Kommentar zu Russlands MachtspielenDas Rote Kreuz muss dem Kreml eine rote Linie aufzeigen
Das weltweit geachtete Neutralitätszeichen aus der Schweiz wird von russischer Propaganda missbraucht. Dagegen muss sich die Hilfsorganisation wehren.
«Bitte immer neutral bleiben» – das sagt sich leicht. Geht es um einen Aggressionskrieg, ausgelöst von einer Weltmacht, geführt von einem Autokraten wie Wladimir Putin, wird das für eine Organisation wie das Rote Kreuz schnell zu einem Hochseilakt zwischen zwei Abgründen.
Auf der einen Seite muss die weltweit renommierte Hilfsorganisation mit allen Mitteln verhindern, dass der Kreml sie für Propagandazwecke missbraucht. So stiess unsere Redaktion etwa auf einen TV-Beitrag, der zeigt, wie das Russische Rote Kreuz gemeinsam mit einer Truppe in Kampfanzügen in einem Internat in Sibirien vorfährt. Männer in Militäruniform und mit vermummten Gesichtern posieren dort mit den Kindern für Fotos, setzen den Knirpsen Gefechtshelme auf, legen ihnen Militärwesten an. Und dann sieht man, wie ein Paket mit einem Rotkreuzlogo überreicht wird.
Putin plant eigenes Rotes Kreuz
Hier wird das weltweite Zeichen für Neutralität aus der Schweiz von den Russen schlicht missbraucht. Dasselbe passiert, wenn sich der Präsident des russischen Ablegers des Roten Kreuzes mit der Mitgliedschaft in sanktionierten Organisationen schmückt und mit einer mutmasslichen Kriegsverbrecherin in einem Komitee sitzt. Laut internen Dokumenten plant der Kreml sogar, im Kriegsgebiet sein eigenes Rotes Kreuz zu installieren.
Greift die Dachorganisation des Roten Kreuzes aber durch und suspendiert den russischen Ableger, droht ein anderer Abgrund: Die internationale Hilfsorganisation könnte den Zugang zum Kriegsgebiet verlieren. Die Kriegsopfer wären die Leidtragenden.
In einer solchen Situation muss die Organisation in der Schweiz ihrem russischen Ableger eine klare rote Linie aufzeigen: Propaganda und Missbrauch des Rotkreuzzeichens sind ein absolutes No-go. Es muss dem Kreml klar sein, dass eine Suspendierung droht, wenn er sich an den Symbolen der Neutralität vergreift. Tut die Hilfsorganisation das nicht, riskiert sie nur weitere Aktionen aus Moskau – und einen globalen Verlust an Vertrauen.
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