Analyse zum World Economic ForumDas WEF steht am Scheideweg
Trotz Lücken in der Teilnehmerliste war das Treffen in Davos ein relevantes Forum. Doch die beginnende Deglobalisierung könnte dazu führen, dass das WEF an Bedeutung verliert.
Die Skepsis war im Vorfeld gross: Angesichts einer deutlich geschrumpften Teilnehmerzahl wurde das World Economic Forum – kurz WEF – schon als «WEFli» bezeichnet. Am Ende des Treffens lässt sich sagen: Das Treffen in Davos bleibt ein relevantes Forum. Und dennoch scheint sein zukünftiger Erfolg unsicherer denn je.
Ukraine-Krieg, eine drohende Hungersnot, gerissene Lieferketten wegen Chinas Covid-Politik: Selten waren die Themen am WEF so politisch und die Stimmung unter den Teilnehmern so düster. Milliardär und Philantrop George Soros warnte gar vor dem drohenden «Ende unserer Zivilisation», weil wegen der oben genannten Probleme der Klimawandel auf der politischen Agenda nach hinten gerutscht ist.
Star des Forums waren ohne Zweifel die Ukraine und ihre Vertreter. Für die Schweiz selbst ist die Bilanz des WEF eher dünn. Das lag aber weder an der mangelnden Präsenz der Bundesräte noch am Fehlen der wichtigen Gesprächspartner. So gab es auch ein Treffen bei einem Abendessen zwischen Cassis und EU-Kommissions-Chefin Ursula von der Leyen, aber Fortschritte in den festgefahrenen Beziehungen brachte das nicht. Was angesichts der komplexen innenpolitischen Lage auch niemanden verwundert.
Das WEF ist ein Kind der Globalisierung.
Hat das WEF die zweijährige Corona-Zwangspause unbeschadet überstanden? Das könne derzeit noch nicht gesagt werden, meinen auch Teilnehmer, die seit über 20 Jahren nach Davos kommen.
Denn das WEF ist ein Kind der Globalisierung. Die gerade teilweise rückabgewickelt wird. Die Globalisierung wurde befeuert von tiefen Zinsen, fallenden Handelsbeschränkungen und dem Siegeszug des Internets. Firmen konnten Staaten gegeneinander ausspielen und sich den jeweils günstigsten Standort aussuchen. Doch diese Ära geht zu Ende. Das Primat hat wieder die Politik, wie WEF-Gründer Klaus Schwab feststellte.
Trend zur Fragmentierung
Und nun beginnt eine gefährliche Fragmentierung der Wirtschaft. Die USA und China werden jeweils den Handel in den von ihnen dominierten Blöcken vorantreiben, die Blöcke beginnen, sich voneinander zu entfernen. China zum Beispiel hat sich bereits aus dem globalen Internet ausgeklinkt und baut hinter der «great firewall» sein eigenes, kontrolliertes Netz auf.
Chinas drastische Covid-Politik sowie die neuen Spannungen mit den USA sorgen dafür, dass westliche Firmen sich zweimal überlegen, ob sie noch in China investieren wollen – und wenn, dann primär, um den lokalen Markt zu bedienen.
Es wird weiter globalen Handel geben, aber die Globalisierung hat einen kräftigen Schlag erhalten. Auch wenn Bundeskanzler Olaf Scholz warnt: «Die Deglobalisierung ist ein Holzweg.»
Diese Entwicklungen strahlen auch auf das WEF aus. Sollten auch im nächsten Jahr Spitzenpolitiker aus den USA und China dem Treffen in Davos fernbleiben, könnte dies dem Forum viel an Strahlkraft nehmen.
Drohender Schneeballeffekt
Der Erfolg des WEF ist fragil, er muss jedes Jahr bestätigt werden. Beginnen Zweifel aufzukommen, ob sich die Reise nach Davos lohnt, droht ein Schneeballeffekt, der immer grössere Löcher in die Gästeliste zu reissen droht.
Daher hängt viel vom WEF 2023 ab, das wieder für den Januar angesetzt ist. Schaffen es Klaus Schwab und sein Team, wieder mehr Topleute aus den USA und China nach Davos zu holen, hat das Forum die Kurve gekriegt. Andernfalls droht der Anfang vom Abstieg.
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