Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Demonstration in Winterthur
Mehrere Hundert Personen protestierten gegen Wohnungsnot

Wohnungsdemo in Winterthur am Samstag, 2. November 2024. Foto: Landbote, bitte ohne Name wenn möglich
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk
In Kürze:
  • Etwa 300 bis 400 Menschen demonstrierten in Winterthur gegen Wohnungsnot.
  • Der friedliche Protestzug bewegte sich mit lautstarken Slogans durch die Innenstadt.
  • Die Polizei war vor Ort, löste aber die unbewilligte Demo nicht auf.
  • Am Rande des Protestmarschs gab es geteilte Meinungen.

Der Wohnungsmangel in Winterthur ist unbestritten. Das zeigt nicht nur die bevorstehende Abstimmung über die Volksinitiative «Wohnen für alle» samt zwei Gegenvorschlägen. Lauthals-entschlossen, aber friedlich und mit viel Sprachgesang stimmten am Samstagnachmittag viele Menschen an einer Kundgebung in der Innenstadt mit den Füssen ab. Das Motto lautete: «Kein Profit mit unserer Miete».

Rund 300 bis 400 Personen folgten dem Aufruf der Winterthurer Hausbesetzerszene zu einer unbewilligten «Wohndemo», die nicht die erste ihrer Art war. Junge und Ältere liefen im Protestmarsch mit, der sich kurz nach 14 Uhr vom Stadtpark aus in Richtung Graben in Bewegung setzte und via Stadthausstrasse, Graben, Obertor, Neustadtgasse, Holderplatz, Technikumstrasse zum Bahnhofplatz führte.

«Nehmen wir uns die Strasse»

Am Anfang der Demo steht die Aufforderung der Speakerin: «Nehmen wir uns die Strasse.» Dann wird immer wieder skandiert: «Oisi Strasse, oisi Quartier, weg mit de Yuppies, weg mit de Schmier!» Eine Parole, wie man sie vom Revolutionären Aufbau am 1. Mai kennt.

Die Stadtpolizei Winterthur ist mit einem grösseren Aufgebot vor Ort, verzichtet aber «im Rahmen der Verhältnismässigkeit» auf eine Auflösung der Demonstration, wie Medienchef Michael Wirz nach der Demo erklärt.

Wohnungsdemo in Winterthur am Samstag, 2. November 2024. Foto: Landbote, bitte ohne Name wenn möglich

Zu den Teilnehmerinnen gehört eine 21-jährige Studentin, die noch zu Hause wohnt. Warum sie mitlaufe? «Die Mieten steigen immer mehr, die Löhne aber nicht.» Eine simple Zweieinhalbzimmerwohnung könnten sich viele nicht mehr leisten. «Darum bin ich heute hier.»

Zuschauer filmen den Protestmarsch

Am Strassenrand zücken viele ihr Handy und filmen oder fotografieren die demonstrierende Menge. Auch eine junge Frau verfolgt das Geschehen vom Trottoir aus mit ihrer Kollegin. «Die Demo ist cool und nötig», findet die 28-Jährige, die selbst in der Altstadt wohnt. Ihre Wohnung sei noch bezahlbar. Eine weitere Erhöhung des Mietzinses wäre für sie aber schwierig, sagt sie.

In den bisher günstigen Quartieren würden Häuser abgerissen und durch teurere Neubauten ersetzt, schallt es aus dem Lautsprecher. «Stehen wir ein für eine Stadt, in der für die Menschen gebaut wird und nicht für den Profit.» Eine Verkäuferin am Strassenrand stimmt zu. «Wenn ich aus meiner Wohnung rausmüsste, hätte ich als Alleinstehende ein Problem, eine bezahlbare Wohnung zu finden.»

«Boden wird immer teurer»

Auch eine 57-jährige Lehrerin aus Winterthur läuft mit. «Ich bin schon seit den 1980er-Jahren an solchen Demos», sagt sie auf die Frage nach ihrer Motivation. Die Gefahr bestehe, dass der Boden immer teurer werde und bald nur noch die Reichen in der Stadt leben könnten. Eine durchmischte Bevölkerung sei aber die Voraussetzung für ein friedliches Zusammenleben in der Schweiz.

Wohnungsdemo in Winterthur am Samstag, 2. November 2024. Foto: Landbote, bitte ohne Name wenn möglich

Am Stichtag habe es in Winterthur nur 83 freie Wohnungen gegeben, ruft ein Speaker ins Megafon. Die Kundgebung ist in der Neustadtgasse angekommen und macht hinter der «Gisi», dem ältesten besetzten Haus in der Stadt, halt. Mit Knallkörpern geht es zur Sache. Der Speaker wettert gegen Pensionskassen, Versicherungen und die Stefanini-Stiftung, die alle nur auf Profit aus seien.

«Wir können uns nicht beklagen»

Eine Ladenbesitzerin findet das gut. Sie winkt den Vorbeimarschierenden zu. Ihre Nachbarin, die gerade das Laub vor ihrem kleinen Geschäft wegwischt, sieht es anders. «Wir sind hier auch in einem Stefanini-Haus und können uns nicht beklagen.» Reparaturen würden immer anstandslos und kostengünstig ausgeführt. «So bleibt die Miete für uns kleine Läden bezahlbar.»

Am Bahnhofplatz schüttelt etwas später ein älterer Winterthurer den Kopf. Er stimmt der Demo nicht zu. «Ich bin selbst Vermieter und habe den Mietzins noch kaum erhöht, höchstens bei einer Sanierung, und dann nur moderat.»

«Bewusst keine Bewilligung eingeholt»

Man habe bewusst keine Genehmigung bei der Stadt eingeholt, da diese ein wichtiger Akteur der Gentrifizierung sei, die Menschen mit geringem Einkommen aus der Stadt vertreiben würde, sagt einer der Organisatoren vor der Demo gegenüber Radio Stadtfilter.

Am Ende der unbewilligten Demo, die sich gegen 16 Uhr in der Steinberggasse auflöste, wurden laut Stadtpolizei zahlreiche Teilnehmende kontrolliert und verzeigt. Zudem seien mehrere Wegweisungen ausgesprochen worden. Zu Sachbeschädigungen kam es nicht.

Wohnungsdemo in Winterthur am Samstag, 2. November 2024. Foto: Landbote, bitte ohne Name wenn möglich