Geldberater: Der Marktschrei(b)erAusgerechnet die Jungfraubahnen wollen hoch hinaus
UBS kommt in Belgien glimpflich davon +++ Dormakaba fokussiert sich +++ Molecular Partners fällt mit Corona-Arznei zurück +++ Aryzta bäckt wieder kleinere Brötchen.
Jungfraubahnen: Halten
Während die Corona-Zahlen in der Schweiz wieder steigen, sind ausgerechnet die von der Pandemie arg gebeutelten Jungfraubahnen positiv. Der Bahnbetreiber hat angekündigt, zu einem regulären Fahrplan zurückzukehren. Passend dazu ist unter Skigebieten Zuversicht entflammt, auf eine normale Wintersaison zuzusteuern. Zeit, sich die Aktien ins Depot zu holen? Ich bin skeptisch. Das Unternehmen hat ein China-Problem. Kehren asiatische Reisende nicht massenhaft zurück, sind die Valoren selbst auf dem heutigen Niveau noch zu teuer. Sowieso hält sich die Euphorie in Grenzen. Wer schon vergangenen Winter auf eine Erholung spekuliert hatte, wurde bitter enttäuscht. Die Aktien notieren bei fast genau dem Kurs von Anfang Jahr – Impfungen und Zertifikat zum Trotz. Dass sich die Jungfraubahnen mit der neuen V-Bahn im Skigebiet Scheidegg-Männlichen stärker auf den Wintersport ausrichten, ist zwar positiv. Für eine Investition ist mir die Entwicklung des internationalen Tourismus aber zu unsicher. Risikofreudige können auf einen plötzlichen Kursschub spekulieren. Alle anderen investieren lieber in ein Bahnticket. Halten
UBS: Halten
Die UBS entsorgt eine weitere Altlast. Nein, nicht im Steuerstreit mit Frankreich, wo das Urteil im Berufungsprozess für Mitte Dezember erwartet wird. Die Grossbank hat, ebenfalls in Steuersachen, mit Belgien vergangene Woche eine Einigung in einer seit 2014 laufenden Untersuchung erzielt. Und im Gegensatz zu Frankreich, wo der UBS eine Strafe in Milliardenhöhe droht, kommt sie in Belgien vergleichsweise glimpflich davon: 49 Millionen Euro überweist die Grossbank an die belgische Staatskasse. Ein Schuldeingeständnis ist dafür nicht nötig, und die Vorwürfe der Geldwäsche und des Betreibens einer kriminellen Organisation hat die belgische Justiz fallen gelassen. Angesichts der günstigen Einigung in Belgien schöpft die Grossbank mit Blick auf Frankreich Hoffnung. Ich habe da meine Zweifel. Nicht zuletzt, weil das Urteil in Frankreich ungeachtet des Ausgangs wohl an die nächste Instanz weitergezogen wird und so bei der Bank noch länger Zeit und Ressourcen bindet. Finanziell kann sich die UBS das dank ihrer solider Kapitalisierung leisten. Halten
Dormakaba: Halten
Dormakaba, die Spezialistin für Schliesstechnik, ist 2015 aus der Fusion der Schweizer Kaba und der deutschen Dorma hervorgegangen und seitdem nicht vom Fleck gekommen. Die Ziele für Umsatz und Rentabilität wurden regelmässig verfehlt. Sabrina Soussan, die im April den Chefsessel übernommen hatte, stellte Anfang der Woche ihr Strategieprogramm mit dem Titel «Shape4Growth» vor. «Wir müssen und werden reagieren», sagte sie zur Einstimmung. Konkrete Massnahmen sind der erwartete Verkauf der umsatzschwachen US-Tochterfirma Mesker, die Fusion von zwei Berichtsregionen, die Einführung neuer Konzernfunktionen und hohe Investitionen in die IT. Darüber hinaus ist viel von Fokus die Rede. Fokus auf das Kerngeschäft, auf die Kernmärkte, auf die Kundenbedürfnisse. Zudem soll sich die Unternehmenskultur ändern und zu einer «high-performance culture» werden. Profitables Wachstum ist das Ziel. Mir gefällt es, wenn ein Unternehmen sich auf das konzentrieren will, was es am besten kann. Der Weg dahin ist mitunter lang, nicht immer erfolgreich und verlangt viel Geduld. Halten
Molecular Partners: Kaufen
Die Aktien von Molecular Partners haben sich in den vergangenen Wochen halbiert. Das Biotechunternehmen arbeitet mit Novartis an einem potenziellen Corona-Medikament namens Ensovibep. In einer Studie der US-Regierungsorganisation NIH konnte es schwer kranken Spitalpatienten nicht genügend helfen. Zuvor hatten gute Resultate einer antiviralen Pille von Pfizer die Aktien von Molecular absacken lassen. Der Grund: Es wird schwierig, diese Resultate zu toppen. Ausserdem gelten Pillen als praktischer als Spritzen oder gar Infusionen, mit denen Antikörper gegeben werden. Mehrere davon hatten bei Spitalpatienten auch versagt. Inzwischen sind einige zugelassen, weil sie bei weniger schwer Kranken gute Resultate gezeigt hatten. Die Daten für Ensovibep in dieser Kategorie werden Anfang Januar erwartet. Es hat gute Chancen, ebenfalls zu reüssieren. Mit den Aktien müsste es dann aufwärtsgehen. Der Absturz von Molecular ist zwar ärgerlich, ich sehe ihn aber als Gelegenheit, die Position aufzustocken. Kaufen
Aryzta: Dosiert kaufen
Am Beispiel von Aryzta lässt sich hervorragend beobachten, wie die Börse die Zukunft verhandelt. Die Aktien des Tiefkühlbäckers waren jahrelang verpönt, weil das Unternehmen von einem fantasielosen und eigennützigen Management geführt wurde. Die Anleger begannen erst umzudenken, als im Frühling 2020 ein aktivistischer Investor einstieg. Der Turnaround bei den Aktien setzte allerdings ein, lange bevor sich die Zahlen verbesserten. In den letzten zwölf Monaten haben sie sich verdoppelt. Es ist in der Zwischenzeit auch viel passiert: neues Management und neuer Verwaltungsrat, schlankere Strukturen, effizientere Prozesse, solidere Bilanz, bessere Kundenbeziehungen. Doch seit einigen Wochen kommen die Titel nicht voran, obwohl sich die Ergebnisse laufend verbessern. Zuletzt wuchs Aryzta in einem Geschäftsquartal zum dritten Mal in Folge organisch. Für mich ist klar: Die eher tief hängenden Früchte im Turnaroundprozess hat Aryzta geerntet. Nun wird es schwieriger, Kursfantasie zu verbreiten. Blicke ich aber einige Monate in die Zukunft, erwarte ich durchaus noch Wertsteigerungspotenzial. Dosiert kaufen
Diese Kolumne wird von den Redaktorinnen und Redaktoren der «Finanz und Wirtschaft» verfasst. Sie haben sich verpflichtet, nicht in den entsprechenden Titeln aktiv zu sein. Wer die Tipps dieser Kolumne umsetzt, tut das auf eigenes Risiko. Die SonntagsZeitung übernimmt keine Verantwortung. Weitere Artikel der «Finanz und Wirtschaft» finden Sie unter www.fuw.ch
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Fehler gefunden?Jetzt melden.