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Meinung

Das Leiden der Sportromantiker

Enttäuschung für die Athleten: Das Stadion für 47'000 Zuschauer blieb mehrheitlich leer. Foto: Getty Images
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Vor einem Sportgrossanlass ist immer: mediale Kritik. Sie betrifft explodierende Infrastrukturkosten, geknechtete Arbeiter, korrupte Funktionäre und Politiker. Zu den Evergreens zählt auch: das mangelnde Interesse, gemessen an verkauften Tickets. Sobald das Sportfest läuft, sind alle diese Kritikpunkte rasch vergessen. Auch vor der Leichtathletik-WM in Doha, die am Sonntag endet, wurde primär negativ berichtet. Die Tonalität hielt diesmal an, weil das Stadion, das 47'000 Zuschauer fasst, grossmehrheitlich leer blieb.

Das ist für die Athleten eine immense Enttäuschung. Schliesslich sind sie keine Roboter. Gerade in einer Tollhausatmosphäre vermögen sie oft noch Kräfte freizumachen, die sie für unmöglich hielten. Das stete Lamentieren über die fehlende Stimmung aber offenbart vor allem auch, wie sich die Romantiker des Sports die wichtigste Nebensache der Welt vorstellen: mit ganz viel Stimmungim Stadion.

Die Herrscherfamilie von Katar denkt in grösserem Bogen. Für sie ist Sport – wie im Kalten Krieg – Mittel zum Zweck. Waren DDR-Athleten Diplomaten im Sportanzug, ist es für Katar nun das Organisieren von Grossanlässen. Es ist Teil der «National Vision 2030» von Katar. Das Leitbild soll helfen, das Land weniger abhängig von Öl und Erdgas zu machen.

«Internationale Sportverbände helfen besonders gerne mit, wenn ihnen Geld zugehalten wird.»

Der Sport ist dabei eine von mehreren Stützen. Die Vision führte dazu, dass Katar bereits Welttitelkämpfe der Handballer, Radfahrer oder Kunstturner organisierte. Nun sind die Leichtathleten dran, 2022 wird der Höhepunkt mit den Fussballern folgen, ehe die Schwimmer im Folgejahr den Reigen vorerst abrunden.

Dass sich an dieser Leichtathletik-WM von Doha also bloss wenige Fans im Stadion einfanden, ist angesichts des Überbaus verschmerzbar. Denn wesentliche Aspekte dieser nationalen Vision werden wohl problemlos ohne viele Zuschauer erreicht. Es sind: dank internationalem Sport das eigene Profil schärfen, den nationalen Zusammenhang stärken und Handel wie Diplomatie verbessern.

«Dank einem Millionendeal mit der katarischen Nationalbank zahlte sich die Vergabe für den Leichtathletik-Weltverband aus.»

Internationale Sportverbände helfen besonders gerne mit, wenn ihnen Geld zugehalten wird. Dann winken ihre Funktionäre fast jedes Projekt durch, selbst wenn die Leichtathleten wie in Doha in einem gekühlten Stadion auflaufen müssen, da es ansonsten zu heiss wäre – und darum Marathonläufer sowie Geher an der freien Luft fast schon im Dutzend bei den feucht-heissen Bedingungen kollabierten. Aber dank einem Millionendeal mit der katarischen Nationalbank zahlte sich die Vergabe für den Leichtathletik-Weltverband aus.

Die kollabierenden Athleten nahm er da locker hin und auch die Kritik, den Anlass in ein Land vergeben zu haben, das nur schon aus klimatischer Sicht fürs leistungsmässige Sporttreiben ungeeignet sei.

Im Vergleich mit China, das den internationalen Sport ebenfalls sehr strategisch nutzt oder, besser, für sich einnimmt, wirken die Katarer gar sympathisch. An den Sommerspielen von 2008 in Peking war das Olympiastadion täglich voll – obwohl 80'000 Plätze riesig. Wie sich zeigte, stellte China seine einheimischen Claqueure, sammelte sie mit Bussen ein und brachte sie bis vors Stadion. Das Land organisierte also selbst noch die Stimmung herbei und erteilte den Geladenen Unterricht, wie Jubeln geht. Dieses Potemkinsche Sportdorf zog Katar nicht hoch.