Machtwechsel bei Manchester UnitedDas Sinnbild des Übels ist weg – und der Heilsbringer da?
Ed Woodward, der ungeliebte Geschäftsführer, tritt Ende Jahr ab. Tausendsassa Ralf Rangnick soll den Erfolg zurückbringen. Dabei hat er fast freie Hand.
Vor einem Monat, nach der Entlassung des Trainers Ole Gunnar Solskjaer, ging unter den Fans bei Manchester United kurz die Sorge um, der unbeliebte Geschäftsführer Ed Woodward könnte aufgrund des Personalwechsels seinen zum Jahresende angekündigten Abschied noch mal aufschieben. Seit Jahren hat die Anhängerschaft nämlich erfolglos versucht, den Statthalter der US-amerikanischen Eigentümerfamilie Glazer aus dem Club zu drängen. Aus ihrer Sicht steht der Investmentbanker sinnbildlich für die Erfolglosigkeit des Rekordmeisters seit dem Rückzug der 27 Jahre amtierenden Trainerlegende Alex Ferguson im Sommer 2013.
Ihm wird unterstellt, stets eher den finanziellen Interessen der Clubeigner gedient zu haben, als die sportlichen Ambitionen des ruhmreichen Vereins zu verfolgen. Nachdem sich Woodward als Berater bei der Übernahme des Rekordmeisters 2005 das Vertrauen der Glazers erworben hatte, wirkte er fortan in verschiedenen Positionen im Verein weiter und stieg später in den Vorstand auf. In seiner Amtszeit gelang es ihm, aus United einen der finanzkräftigsten Vereine der Welt zu formen. Allerdings wurde ihm dabei das Mitwirken des Clubs als Gründungsmitglied der wieder auf Eis gelegten europäischen Superliga im Frühjahr zum Verhängnis. Um die riesige Protestwelle zu beruhigen, zog Woodward persönliche Konsequenzen aus dem Debakel.
Durch seine Demission geht bei Manchester United jetzt quasi eine Ära zu Ende, die einen erstaunlichen Machtwechsel in Gang setzt. Formal steht Richard Arnold davor, als interne Lösung auf die freie Position aufzurücken, aber hinter vorgehaltener Hand gilt als grosser Gewinner: Ralf Rangnick, 63.
Rangnick, der Allmächtige
Obwohl Rangnick lediglich mit einem Vertrag als Interimstrainer bis zum Saisonende und einer anschliessenden zweijährigen Beratertätigkeit ausgestattet ist, obliegt ihm nun der Prozess der sportlichen Neuausrichtung. Bei diesem Unterfangen dürfte ihm kaum ein Wunsch verwehrt bleiben, weil ihn die Fussballchefs John Murtough und Darren Fletcher zur Wunschlösung erklärt haben. Und dreieinhalb Wochen nach seiner Ankunft in Manchester lässt sich bereits konstatieren, dass Rangnick – der sich zuvor als Vereinsentwickler bei RB Leipzig und der TSG Hoffenheim einen beachtlichen Ruf erworben hat – kaum einen Stein auf dem anderen lässt.
Fast das vollständige Trainerteam seines Vorgängers wurde inzwischen ausgetauscht. Für die Assistenten Michael Carrick und Kieran McKenna kamen mit Chris Armas und Ewan Sharp zwei Nachfolger, die Rangnick jeweils über seine Tätigkeit als Fussballchef von Red Bull kannte. Dazu stiessen Sportpsychologe Sascha Lense sowie sein langjähriger Mentor Helmut Gross. Dem Vernehmen nach ist United bereit, auch das Kader im Winter zu verstärken, nachdem zu Saisonbeginn schon Cristiano Ronaldo, Jadon Sancho und Raphael Varane geholt worden sind.
Angesichts der Hektik rund um seine Verpflichtung ist es Rangnick wohl gelegen gekommen, dass der Club seit zwei Wochen mit dem Spielbetrieb aussetzen musste. Nach einem Corona-Ausbruch, der circa die Hälfte des Profiteams betraf, wurde das Trainingsgelände für mehrere Tage geschlossen. Die Massnahme dürfte Rangnick geholfen haben, die Vereinsstrukturen besser kennen zu lernen und die Arbeitsabläufe seinen Vorstellungen anzupassen.
Von der zwangsbedingten Pause profitierten auch einige Spieler wie Abwehrroutinier Varane, die ihre Verletzungen auskurieren konnten. Die Auswirkungen des fehlenden Spielrhythmus scheinen hingegen überschaubar zu sein, weil andere Clubs in der Premier League mit ähnlichen Widrigkeiten zu kämpfen hatten. Zumal sich der Schwierigkeitsgrad der Wiedereinstiegspartien für United gegen Newcastle am Montag und Burnley am Donnerstag in Grenzen hält. Die ersten beiden Ligaspiele mit Rangnick gewann Manchester jeweils, wodurch sich der Club im Verfolgerfeld des Spitzentrios aufhält – mit Aussicht auf Platz vier, der zur Teilnahme an der Champions League berechtigt.
Er muss aus Diven ein Team formen
Bei seiner ersten Trainerstation im englischen Fussball, dem Rangnick seit einem Studienaufenthalt auf der Insel verfallen ist, geht es für ihn jetzt vor allem darum, aus den vielen hochbegabten, sich oftmals divenhaft verhaltenden Profis eine Mannschaft mit einer eigenen Spielidentität zu entwickeln. Denn mehr als die ewige Hoffnung auf rettende Einzelaktionen hat sich unter seinen Vorgängern fast nicht eingestellt. Sofern ihm das gelingt, ist es denkbar, dass Ralf Rangnick neben der Transformation des Vereins auch noch über die Saison hinaus für die Runderneuerung des Teams verantwortlich bleibt.
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