Rangliste des UnfallrisikosDas sind die gefährlichsten Jobs der Schweiz
In gewissen Berufen und Branchen ist das Risiko eines Unfalls oder tödlichen Unglücks viel grösser als bei anderen. Eine Rolle spielt auch die Jahreszeit und der Wochentag, wie unsere Auswertung zeigt.
«Mann stürzt sechs Meter in die Tiefe», «Explosion fordert Verletzte», «Arbeiter im Liftschacht eingeklemmt und gestorben»: Zurzeit gibt es fast täglich Meldungen über schwere Unfälle auf Baustellen. Sind sie der gefährlichste Arbeitsort überhaupt? Nicht ganz, wie unsere Auswertung der Statistik der Unfallversicherung zeigt.
Schaut man sich die Häufigkeit von Unfällen seit 2010 an, gibt es zwei Branchen, die noch riskanter sind: Forstwirtschaft sowie Dienstleistungen in den Bereichen Sport, Unterhaltung und Erholung. Dazu gehören Profisportler sowie Jobs auf Skipisten, bei Seilbahnen, in Vergnügungsparks oder im Zirkus. Hier verunfallen pro Jahr durchschnittlich 253 von 1000 Vollzeitangestellten – mehr als jeder vierte. Wichtig zu wissen: Damit sind alle Unfälle gemeint, auch solche mit leichten Folgen.
Für Forstwartinnen und Forstwarte ist das Risiko ähnlich hoch. Sie können von Stämmen und Ästen getroffen und eingeklemmt werden, von Bäumen fallen, mit der Kettensäge abrutschen oder einfach stolpern und stürzen. Es gibt kaum ein Job, bei dem mehr potenzielle Gefahren drohen. Höchstens noch auf dem Bau.
Bei vorbereitenden Baustellenarbeiten, Bauinstallation und im Ausbaugewerbe gibt es am drittmeisten Unfälle pro Kopf. Vor allem Dachdecker und Fassadenbauer leben gefährlich. Häufig passieren Absturzunfälle. «Auf einer Baustelle kommt hinzu, dass sich der Arbeitsplatz quasi stündlich verändert. Um 7 Uhr früh sieht er anders aus als um 10 Uhr», sagt Adrian Vonlanthen von der Schweizerischen Unfallversicherung (Suva). Die Sicherheitsmassnahmen müssen also laufend angepasst werden, was nicht immer geschieht. Und die Arbeiter müssen sich dauernd auf neue Gefahrensituationen einstellen, was nicht einfach ist.
Auch im Hoch- und Tiefbau gibt es vergleichsweise viele Unfälle. Insgesamt ereignen sich auf Schweizer Baustellen im Schnitt über 50’000 Missgeschicke pro Jahr, die in über 200 Fällen Invalidität zur Folge haben und zwei Dutzend Todesopfer fordern.
Auf dem Bau gibt es mehr Unglücke im Sommer, weil dann schlicht mehr gebaut wird. Auch in anderen Branchen hängt die Zahl der Unfälle hauptsächlich davon ab, ob eine Arbeit saisonal unterschiedlich häufig ausgeübt wird. Witterungsbedingungen können ebenfalls eine grosse Rolle spielen. So ist zum Beispiel das Transportgewerbe wegen Schnee und Eis vor allem im Winter gefährlich. «Unsere Auswertungen haben zudem gezeigt, dass am Montagmorgen mehr Unfälle passieren», sagt Vonlanthen. Eine mögliche Erklärung ist, dass viele Menschen am Wochenende den Tag-Nacht-Rhythmus verändern und am Montag für ihre Verhältnisse zu früh aufstehen, was die Konzentration und Leistungsfähigkeit beeinträchtigt.
In handwerklichen Berufen kann das fatal sein. Ein vergleichsweise hohes Unfallrisiko und damit einen Risikoberuf haben unter anderem auch Schreiner, Landwirtinnen und Gärtner sowie Personen, die mit Steinen, Metall und Abfällen zu tun haben. Überhaupt nicht gefährlich sind dagegen Bürojobs etwa in der Verwaltung, im Finanzsektor oder bei der IT.
Passieren kann natürlich überall etwas, aber es gibt Anstellungen, bei denen man sich deutlich weniger Sorgen machen muss. 19 Branchen verzeichneten zwischen 2010 und 2019 keinen einzigen tödlichen Unfall, zum Beispiel die Wasserversorgung, das Verlagswesen oder Museen. Ganz anders sieht es in der Forstwirtschaft und im Bergbau aus, wo es immer wieder Tote gibt.
Die Branchen, die mit der Baustelle in Verbindung gebracht werden, liegen auch hier auf den vordersten Plätzen. Der Hochbau verzeichnet jedes Jahr durchschnittlich 9 Todesfälle, umgerechnet fast 11 pro 100’000 Vollzeitangestellte. Lastwagenfahrer sind im sogenannten Landverkehr zwar seltener in Unfälle verwickelt als Bauarbeiter, dafür fast gleich häufig in tödliche. Dasselbe gilt für Pilotinnen und andere Personen, die im Luftfahrtsektor arbeiten.
Positiv ist, dass die Zahl der Berufsunfälle pro Kopf im untersuchten Zeitraum schweizweit um 9 Prozent abgenommen hat. Auch das Risiko von Todesfällen sinkt – allerdings nicht dem Masse, wie es sich die Suva wünscht. 2010 lancierte sie ein Präventionsprogramm, mit dem die Anzahl tödlicher Arbeitsunfälle bis 2020 halbiert werden sollte. Dieses Ziel wurde nicht erreicht.
«Viele Faktoren entscheiden über den Erfolg von Prävention. Es reicht allein nicht aus, die lebenswichtigen Regeln zu kennen, welche die Suva zusammen mit den Berufsverbänden für verschiedene Branchen erarbeitet hat. Es braucht auch Personen, die Stopp sagen, wenn bei der Arbeit Gefahr droht», sagt Vonlanthen. Darüber hinaus müssten Sicherheit und der Gesundheitsschutz integraler Bestandteil sein der täglichen Arbeit in den Betrieben.
Für 2020 sind noch keine Zahlen pro Branche verfügbar. Aber schon jetzt ist klar, dass es im vergangenen Jahr weniger Unfälle gab. Wegen der Corona-Pandemie und besonders während des Lockdown im März wurde in manchen Branchen reduziert gearbeitet, was zu einem starken Rückgang der Berufsunfälle um 9,8 Prozent geführt hat. Schon in diesem Jahr dürften die Zahlen aber wieder im gewohnten Bereich liegen. Das heisst: Jede Stunde verunfallen während der Arbeitszeit etwa 100 Personen. Jeden dritten Tag kommt ein Mensch bei einem Arbeitsunfall ums Leben.
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