Ausgerechnet in einer drohenden internationalen Flüchtlingskatastrophe wirbt der SP-Aussenpolitiker für die schweizerisch-souveräne Methode.
Bei nüchterner Betrachtung sind es drei Dinge, die die Schweiz jetzt tun kann:
Den 230 Personen, denen Bundesrätin Karin Keller-Sutter ein humanitäres Visum zugesichert hat, aus dem Land helfen.
Mit Diplomatie und Hilfsmillionen darauf hinzuwirken versuchen, dass die Nachbarländer Afghanistans Flüchtlinge aufnehmen.
Sich beteiligen an einer internationalen Lösung für eine Umsiedlung schutzwürdiger Afghaninnen und Afghanen. Von diesen harren jetzt schon Tausende in türkischen und iranischen Lagern.
Das ist der Weg, den Herz und Verstand in dieser Krise weisen.
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