Ronaldo und Lewandowski wollen wegDas scheinheilige Spiel von Superstars wie Ronaldo
Cristiano Ronaldo pfeift auf seinen Vertrag bei Manchester United und die Gefühle der Fans. Er ist längst nicht der einzige Star, der diesen Sommer seinen Abgang forcieren will.
Was waren das von Pathos triefende Worte! Cristiano Ronaldo sagte: «Jeder, der mich kennt, weiss von meiner unendlichen Liebe für Manchester United.» Das war am 31. August 2021. Der Portugiese hatte soeben seinen Willen durchgesetzt und war von Juventus Turin zu den Red Devils gewechselt, jenem Club, bei dem er von 2003 bis 2009 zum Weltfussballer gereift war. Ronaldo sagte auch noch: «Ich bin wieder da, wo ich hingehöre.»
Keine zwei Wochen später führte Ronaldo bei seiner Premiere die United mit zwei Toren zum Sieg gegen Newcastle. Ein Beben ging durch die Fussballwelt. Eine Schlagzeile kitschiger als die andere. Ronaldos Rückkehr hatte die Züge eines Märchens. Wie haben sich die Zeiten geändert!
Manchester United nimmt Ronaldos Fehlen einfach hin
Ronaldo erzielte 2021/22 zwar insgesamt 24 Treffer, am meisten aller United-Spieler, dennoch belegte der Club in der Premier League nur Rang 6, holte 16 Punkte weniger als im Vorjahr und scheiterte in der Champions League schon im Achtelfinal an Atlético Madrid.
Der 37-Jährige will die Engländer jetzt unbedingt verlassen, das teilte er dem Club Anfang Juli mit. Ein Jahr ohne Champions League, diesen Wettbewerb, den er fünfmal gewann, in dem er seit 2003 jede Saison vertreten war und in dem er mit 140 Treffern in 182 Partien mit Abstand bester Torschütze ist – ein Jahr ohne diesen Wettbewerb ist für Ronaldo unvorstellbar. All das Pathos? Vergessen.
Seit dem Trainingsauftakt Anfang vergangener Woche fehlt Ronaldo im Training, die Begründung: «familiäre Probleme». Ohne ihre Kühlerfigur touren die Engländer derzeit durch Asien und Australien, was ihnen einen erheblichen Schaden einbringt. Die Sponsoren haben sich auf Ronaldos Anwesenheit verlassen, in der Regel sind in solchen Verträgen finanzielle Strafen für Vereine vorgesehen, die nicht alle wichtigen Spieler mitnehmen, auch wenn familiäre Gründe als mildernder Umstand gelten.
Vor allem aber kostet Ronaldos Abwesenheit Zeit. Zeit für den von Ajax verpflichteten neuen Trainer Erik ten Hag, der ein Team aufbauen muss, ohne zu wissen, ob ein zentraler Baustein zur Verfügung steht. Und was macht Manchester United? Der Club nimmt Ronaldos Fehlen einfach hin.
Das Beispiel Robert Lewandowski
Die Causa steht für eine Entwicklung, die seit Jahren immer ausgeprägter wird. Die Macht verschiebt sich von den Clubs zu den Stars. Verträge gelten nicht mehr viel. Selbst die grössten Vereine sind den Launen der Spieler ausgeliefert.
Beispiel 2: Weltfussballer Robert Lewandowski will Bayern München nach acht Jahren unbedingt verlassen, trotz Vertrags bis 2023. Sein Ziel: ein Wechsel zum FC Barcelona. Diesen Dienstag muss der bald 34-jährige Pole in München die Saisonvorbereitung aufnehmen, die Frage, ob er tatsächlich erscheint, war seit Tagen das bestimmende Thema rund um den Verein. Die neuste Entwicklung zeigt: Der Stürmer erschien pünktlich zur Arbeit, sein Transferwunsch sei aber unverändert. Auch wenn Bayern-Ehrenpräsident Uli Hoeness kürzlich erklärte, dass sich Barcelona jedes weitere Angebot «sparen» könne – Fortsetzung folgt.
Beispiel 3: Romelu Lukaku wechselte letzten Sommer für 115 Millionen Euro von Inter Mailand zu Chelsea. Er war der teuerste Einkauf in der Historie des Champions-League-Siegers 2021. Auch Lukaku sparte nicht an Pathos, Chelsea sei seit Kindestagen sein Lieblingsverein. Schon bald jedoch war der belgische Stürmer unzufrieden, im Winter brüskierte er Chelsea, weil er sagte, er träume von einer Rückkehr zu Inter, noch so ein Lieblingsclub von ihm. Diesen Sommer erfüllte sich sein Wunsch, die Engländer liehen Lukaku für eine Summe von nur 9 Millionen an die Italiener aus. Und nehmen damit einen kolossalen finanziellen Verlust in Kauf.
Die unerwiderte Liebe der Fans
Im US-Sport wird von einer Ära des Player Empowerments gesprochen, der Ermächtigung der Spieler. Obwohl das dortige Wechselsystem mit Trades, welche die Clubs ohne die Einwilligung der betroffenen Spieler vollziehen können, eigentlich den Stars weniger Spielraum bei der Karriereplanung lässt als jenes im europäischen Fussball, haben diese in den letzten Jahren immer öfter ihren Wunsch den Arbeitgebern aufgezwungen. Solche Wechsel der Upperclass, einst selten, sind gerade in der Basketball-Liga NBA mittlerweile fast schon normal.
Im Zeitalter der sozialen Medien ist der Wert der Sportstars und damit auch ihr Einfluss noch einmal grösser geworden. Sie sind Ich-AGs, die unabhängig von ihren Arbeitgebern florieren. Und mit jeder prominenten Figur, die ihren Willen durchsetzt und ihren Abgang erzwingt, scheint die Bereitschaft, auf Verträge zu pfeifen, grösser zu werden. Enttäuschte Fans? Who cares! «Romantik ist eine Einbahnstrasse», schrieb die «New York Times» kürzlich zum Fall Ronaldo.
Chelsea soll Interesse an Ronaldo bekunden, ob er aber besser ins tuchelsche System passen würde als Lukaku, ist fraglich. Auch Napoli soll sich mit seiner Verpflichtung befassen, jedoch dürften die Italiener kaum über die nötigen finanziellen Mittel verfügen. Der FC Bayern München, der vielleicht bald einen Ersatz für Lewandowski braucht, dementierte das Interesse an Ronaldo schon.
Und so wird Cristiano Ronaldo vielleicht trotz seines Wechselwunschs ausgerechnet mangels Alternativen bei Manchester United bleiben müssen. Irgendeine gefühlsschwangere Erklärung für seinen Verbleib würde sich sicher finden lassen. Neutrainer ten Hag sagt am Montag schon einmal, dass Ronaldo nicht zum Verkauf stehe. «Wir planen mit ihm und wollen gemeinsam erfolgreich sein.»
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