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Das Phänomen Servette
Der Hype ist so gross, dass ihnen die Autogrammkarten ausgehen

25.02.2024; Bern; Fussball Super League - BSC Young Boys - Servette FC;
Timothe Cognat (Genf) Dereck Kutesa (Genf) jubeln nach dem Spiel 
(Urs Lindt/freshfocus)
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So was kannten Fussballprofis in Genf bisher nicht. Schier überrannt wurden sie letzthin bei einer Autogrammstunde, und noch bevor der Anlass zu Ende war, waren die Karten, die sie unterschreiben sollten, vergriffen. Mit einem solchen Ansturm hatte der Club nicht gerechnet.

Das ist die neue Realität von Servette, dem Club aus Genf, der zwar eine grosse Geschichte hat und 17-mal Schweizer Meister wurde, aber seit Jahrzehnten wenig Zuschauer ins Stadion lockt. Seit das Stade de Genève 2003 eröffnet wurde, hatte Servette nur einmal einen Schnitt von über 10’000 Zuschauern, 2010/11 war das, nach dem vorletzten Aufstieg in die Super League.

Die ganz grossen Massen fehlen auch in dieser Saison im Stadion mit seinen 30’000 Plätzen. Aber es wächst langsam etwas heran bei Servette, das zeigt die Episode mit den ausgegangenen Autogrammkarten. Als einziges Team der Liga halten die Genfer Schritt mit YB, auf einen Punkt sind sie an den Meister herangerückt, der zuletzt, vor seinem 5:1 gegen den FC Basel, kriselte und Trainer Raphael Wicky entliess.

Anruf bei Joël Mall, dem Aargauer Goalie von Servette. Hat die Schweiz wieder ein Meisterrennen? «Per Definition und wenn man die Tabelle anschaut: ja, eigentlich schon», sagt der 32-Jährige, «wir beschäftigen uns aber nicht damit.» Von Woche zu Woche, von Spiel zu Spiel, das sei die Devise – «auch wenn das jetzt phrasenmässig klingt».

08.10.2023; Lugano; Fussball Super League  - FC Lugano -  Servette FC ; Torhueter Joel Mall (Genf)

(Marusca Rezzonico/freshfocus)

Seit Sommer ist Mall bei Servette, er ist der einzige Deutschschweizer im Team. Zuletzt bemerkte er im Schweizer Fernsehen, dass Servette ausserhalb der Romandie kaum wahrgenommen werde. Dabei kann in diesem Team in dieser Saison etwas Grosses entstehen, obwohl am Donnerstag der Viertelfinal der Conference League auf bittere Art und Weise verpasst wurde – Servette verlor im Penaltyschiessen gegen Viktoria Pilsen.

Der zypriotische Nationalgoalie und das Lob für den Trainer

Mall ist ein Goalie mit spannender Geschichte. Über GC wagte er 2017 den Sprung nach Deutschland, dann wechselte er nach Zypern. Mall spielte für vier verschiedene Vereine auf der Insel, auch für Rekordmeister Apoel Nikosia. Nach fünf Jahren erhielt er den zypriotischen Pass, seither ist er Nationalgoalie.

Zypern ist im europäischen Fussball eine Randnotiz, liegt auf Rang 125 der Fifa-Weltrangliste. Die Erwartungen aber sind hoch, auch höher, als das Resultat in der EM-Qualifikation war. Acht Spiele, acht Niederlagen, so lautete die Bilanz am Ende in einer Gruppe mit Spanien, Schottland, Norwegen und Georgien.

Nach der Partie vom Sonntag gegen Luzern geht es für Mall wieder nach Zypern, die Länderspiele stehen an. Zypern testet gegen Lettland und Serbien. Auf der Insel fühlte sich Mall immer wohl, er wollte aber zurück in die Schweiz, auch wegen der Familie. Im Sommer 2023 klappte der Transfer. Mall sagt: «Ich wusste, dass es bei Servette das Potenzial gibt, etwas zu bewirken.»

14.03.2024; Plzen; Fussball Europa Conference League - Viktoria Plzen - Servette FC;
Trainer René Weiler (Genf) 
(Pavel Lebeda/freshfocus)

In jenem Sommer endete bei Servette auch die Ära von Alain Geiger. Fünf Jahre war er Trainer, dann wurde er ersetzt. René Weiler setzt seine Arbeit fort. Nicht alles klappte von Beginn an, nach acht Spieltagen lag Servette auf Rang 9, zehn Punkte hinter YB und zwei vor Lausanne-Ouchy, dem Dauerletzten der Liga. Seit Ende Januar ist Servette Zweiter.

Mall sagt: «Ein Team steht und fällt mit einer guten Führung, und der Trainer hat unsere Mannschaft noch einmal auf ein anderes Niveau gebracht.» Viermal hat Servette in dieser Saison verloren, dreimal zwischen Spieltag 5 und 7, seither nur noch einmal. Ende Februar gab es gar ein 1:0 bei Meister YB.

Zuletzt war auch der Sieg gegen Lausanne-Sport ein eindrücklicher Beweis für das Hoch, in dem sich dieses Team befindet. Servette lag früh hinten, schoss aber in den 90 Minuten fast 30-mal in Richtung Lausanner Tor und gewann am Ende dank zwei Toren in der Schlussphase 3:1. «Wir haben eine mentale Kraft aufgebaut», sagt Mall, «sodass wir nicht gleich aus der Bahn gehauen werden und jeweils reagieren können. Darauf sind wir stolz.»

Die wunderbaren Schlüsselspieler sind schon lange da

Finanziert wird dieses Servette seit 2015 von der Rolex-Stiftung, damals war der Verein nahe am Abgrund, wegen Schulden bekam er keine Lizenz für die Challenge League und stieg in die Promotion League ab. 2018 rettete die Stiftung dann auch den Servette HC vor der Insolvenz. Und auch bei den Eishockeyanern kam der Erfolg schnell. 2023 wurde Servette erstmals überhaupt Meister, vor einigen Wochen gewann das Team die Champions Hockey League.

Im Fussball sieht der finanzielle Support so aus: In der Bilanz des Teams stand unter dem Punkt «sonstige betriebliche Aufwände» letztes Jahr ein Betrag in der Höhe von 11,7 Millionen Franken. Nun ist es aber nicht so, dass Geld verschleudert wird oder reiche Besitzer alljährlich einen Umbruch vornehmen. Bei den Lohnkosten lag Servette letztes Jahr gemeinsam mit GC auf dem geteilten Rang 4.

Als einer der wenigen Vereine der Liga kamen die Genfer auf einen Gewinn bei den Transfers, was auch mit dem Verkauf Kastriot Imeris zu tun hatte, der im Sommer 2022 von Servette zu YB wechselte. Imeri ist einer aus der herausragenden Servette-Akademie, deren bekanntester Export Denis Zakaria heisst. Dazu kommen neben Imeri Ulisses Garcia und Becir Omeragic, auch sie sind zu Schweizer Nationalspielern geworden.

Und dann ist da dieses Team, das sich schon lange gut kennt, gespickt mit wunderbaren Fussballern. Die Schlüsselspieler sind schon Jahre da. Sechs von ihnen kommen auf 100 und mehr Spiele für die Grenats: Jérémy Frick (267), Miroslav Stevanovic (247), Timothé Cognat (223), Steve Rouiller (196), Yoan Severin (152) und Alexis Antunes (129). Dereck Kutesa knackt die 100er-Marke bald, am Donnerstag wurde er von Murat Yakin erstmals für das Schweizer Nationalteam aufgeboten.

02.03.2024; Genf; Fussball Super League - Servette FC - FC St.Gallen;
Jubel Timothe Cognat (Genf) nach dem Spiel 
(Claudio De Capitani/freshfocus)

«Wir haben einen Kern an Spielern, der schon lange dabei ist, die Stadt kennt, den Club und all die Leute, das macht es für neue Spieler einfacher, sich zu integrieren», sagt Mall. Auch ihm selbst gelang das gut, mit 32, sagt der Goalie, sei er allerdings auch schon erfahren genug. Ausserdem sei sein Französisch «relativ gut».

Nachdem Servette Lausanne geschlagen hatte am vergangenen Samstag, machte ein Video aus der Kabine die Runde. Es wurde gejubelt und gefeiert, und plötzlich war auch Kevin Mbabu da, noch so einer aus der Genfer Jugend, momentan von Fulham an Bundesligist Augsburg verliehen.

Im Frühling 2023 war Mbabu für vier Monate zurück bei Servette, und jetzt ist es, als wäre er immer noch einer von ihnen. Der Nationalspieler feierte mit dem Team, sprang im Kreis auf und ab – die Episode zeigt die momentane Stimmungslage in Genf ziemlich gut. Und dieser Flow könnte Servette noch ganz weit bringen in dieser Saison.

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