Davon träumen viele Musikstars
Der Aufmarsch in Payerne ist gross, als die Amerikaner ihren Kampfjet präsentieren. Doch zwei Zuschauer stehlen dem Jet fast die Show.
Der grossgewachsene Mann im lilafarbenen Hemd stützt sich am Pistenrand des Flugplatzes von Payerne VD auf die Abschrankung. Er ist einer von 500 Schaulustigen, die sich einen Platz im offiziellen Spotter-Gelände ergattert haben und dort auf den US-Kampfjet F-35 warten. Neben ihm tuscheln die Leute. Verstohlen beäugen sie den Senior mit dem kantigen Gesicht und seinen deutlich kleineren Begleiter mit roten Pausbacken. «Sind das nicht...?» raunt ein Mitfünziger. Doch. Es sind der ehemalige Armeechef Christophe Keckeis und sein einstiger Chef Alt-Bundesrat Samuel Schmid. Sie haben sich unter die Fliegerfans gemischt.
«Ich möchte genau wissen, was da passiert», sagt Keckeis. Deshalb stellt er sich trotz praller Sonne an den Pistenrand, wenn der vierte der fünf Hersteller am Freitag seinen Kampfjet der Schweizer Bevölkerung zeigt. Er sei auch bei den anderen Kandidaten zugegen gewesen. «Nur den Rafale aus Frankreich musste ich auslassen, weil ich im Ausland war.»
Ausschweifend, prägnant – bei einer Frage zugeknöpft
Triebwerke heulen auf. Keckeis verstummt. Reckt den Hals. Die Spotter reissen die Kameras in die Höhe, bringen sich in Position. Jetzt gilt es ernst: Der amerikanische Jet rollt an, stoppt vor seinem Publikum – posiert. Wie Salven klingen die Auslöser. Der Pilot hebt grüssend die Hand und setzt sein Flugzeug wieder in Bewegung. Nur wenige Minuten später donnert er an seinen Fans vorbei und hebt ab.
Bilder: Ansturm in Payerne
Ruhe kehrt ein. Die Spotter gönnen sich ein Bier oder zwei. Bereitwillig steht Keckeis Red und Antwort, nicht nur den Journalisten. Erklärt mal ausschweifend, mal kurz und prägnant, weshalb die Schweiz einen neuen Jet brauche. Nur bei der Frage nach dem Richtigen, da gibt er sich zugeknöpft. Bleibt politisch korrekt. «Ich vertraue dem Prozess, denn wir evaluieren wie die Wahnsinnigen. Dann hoffe ich, dass die Politik vernünftig mit dem Resultat umgeht.» Der Aufmarsch freut, aber überrascht den pensionierten Militär nicht. Diese Faszination sei jeweils auch an Airshows zu beobachten.
Doch nicht alle Begeisterten haben es an diesem Freitagnachmittag geschafft, sich einen Platz im offiziellen Gelände unmittelbar an den Pisten zu sichern. Denn der Jet schaffte, wovon manch ein Musikstar träumt: In weniger als drei Minuten waren die 500 Plätze ausgebucht. Deshalb haben Manuela Steinauer und ihr Partner es sich auf der gegenüberliegenden Seite des Flugplatzes bequem gemacht. Auf einem improvisierten Tisch stehen Weingläser und Salzstengeli. Keinen der Kandidaten, den die Schweizer Armee evaluiert, haben sie bisher verpasst. Für den F-35 aus dem Hause Lockheed Martin sind sie zum vierten Mal aus Wohlen (AG) nach Payerne gereist.
Noch von viel weiter angereist sind Dario Leone und Gabriele Barison. Sie sind am Morgen um 2.30 Uhr in der Nähe von Mailand aufgebrochen, um pünktlich in der Waadt zu sein. «Wir verfolgen den Auswahlprozess der Schweizer Luftwaffe», sagt Leone. Gemeinsam mit seinem Freund betreibt er vollberuflich eine Webseite, die sich der Militäraviatik widmet. Nach jeder Präsentation eines Kandidaten datieren die beiden ihre Homepage auf und scheuen dafür keine schlaflosen Nächte. «Die Fliegerei ist unser Leben.» Doch auch sie waren nicht schnell genug und haben sich wie zig andere Spotter um den Flugplatz postieren müssen. Trotzdem wollen sie sich den F-35 nicht entgehen lassen. Sie sind gespannt auf den Jet, der auch für etliche Kenner ein Mysterium ist. Auf jenen der fünf Kandidaten, der die Gerüchteküche am heftigsten brodeln lässt. Nicht zuletzt wegen der Geheimniskrämerei der Amerikaner.
Unsichtbar und unüberhörbar
Um diese Gerüchte schert sich Nils Keust keinen Deut. Der Zehnjährige ist mit seinem Vater angereist und hat es sich im Spotter-Gelände gemütlich gemacht. Ihm gefalle der kantige Jet wegen seiner Form und «weil man ihn auf dem Radar nicht sieht». Der Junge langt in eine Plastikdose und schiebt sich einen Cracker in den Mund. Für ihren Männerausflug haben die beiden Proviant mitgenommen. Und Campingstühle. Darin lehnen sich Vater und Sohn jetzt zurück.
«Wir bleiben, bis der F-35 wieder kommt», sagt der Zehnjährige und packt die Tüte, die der Hersteller des Jets den Schaulustigen verteilt hat. Er kramt darin herum, inspiziert deren Inhalt. Doch rasch verlieren die kleine Virtual-Reality-Brille, der USB-Stick in Jetform und die Aufkleber ihren Reiz. Denn: Auch wenn der US-Jet auf den Radars nicht zu sehen ist, bleibt er fürs gemeine Volk unüberhörbar. Das Tosen in der Ferne lässt erneut Hektik aufkommen. Die letzte Chance für das perfekte Bild. Die Maschine landet, bleibt ein letztes Mal vor den Spottern stehen – der Pilot verabschiedet sich. Vorbei.
Auch Christophe Keckeis hat die Rückkehr der Jets abgewartet. Inzwischen steht er alleine an der Abschrankung. Ab und an fasst sich ein Spotter auf dem Heimweg ein Herz und spricht ihn an. Schüttelt ihm die Hand. Tauscht Höflichkeiten aus, Erinnerungen an irgendeinen vergangenen Anlass, an dem Keckeis, damals noch im Amt, eine Rede gehalten hat. In der Ferne verstummen die Triebwerke der Jets. Keckeis nickt zufrieden, denkt sich seine Sache und stapft davon.
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