Ticker zur Credit-Suisse-SessionParlament verweigert Segen für CS-Milliarden – Kompromiss scheitert in letzter Minute
Kurz sah es so aus, als würde eine Mehrheit der SP den Krediten doch noch zustimmen. Am Schluss blieb der Nationalrat beim Nein.
Das Wichtigste in Kürze
In Bern haben National- und Ständerat eine ausserordentliche Session abgehalten. Thema waren die Milliardenkredite des Bundes zur Übernahme der Credit Suisse durch die UBS.
Der Ständerat hatte die Verpflichtungskredite im Umfang von 109 Milliarden Franken für die Bundesgarantien gegenüber der Nationalbank und der UBS gutgeheissen. Der Nationalrat lehnte sie jedoch zweimal ab. Damit war das Geschäft erledigt. Das Parlament verweigert die nachträgliche Genehmigung.
Nein stimmten SP, SVP und Grüne. Sie machten ihre Zustimmung von Bedingungen abhängig, die sie am Ende nicht erfüllt sahen. Sie wollten verbindliche Aufträge an den Bundesrat für eine künftige Regulierung einbauen. Der Ständerat kam ihnen ein Stück entgegen und stimmte einem allgemeinen Auftrag zu. Das reichte aber der Mehrheit nicht.
Das Nein ändert nichts, die Kredite sind rechtsverbindlich genehmigt. Allerdings befürchten FDP und Mitte, die Ablehnung im Parlament könnte die Märkte verunsichern.
«Kein Wahlkampfbasar»
Jetzt reden die Fraktionssprecher. Es geht um die Frage, ob im Bundesbeschluss Aufträge an den Bundesrat für eine Regulierung verankert werden – und wenn ja, wie konkret die Aufträge sein sollen. Auf solche Aufträge pochen SP, Grüne und SVP.
Mitte, FDP und Grünliberale lehnen die meisten der konkreten Anträge ab. Das habe nichts mit dem Inhalt zu tun, versichert der Sprecher der GLP. Manche unterstütze die GLP. Ein konkreter Auftrag wäre aber ein «Hüftschuss». Zuerst brauche es eine saubere Analyse.
Der Mitte-Sprecher sagt, der Finanzbeschluss dürfe nicht als «Wahlkampfbasar» missbraucht werden. SP, Grüne und SVP stellen sich auf den Standpunkt, konkrete Aufträge wären keineswegs ein «Hüftschuss». Es handle sich teilweise um Forderungen, die schon lange auf dem Tisch lägen. Nun sei der Zeitpunkt, sie zu beschliessen.
Kein Ja ohne konkrete Massnahmen
Die Sprecherinnen und Sprecher der verschiedenen Kommissionsminderheiten erklären nun ihre Anträge. Auf verschiedene Weise versuchen sie, im Bundesbeschluss verbindliche Aufträge an den Bundesrat für die künftige Regulierung zu verankern. Zwar sei es richtig, dass der Bundesrat gehandelt habe, lautet der Tenor. An den Krediten könne das Parlament ohnehin nichts mehr ändern. Mit Blick auf die Zukunft müsse es aber handeln.
Erste Ermüdungserscheinungen
FDP-Fraktionschef Damien Cottier beantragt dem Rat, dass ein Teil der Postulate – Prüfauträge an den Bundesrat – erst am Mittwoch behandelt wird. Die Mitte stellt sich dagegen. «Wir sind hier, um unsere Arbeit zu machen, auch wenn es für einmal länger dauert», sagt der Mitte-Fraktionschef. Ausserdem könnten die Beratungen so am Mittwoch abgeschlossen werden statt erst am Donnerstag. Der Rat lehnt den Ordnungsantrag mit 100 zu 68 Stimmen bei 8 Enthaltungen ab. Er behandelt also sämtliche Postulate noch am Dienstagabend.
Sind die 9 Milliarden eine Gratis-Versicherung?
SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer möchte wissen, was die UBS für die 9-Milliarden-Garantie zahlt, welche die Finanzministerin als «Versicherung» bezeichnet. Keller-Sutter sagt dazu, das Risiko sei aus Sicht des Bundesrates vertretbar.
Warum keine reine Nationalbanklösung?
Thomas Matter (SVP) fragt, warum nicht eine reine Nationalbank-Lösung gewählt wurde, nach dem Motto «whatever it takes». Das Nationalbankgesetz hätte ebenso mit Notrecht geändert werden können. Auch Balthasar Glättli (Grüne) will das wissen. Keller-Sutter antwortet, nach Auffassung der Nationalbank wäre das gegen die Bundesverfassung gewesen. «Wir mussten uns mit der Nationalbank einigen», sagt Keller-Sutter. «Ich kann es nicht diplomatischer sagen.»
Warum handelte der Bundesrat nicht früher?
Niklaus-Samuel Gugger (Mitte) will wissen, warum nicht früher gehandelt wurde. Dazu sagt Keller-Sutter, mit dem Vertrauensverlust und den Liquiditätsabflüssen sei es sehr rasch gegangen.
Könnte die UBS ins Ausland abwandern?
Keller-Sutter stellt sich nun Fragen. Den Anfang macht SP-Co-Präsident Cédric Wermuth. Er will wissen, ob es eine Garantie gebe, dass die UBS in der Schweiz bleibe oder ob sie mitsamt den Bundesgarantien ins Ausland abwandern könne. Und – falls ja – warum der Bundesrat keine entsprechende Bedingung formuliert habe. Keller-Sutter antwortet, die Sorge sei im Moment, die Angestellten zu halten. «Ganze Teams gehen weg.»
SP-Fraktionschef Roger Nordmann doppelt nach und wiederholt die Frage. «Nein, es gibt keine Garantie», sagt Keller-Sutter diesmal. Mit anderen Worten: Die UBS könnte ins Ausland abwandern. Man müsse aber verstehen, dass die Situation sehr angespannt gewesen sei. Man habe sich mit der UBS einigen müssen.
Nun hat die Finanzministerin das Wort
Finanzministerin Karin Keller-Sutter erklärt – wie bereits im Ständerat – warum der Bundesrat sich dafür entschieden hat, mit Notrecht und Notkrediten die Übernahme der CS durch die UBS zu ermöglichen. Es sei darum gegangen, einen ungeordneten Konkurs zu verhindern, sagt Keller-Sutter. «Man ist sich wahrscheinlich zu wenig bewusst, was es bedeutet hätte, wenn die Credit Suisse Konkurs gegangen wäre.» Der Zahlungsverkehr wäre zusammengebrochen, die Löhne hätten nicht gezahlt werden können.
«In allen Varianten gibt es Kosten und Risiken», sagt Keller-Sutter. Trotz staatlicher Abfederung sei es eine Lösung, «an der sich ein Marktteilnehmer beteiligt hat». Ein Konkurs hätte eine internationale Finanzkrise ausgelöst. Durch die Gewährung der Ausfallgarantie entstehe keine unmittelbare finanzielle Auswirkung, betont Keller-Sutter. Die Garantie habe auch nichts mit der angespannten Situation der Bundesfinanzen zu tun.
Für den Bundesrat sei entscheidend, dass die Stabilität erhalten bleibe, sagt Keller-Sutter. Die Diskussion über die Regulierung müsse auch auf internationaler Ebene geführt werden, denn «Too big to fail» sei kein Schweizer Regelwerk, sondern ein internationales. «Die Experten von damals haben sicher das Beste gewollt. Es ist natürlich, dass die Dinge sich ändern.» Dann müsse man wieder neue Antworten finden. Zum Thema Notrecht sagt die Finanzministerin: «Der Bundesrat hat sich diese Krise nicht gewünscht.»
Die erste Frage, die nun beantwortet werden müsse, laute: «Welchen Finanzplatz wollen wir?» Darüber müsse diskutiert werden. Diese Frage müsse vor konkreten Regulierungsvorschlägen beantwortet werden. «Ich danke Ihnen, wenn sie dem Kredit zustimmen.»
SVP bleibt beim Nein
Pirmin Schwander (SVP) stellt fest, die «Too big to fail»-Regulierung habe nicht versagt. «Sie wurde schlicht nicht angewendet.» Stattdessen sei die liberale Wirtschaftsordnung ausser Kraft gesetzt worden. Auch die SVP bleibt bei ihrem Nein zu den Verpflichtungskrediten.
Grüne wollen keinen «Blanko-Scheck»
Auch die Grünen verlangen Verbindlichkeiten, wie Fraktionssprecher Felix Wettstein erklärt. Die wichtigste Bedingung ist für die Grünen, dass der UBS ein Nachhaltigkeitskurs vorgeschrieben wird. Davon machen sie ihre Zustimmung abhängig. «Wenn das Klima eine Bank wäre, hätte der Bundesrat es schon gerettet», sagt Parteipräsident Balthasar Glättli. «Wir sind nicht bereit, einen Blanko-Scheck auszustellen.»
SP bleibt beim Nein
Die Franktionssprecherinnen und -sprecher erklären nun die Haltung ihrer Fraktionen zu den einzelnen Anträgen. Sarah Wyss sagt im Namen der SP, diese werde die Kredite ablehnen – auch wenn unter Umständen eine ihrer Bedingungen im Rat angenommen werde. Es sei nicht gesagt, dass der Ständerat in der nächsten Runde ebenfalls zustimme. Die SP will also den Druck aufrecht erhalten.
Heute habe das Parlament die Möglichkeit, endlich die Gesetzeslücken zu schliessen, sagt Wyss. Es sei richtig gewesen, die CS zu retten. Dem Bundesrat danke sie dafür. Doch das Parlament müsse nun dafür sorgen, dass so etwas nie mehr vorkomme.
Jetzt wird es etwas kompliziert
Die Finanzkommission des Nationalrates hat nach den Ständeratsbeschlüssen erneut über die Kredite beraten. Dem Rat liegen nun diverse Anträge vor.
Die Kommissionsmehrheit ist damit einverstanden, wie der Ständerat im Beschluss zu verankern, dass weitere Kredite per Dringlichkeitsrecht ausgeschlossen sind. Zudem will sie vom Bundesrat verlangen, dass er dem Parlament eine Anpassung des Bankengesetzes vorlegt, mit der die Risiken durch systemrelevante Grossbanken «drastisch reduziert» werden.
Zudem soll der Bundesrat eine substanzielle, progressive Erhöhung einer harten Eigenkapitalquote und eine gesetzliche Beschränkung der Boni von Verwaltungsrat, Geschäftsleitung und Kontrollorgan von systemrelevanten Banken prüfen.
Kommissionsminderheiten fordern noch konkretere Aufträge. So will eine Kommissionsminderheit eine verbindliche Erklärung des Bundesrates verlangen: Der Bundesrat soll versprechen, dass er dem Parlament einen Regulierungsentwurf vorlegt, mit dem systemrelevante Banken verpflichtet werden, ihre systemrelevanten Bankteile zu veräussern oder stillzulegen.
Eine weitere Minderheit fordert eine Task-Force zum Schutz der Arbeitsplätze, eine andere die Offenlegung aller Verträge, die der Bund im Zusammenhang mit der Übernahme der CS durch die UBS eingegangen ist. Weiter sollen Staatshilfen für private Unternehmen an Nachhaltigkeitsziele geknüpft werden.
Über all diese Anträge wird der Nationalrat entscheiden. Die Fraktionen von SVP, SP und Grünen machen ihre Zustimmung zu den Krediten von 109 Milliarden Franken davon abhängig, dass der Rat bestimmten Anträgen zustimmt.
Der Nationalrat berät nun über die Verpflichtungskredite
Der Nationalrat muss über Kredite im Umfang von 109 Milliarden Franken entscheiden – 100 Milliarden als Garantie für die Nationalbank, 9 Milliarden als Garantie für die UBS. Der Ständerat hat den Krediten zugestimmt. Im Nationalrat ist der Ausgang offen.
Der Ordnungsantrag der SVP scheitert
Der Nationalrat lehnt den Ordnungsantrag der SVP mit 130 zu 50 Stimmen ab.
Nun stellt die SVP einen Ordnungsantrag
Die SVP will den Bundesrat zum einen beauftragen, eine Gesetzesrevision vorzulegen, die sicher stellt, dass keine Bank «too big to fail» ist. Zum anderen soll die Mehrheit der Verwaltungsräte systemrelevanter Banken das Schweizer Bürgerrecht haben und in der Schweiz wohnhaft sein. Laut dem Nationalratspräsidenten verstösst der Ordnungsantrag gegen das Parlamentsgesetz, da der Bundesrat nicht Gelegenheit hatte, zu den Forderungen Stellung zu nehmen.
Der Ordnungsantrag der SP scheitert
Der Nationalrat lehnt den Ordnungsantrag der SP mit 114 zu 64 Stimmen bei 2 Enthaltungen ab.
Die SP stellt nun einen Ordnungsantrag
Die SP fordert, dass vier Vorstösse traktandiert und gutgeheissen werden, welche die SP bereits früher eingereicht hat. Damit würde der Bundesrat mit einer konkreten Regulierung beauftragt. So fordert eine Motion ein Verbot von Boni in systemrelevanten Banken. Eine andere fordert, dass die Finanzmarktaufsicht wirksame Sanktionen ergreifen kann.
Gegen die Vorstösse stellt sich die SVP. Weder ein Boni-Verbot noch Sanktionen der Finma hätten die CS gerettet, sagt Thomas Aeschi.
«Regieren heisst antizipieren»
GLP-Präsident Jürg Grossen spricht von «mehrfachem Versagen». Die Hauptschuld trage das CS-Management. Die CS habe eine geradezu toxische Führungskultur geschaffen. «Es geht nicht an, dass übertriebene Risiken eingegangen werden, während die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler den goldenen Fallschirm spielen müssen», sagt Grossen.
Eine Verantwortung liege aber auch bei der Finanzmarktaufsicht. Diese habe die CS nicht von ihrem verantwortungslosen Kurs abbringen können. Die Finma müsse Bussen für fehlbare Banker anordnen können. Weiter kritisiert Grossen den Bundesrat. «Feuerwehrübungen» nähmen überhand. «Regieren heisst antizipieren.»
Grüne wollen «besondere Rolle» in der PUK
«Die bürgerliche Bankenpolitik hat versagt», sagt Franziska Ryser (Grüne). Die Folgen müssten die Steuerzahlerinnen tragen. Ihnen sei das Parlament es schuldig, nun einen Kurswechsel zu vollziehen. Die Grünen hätten schon 2008 gewarnt und ein Trennbankensystem gefordert.
Nun brauche es eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK). Dabei komme den Grünen eine besondere Rolle zu, da sie nicht im Bundesrat vertreten seien. Finanzministerin Karin Keller-Sutter habe den Finanzplatz in eine schlechte Lage gebracht, sagt Ryser weiter. Es sei wie im Casino. «Am Ende gewinnt immer die Bank.»
«Es braucht Nägel mit Köpfen»
Gerhard Andrey (Grüne) spricht von einem «Affront». Kein anderes Land sei so abhängig von einer einzigen Bank wie die Schweiz. Es sei unverständlich, dass keine Bedingungen festgelegt worden seien. Der SVP wirft Andrey vor, sich stets gegen eine strenge Regulierung gewehrt zu haben.
Nun sei der Schaden angerichtet und es gelte, die richtigen Lehren zu ziehen. die Grünen seien bereit, an einer konstruktiven Aufarbeitung mitzuarbeiten. Dabei dürfe es aber nicht bleiben, sagt Andrey. «Es braucht Nägeln mit Köpfen.»
SDA/Charlotte Walser/ldc
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