Demokratie dank BildungWir brauchen mehr Geschichtsunterricht
Nur Menschen, die wissen, woher Freiheit und Stabilität kommen, werden sich wirklich für den Erhalt und die Weiterentwicklung der Demokratie einsetzen.

Verstecken müssen wir uns nicht. Und verstecken dürfen wir uns nicht. Unsere Institutionen sind über Generationen entstanden und zu einer Konsensdemokratie herangewachsen, auf die niemand verzichten möchte. Wir leben heute in einer demokratischen Gesellschaft, weil diese von Generationen vor uns geformt und erstritten wurde. Unser Verständnis von Demokratie ist Gegenwart und zugleich Geschichte unseres Landes – und diese Geschichte muss den kommenden Generationen vermittelt werden, damit auch in Zukunft noch gilt, was in der Präambel unserer Bundesverfassung steht: «im Bestreben, den Bund zu erneuern, um Freiheit und Demokratie […] gegenüber der Welt zu stärken.»
Demokratie stärken bedeutet, Präsidentenzimmer für den konstruktiven Dialog zu nutzen. Doch sehen wir stattdessen den Vormarsch autoritärer Regimes und die Disruptionen in einem demokratischen Staat wie den USA, der sich bis heute als Vorbild der westlichen Welt gesehen hat. Wenn wir unser demokratisches Gesellschaftsmodell bewahren und unsere Werte mit Stolz als Modell anbieten und verteidigen wollen, brauchen wir Bewusstsein: Nur wer die Basis unseres Wohlstandes kennt, die Errungenschaften früherer Generationen versteht, wird dazu in der Lage sein.
Deshalb müssen junge Menschen für die Erhaltung und Weiterentwicklung unserer Demokratie erfahren, was Demokratie ausmacht, was sie stützt und was sie schwächt. Dazu hilft der Blick auf unsere Geschichte. Nichts ist gegeben, nichts war schon immer da und wird es auf ewig sein. Alles hat eine Herkunft, auch die Demokratie.
Eine Stütze der Demokratie
Wir fordern deshalb den Ausbau des Geschichtsunterrichts in unseren Schulen. Der kürzlich verstorbene Soziologe und Sozialphilosoph Oskar Negt war überzeugt, dass geschichtliches Lernen eine der stärksten Stützen der Demokratie ist. Nur junge Menschen, die wissen, wie ihr Land entstanden ist, woher Freiheit und Stabilität kommen, werden sich wirklich für den Erhalt und die Weiterentwicklung der Demokratie engagieren.
Das gilt auch für die wirtschaftliche Prosperität, die kein Zufall ist. Sie basiert unter anderem auf unserer politischen Stabilität und dem ebenfalls historisch gewachsenen dualen Bildungssystem, das vielerorts bewundert und kopiert wird. Auch die bald 200 Jahre alte Volksschule funktioniert nach wie vor und erbringt im internationalen Vergleich stabil gute Leistungen – und kein Land hat mehr Nobelpreisträger pro Einwohner als die Schweiz.
Wir haben zwar keinen Grund, in der Welt überheblich aufzutreten, aber noch weniger Grund, nicht selbstsicher und auf Augenhöhe den Regierungschefs und Wirtschaftsvertretern dieser Welt zu begegnen. Und in Ergänzung dazu haben wir die Pflicht, unseren Jugendlichen zu zeigen, dass wir an unsere Errungenschaften glauben und diese verteidigen, weil wir wissen, wie sie erkämpft wurden.
«Eine demokratisch verfasste Gesellschaft ist die einzige Gesellschaftsordnung, die gelernt werden muss. Alle anderen bekommt man so», hat Negt einmal geschrieben. Die, die man «so bekommt», wollen wir nicht.
Die Rechtsanwältin Sandra De Vito und der Bildungsexperte Rudolf Isler engagieren sich für politische Bildung.
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