Analyse zum Sussex-InterviewDas trifft das englische Königshaus im Mark
Der Auftritt von Meghan und Harry bei Oprah Winfrey legt die Bruchstellen des britischen Royalismus offen.
Dieser Schlag hat gesessen. Diese Worte verwinden die Royals nicht so leicht. Vor einem globalen Millionenpublikum haben Königin Elizabeths Enkel Harry und dessen Frau Meghan mit etwas Hilfe von Oprah Winfrey ihr Herz ausgeschüttet über «die Firma» und den Rest der Familie in London. Lesen Sie hier unsere Fernsehkritik zum Interview.
Allerlei hat man in Winfreys Talkshow zu hören bekommen: dass Meghan verzweifelt war; dass die Familie sie nicht gegen üble Attacken in Schutz nahm; dass Prinz Charles, als sich sein Sohn Harry bei ihm beklagen wollte, nicht ans Telefon ging. Am Ende blieb dem Paar nur ein radikaler Akt der Selbstbefreiung.
So weit die Story dieses Interviews, verkauft in über 70 Länder der Erde. Was von der grossen Oprah-Show Melodramatik war und was berechtigte Bitterkeit über die Behandlung der «Sussexes» in London: Das sucht man nun mühsam auseinanderzuklauben in einem verdatterten Königreich.
Zweifel hat jedenfalls niemand daran, dass Meghan auf rassistische Töne stiess. Und besonderen Respekt für Frauen, die sich von vorgegebenen Rollen absetzen wollten, hat die britische Monarchie sowieso nie gehabt. Das war schon Kern des Diana-Dramas, das Meghan nun in Erinnerung ruft.
Für das Königshaus war eine US-Filmschauspielerin, die von ihrem Celebrity-Status nicht lassen wollte, von Anfang an eine Herausforderung. Dass sich in einem so starren Rahmen keine Kompromisse finden, dass keine Teilzeitrollen zur Verfügung stehen würden, war schon abzusehen, als Harry und Meghan nach einer Alternative zum Leben bei Hofe suchten.
Dass Meghan und Harry ihre Zugehörigkeit zur «Firma» für lukrative Geschäfte nutzen wollen, stösst in Harrys alter Heimat vielen bitter auf.
Ihre neue Basis in den USA hebt den Gegensatz der Kulturen, die da aneinanderstossen, nur noch deutlicher hervor. Hier der Anspruch auf Selbstverwirklichung, auf persönliche Geltung, auf finanziellen Erfolg. Dort die alte Welt der Windsors, die einen solchen Ehrgeiz und überhaupt private Bedürfnisse in ihren grauen Mauern immer erstickte – wie man aus der TV-Serie «The Crown» zur Genüge weiss.
Ganz unkritisch sehen auch viele Briten diesen Szenenwechsel natürlich nicht, den Oprah Winfrey so perfekt inszenierte. Dass Meghan und Harry ihre Zugehörigkeit zur «Firma» für lukrative Geschäfte nutzen wollen, stösst auch in Harrys alter Heimat manchen Leuten bitter auf.
Unverständlich bleibt dennoch, warum die Windsors nun wieder zu den ältesten und gröbsten Mitteln gegen die neue Herausforderung greifen und eine Art Schauprozess gegen Meghan veranstalten wollen – wegen angeblicher Schikanen und Ruppigkeiten. Das verschärft nur die Konfrontation.
Der Rest der Welt amüsiert sich auf Windsor-Kosten und will von dieser Seifenoper nicht lassen.
Schlimm genug, finden reformwillige Royalisten, dass man die einzigartige Chance verspielt habe, eine verkrustete Monarchie aufzufrischen und neue Multikulti-Vielfalt zu verleihen. Auch der Rest der Nation weiss schliesslich, dass die demnächst 95-jährige Elizabeth II nicht auf alle Ewigkeit auf dem Thron sitzen wird und dass Kronprinz Charles wenig populär ist im Lande.
So ein Schlag allein hebt eine britische Monarchie natürlich nicht aus den Angeln. Britische Republikaner freuen sich aber begreiflicherweise über die Zerwürfnisse, die sich «die Firma» jetzt leistet – während sich der Rest der Welt auf Windsor-Kosten amüsiert und von dieser Seifenoper nicht lassen will.
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