Krise im Tourismus«Das Ziel bei den Jungfraubahnen ist eine Impfquote von 95 Prozent»
Die Omikron-Variante könne die Erholung der Bahnen zurückwerfen, sagt Firmenchef Urs Kessler. Um Arbeitsplätze zu erhalten, will er möglichst alle Mitarbeiter von der Impfung überzeugen.
Es hätte eine schöne Feier in hässlichen Zeiten werden sollen: Am Samstag feierten die Jungfraubahnen das 1-Jahr-Jubiläum ihres umstrittenen und millionenschweren V-Bahn-Projekts. Damit gemeint ist ein neuer Terminal in Grindelwald Grund, von dem eine Dreiseilumlaufbahn zum Eigergletscher sowie eine 10er-Gondelbahn zum Männlichen führen. Böse Zungen sprechen von einer «Wäscheleine in der Eigernordwand».
Doch dann tauchte die Omikron-Variante des Coronavirus auf. Eingeladene Medienschaffende aus Japan, Grossbritannien, den Niederlanden und Belgien sagten Jungfraubahnen-Chef Urs Kessler kurzfristig ab. Sie hätten bei einer Einreise in die Schweiz mit Quarantäne rechnen müssen. Erst am Freitag kippte der Bundesrat diese Massnahme wieder.
Vom Rekordergebnis zum ersten Verlust
Der dringend benötigte Werbeeffekt in den für die Jungfrauregion wichtigen Herkunftsländern der verhinderten Journalistinnen und Journalisten wird somit fehlen. Für ein erfolgsverwöhntes Unternehmen, das von einem Rekordergebnis im Jahr 2019 zum ersten Verlust der Firmengeschichte im Jahr 2020 geschlittert ist, bedeutet dies ein weiteres Hindernis auf dem Weg zur Erholung.
«Omikron ist ohne Zweifel ein Tiefschlag», sagt Kessler im Gespräch mit dieser Zeitung. Es gebe zurzeit aber keine Anzeichen dafür, dass die neu entdeckte Mutation auch einen Rückschlag für die Jungfraubahnen bedeute.
Es sei zwar in den Wachstumsmärkten Asien, Nordamerika und dem arabischen Raum eine Verunsicherung spürbar. «Doch das Bedürfnis nach Reisen ist gerade in diesen Gebieten gross, weshalb ich mit einem grossen Nachholbedarf rechne», so der 59-Jährige.
Anders ist die Ausgangslage für den heimischen Markt. «Im Gegensatz zu den internationalen Gästen reagieren die Schweizerinnen und Schweizer stark aufs Wetter», sagt Kessler. Bei schönen Verhältnissen seien von Juni bis September 2021 an einem Tag bis zu 5000 Leute auf das Jungfraujoch gereist, bei schlechtem Wetter seien es 200 gewesen. In derselben Periode 2019, also vor Ausbruch der Pandemie, seien täglich mindestens 3000 Besucher gezählt worden.
«Es ist jetzt noch zu früh, um die Folgen im Detail abschätzen zu können», so Kessler. Das hänge von den kommenden zwei bis drei Wochen ab. «Die Krise hat uns gelehrt, dass die Buchungen äusserst kurzfristig erfolgen.» Deshalb gebe er die anstehende Wintersaison noch nicht auf. Denn es könne durchaus einen schlagartigen Ansturm geben, sollte sich Omikron als weniger aggressiv erweisen als angenommen.
2022 wird eine Durststrecke
Laut Kessler könnte die neue Variante die Erholung des Geschäfts um zwei bis drei Monate zurückwerfen. An seiner generellen Einschätzung, dass das kommende Jahr noch eine Durststrecke bleiben wird und sich die Fernmärkte im Jahr 2023 auf 80 Prozent des Vorkrisenniveaus erholt haben werden, hält Kessler jedoch fest.
An das Betriebsergebnis von 22,3 Millionen Franken aus dem vergangenen Jahr will der Jungfraubahnen-Chef heuer anknüpfen. «Ich gehe davon aus, dass sich im laufenden Geschäftsjahr das Ergebnis vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen auf ähnlichem Niveau wie 2020 bewegen wird», so Kessler.
Damit die Jungfraubahnen nachhaltig in den schwarzen Zahlen bleiben, muss die Pandemie aber erst kontrollierbar werden. Für Kessler ist der Ausweg einfach: «Ich habe immer gesagt, dass eine hohe Impfquote ein Gamechanger ist.»
Kein Impfzwang für Angestellte, aber Gespräche
Von einem Impfzwang hält er indes nichts: «Druck erzeugt immer Gegendruck. Ungeimpfte müssen wir durch einleuchtende Argumente überzeugen.» Hier sei auch die Wirtschaft gefordert, ihre Vorbildfunktion wahrzunehmen.
Kessler macht es im eigenen Betrieb mit 900 Mitarbeitern vor. Das Personal weise eine Impfquote von 90 Prozent auf. «Das Ziel sind 95 Prozent», sagt Kessler. Er habe schon zahlreiche persönliche Gespräche mit skeptischen Angestellten geführt und werde dies auch weiterhin tun.
Doch wie überzeugt er zurückhaltende Mitarbeiter? «Ich versuche ihnen aufzuzeigen, dass der Nutzen einer Impfung höher ist als der ausbleibende Schaden einer Covid-19-Erkrankung.» So verweise er etwa darauf, dass eine hohe Impfquote dazu beitrage, dass Arbeitsplätze erhalten bleiben könnten. «Wenn sich unsere Angestellten impfen lassen, fühlen sich auch unsere Gäste sicherer. Das wiederum ist förderlich fürs Geschäft.»
Auf ein gut laufendes Geschäft ist das Unternehmen angewiesen. Das V-Bahn-Projekt kostete beinahe eine halbe Milliarde Franken. Diese Investition muss rasch amortisiert werden, doch mit ausbleibenden Besuchern wird das schwierig.
Die V-Bahn sei Teil des langfristigen Plans, internationale Gäste ins Berner Oberland zu locken, so Kessler. «Es macht keinen Sinn, kurzfristig die Strategie zu ändern, nur weil es gerade Turbulenzen gibt.» Zudem rechne er damit, dass das Unternehmen auch im laufenden Jahr die Schulden weiter verringern könne.
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