Olympionikin Kim Métraux«Das Leben als Golfprofi kann hart und einsam sein»
In Tokio wurde Kim Métraux auf einen Schlag bekannt, jetzt steht sie am Zugersee beim neuen grossen Frauenturnier im Mittelpunkt. Die Aufsteigerin aus Lausanne im Interview.

Ein einziger Schlag reichte, um ihren Bekanntheitsgrad massgeblich zu steigern: Im Kasumigashi Club von Tokio gelang Kim Métraux an den Olympischen Spielen kürzlich ein Traumschlag, als sie aus 155 Metern zum Eagle einlochte. «Es war unglaublich, wie viele Reaktionen und Nachrichten ich aus der ganzen Welt erhielt», sagt die 26-jährige Lausannerin im Golfpark Holzhäusern. Am Zugersee findet von Donnerstag bis Samstag ein mit 200’000 Euro dotiertes Turnier der LET-Europatour statt, und als Dritte des Vorjahres gehört die Linkshänderin zu den Favoritinnen. Der Start am Donnerstag gelang gut: Mit 66 Schlägen blieb sie sechs unter dem Par von 72.
Was ist der grosse Unterschied zwischen Ihnen und Ihrer zwei Jahre jüngeren Schwester Morgane?
Der Charakter. Von aussen denken die Leute, wir seien sehr ähnlich. Aber wer uns nahesteht, merkt, dass wir sehr unterschiedlich sind.
Inwiefern?
Sie ist eine sehr harte Arbeiterin und auch etwas sturer als ich. Und manchmal wirkt sie nicht so zugänglich für die anderen. Aber das ist nur, weil sie so fokussiert ist auf das, was sie macht. Ich bin da etwas offener. Dafür stresse ich mich mit viel mehr Dingen als sie. Wir sind schon beide ziemliche Perfektionistinnen.
Wie kamen Sie zum Golf?
Mein Vater hatte ein paar Mal gespielt und wollte, dass wir als Familie in den Ferien zusammen spielen. So begannen wir alle gleichzeitig. Morgane und ich wechselten dann rasch ins Juniorinnenprogramm von Lavaux. Dort blieben wir drei Jahre, ehe wir nach Lausanne wechselten.
Wie verliefen die Fortschritte von Ihnen und Morgane?
Wir waren immer etwa auf der gleichen Leistungsstufe. Bis zu diesem Jahr hatten wir auch die gleichen Coaches. Klar, manchmal hatte eine die besseren Resultate, aber es wechselte sich ab.

Sie begannen erst mit zwölf, Golf zu spielen. Ging es rasch vorwärts?
Zu Beginn hatten wir Glück. Als wir zum Juniorinnenprogramm von Lavaux stiessen, hätten wir in der Anfängergruppe mitmachen sollen. Aber weil wir am Mittwoch immer Klavierunterricht hatten, mussten wir einen anderen Tag wählen, und der Lehrer nahm uns in eine fortgeschrittene Gruppe auf. Das war eine gute Hilfe und motivierte uns, rasch gut zu werden.
Sie machten beide in den USA den Bachelor. Was war Ihr bestes Handicap, bevor Sie Profi wurden?
Ich kam bis auf plus 4.4, Morgane auf plus 4.8. Also praktisch gleich.
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Wie ist Ihr Verhältnis? Sind Sie Freundinnen, Rivalinnen …
(unterbricht) Vor allem Freundinnen. Wir sind zwar beide sehr wettkampforientiert und mögen es, die andere zu schlagen. Aber auf eine gesunde Art. Wir machen kleine Wettbewerbe, wenn wir trainieren. Aber wenn Morgane beispielsweise bessere Resultate hat als ich, bin ich superhappy für sie und nicht sauer, dass ich schlechter war. Wir haben uns immer gegenseitig unterstützt – aber auch herausgefordert.
Hatten Sie oft Streit?
Es gab schon kleinere Streitigkeiten, wie bei allen Geschwistern. Aber sie dauerten nie sehr lange.
Spielt Ihre Familie noch oft gemeinsam?
Anfänglich machten wir noch gemeinsame Golfferien. Jetzt folgen die Eltern uns nur noch um die Welt, wenn es für sie möglich ist. Golfferien haben wir schon lange nicht mehr gemacht.
Wer ist besser: Sie oder Morgane?
Das werden wir immer gefragt. Wir entwickeln uns beide ähnlich und sind ziemlich gleich gut. Klar, vielleicht spielt sie eine Woche oder einen Monat besser, aber es gleicht sich immer wieder aus.
Ihre Schwester war zuerst für Tokio qualifiziert, verzichtete aber. Tat sie das, damit Sie ins Turnier rutschten?
Nur indirekt. Sie hatte die Saison auf der Symetra-Tour (zweite Turnierstufe in den USA) sehr gut begonnen, gewann ein Turnier und war in der Weltrangliste besser platziert. Die Tour in Europa, auf der ich spiele, startete später, deshalb qualifizierte sie sich vor mir für die Spiele. Sie hoffte, dass ich sie ersetzen würde, als sie dann freiwillig verzichtete, um sich auf die Symetra-Tour zu fokussieren. Für sie rutschte dann aber leider eine Norwegerin nach. Ich kam erst rein, weil anschliessend noch jemand absagte.
Also war es kein Geschenk Ihrer Schwester, dass Sie nach Tokio durften?
Letztendlich schon. Denn wenn sie gespielt hätte, wäre ich nie dabei gewesen.
Wo setzen Sie nun Ihre Prioritäten für den Rest der Saison?
Auf der Ladies Europatour (LET). Weil ich mich für das US Open und für Tokio qualifizierte, habe ich auf dieser einige Anlässe verpasst. Nun hoffe ich, noch gute Resultate zu erzielen. Zudem werde ich die Qualifikation für die LPGA-Tour 2022 bestreiten. Was nächstes Jahr sein wird, ist noch offen.
Die erste Hürde für die US-Tour haben Sie schon genommen, als Sie gleich nach Tokio in Kalifornien die erste Stufe überstanden. Wie weit ist der Weg noch an die LPGA-Tour?
Die zweite Qualifikationsrunde findet im Oktober in Florida statt, dann sind noch etwa 215 Spielerinnen dabei. Von ihnen qualifizieren sich etwa 25 bis 50 für das entscheidende Qualifikationsturnier, das zwei Wochen dauert. Von den rund 110 Spielerinnen dort dürfen die besten 40 kommende Saison auf der LPGA-Tour spielen.
Diesen Weg hat Albane Valenzuela erfolgreich hinter sich gebracht. Wäre es Ihnen egal, 2022 nochmals eine Saison auf der LET zu spielen?
Ja, es ist eine gute Tour, sie steht besser da als in den vergangenen Jahren.
Ist es hart für Sie, erstmals für längere Zeit von Ihrer Schwester getrennt zu sein?
Ja. Ich habe es letztes Jahr wirklich sehr genossen, fast immer mit ihr zu reisen, alles gemeinsam zu machen. Aber wir haben unterschiedliche Pläne, um unsere Ziele zu erreichen. Sie entschloss sich für die amerikanische Symetra-Tour, ich für Europa. Aber wir absolvierten im Winter in Florida die ganze Vorbereitung zusammen.
Ist der Kontakt eng geblieben?
Ja, über Whatsapp, Facetime …
«Ich denke, bei den Frauen gibt es weniger Konkurrenz als bei den Männern. Für sie ist es härter, ganz nach oben zu kommen.»
Warum sind die Schweizerinnen im Golf besser als die Männer?
(lacht) Diese Frage wurde mir auch schon gestellt, und sie ist schwierig zu beantworten. Ich denke, bei den Frauen gibt es weniger Konkurrenz als bei den Männern. Wir haben nur zwei Tourstufen, die Männer drei. Für sie ist es härter, ganz nach oben zu kommen. Das ist wohl einer der Gründe. Unsere Ziele haben Morgane und mich immer sehr motiviert, wir opfern viel für unsere Karrieren.
Was zum Beispiel?
Es ist schon ein hartes Leben. Von aussen mag es zwar nicht so aussehen – aber du bist immer am Reisen. Gerade jetzt, mit Covid-19, ist man sehr oft allein, weil man nicht mit anderen Leuten ins Restaurant gehen kann, in einer Blase leben muss. Ich habe schon ewig keine Ferien mehr gehabt. Es ist nicht leicht, immer unterwegs zu sein.
Mögen Sie das Reisen nicht?
Eigentlich schon. Aber wenn man wöchentlich so viel reist, bin ich jedes Mal froh, wenn ich nach Hause kann.
Ist es auch ein einsames Leben?
Ja. Wenn man gut spielt, ist es okay, aber wenn es dir nicht läuft, ist es schon hart und manchmal auch einsam. Dabei habe ich das Glück, dass meine Eltern manchmal dabei sein können. Aber mit all den Covid-19-Vorschriften wurde es härter, da kannst du eigentlich keine Besucher mehr mitnehmen.
Wie hat Covid Ihren Alltag und Ihre Karriere beeinflusst?
Als die Plätze im vergangenen Jahr geschlossen wurden, waren die Konsequenzen schon gross. Mit all den Regeln, Tests und Einschränkungen ist es immer noch hart und die Reisen sind viel schwieriger zu organisieren, da viele Länder unterschiedliche Regeln haben. Man muss sich immer genau informieren.
Wer hilft Ihnen? Haben Sie einen Manager?
Mein Vater hilft mir hier sehr. Inzwischen habe ich auch die erste Impfung erhalten, die zweite folgt in zwei Wochen. Aber in Europa hilft das nicht einmal viel, mit den Turnierblasen. In den USA gibt es diese aber praktisch nicht mehr.
Sie sprachen von den Opfern, die Sie für Ihre Karriere bringen müssen. Was fehlt Ihnen am meisten?
Zuallererst, dass ich viel zu wenig Zeit mit den Leuten verbringen kann, die ich mag und mit denen ich gern zusammen bin. Zum Beispiel in Lausanne. Ich lebe inzwischen bei meinem Freund, aber er kann leider nicht oft an Turniere kommen. Aber auch wenn mein Leben nicht jeden Tag leicht ist, geniesse ich es sehr und werde noch lange weiterspielen.
Was sind Ihre grössten Ziele?
Auf der LPGA-Tour zu spielen. Ich habe eben den Solheim-Cup verfolgt (das Pendant zum Ryder-Cup), den die Europäerinnen knapp gegen die USA gewonnen haben. Sich für dieses Team zu qualifizieren, wäre sehr speziell. Und nochmals Olympische Spiele bestreiten zu können und die Schweiz zu repräsentieren, wäre auch fantastisch. Und dann möchte ich natürlich Turniere gewinnen, am liebsten ein Major.
Die Frauen haben fünf Major-Turniere. Welches ist das prestigeträchtigste?
Alle sind wichtig, wobei viele das US Open als das wichtigste betrachten.
Die Preisgelder an kleineren Turnieren sind überschaubar. Offiziell haben Sie bisher erst 60’000 Euro eingenommen. Wie können Sie überleben?
Nur dank der Sponsoren und der Unterstützung von Organisationen wie Swiss Golf, der ASGI oder der Sporthilfe. Letztes Jahr war das erste, in dem ich finanziell beinahe eben rauskam.
Muss man aus einer gut betuchten Familie kommen, um Golfprofi zu werden?
Ich hatte das Glück, dass mir auch meine Eltern helfen konnten (ihr Vater handelt mit Ersatzteilen für Autos). Wenn man beginnt, Turniere zu gewinnen, wird das eine ganz andere Story.
Was betrachten Sie persönlich als Ihre grössten Erfolge?
Vom Resultat her den 3. Rang hier (am LET-Turnier in Holzhäusern) letztes Jahr. Und dann die Qualifikationen für das US Open und die Olympischen Spiele. Das zu erreichen, war grossartig.
Wie denken Sie mit etwas Abstand an die Olympischen Spiele in Tokio und Ihren Traumschlag aus 155 Metern zurück?
Ich habe immer noch Sterne in den Augen, wenn ich daran denke. Ich hoffe, ich bin auch 2024 in Paris Teil des Teams und kann ein besseres Resultat erzielen (sie belegte Rang 54 in Tokio). Das wäre grossartig. Die ganze Erfahrung war unglaublich.
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Denken Sie, die Golferinnen in der Schweiz erhalten genug Anerkennung und Aufmerksamkeit für ihre Erfolge?
Es wird besser. In der Golfwelt gibt es genug Anerkennung, aber ausserhalb ist es schwierig für die Leute, zu verstehen, was passiert. In den Medien wird ja nicht viel darüber geschrieben.
Wie wichtig ist diese Woche in Holzhäusern für Sie? Nach dem 3. Rang 2020 sind die Erwartungen hoch.
Ich versuche, den Druck von aussen nicht an mich heranzulassen – höchstens den eigenen. Man kann nicht kontrollieren, was passiert. Sondern nur versuchen, sich gut vorzubereiten und sich auf das zu fokussieren, was während dieser Woche geschieht. Natürlich habe ich gute Erinnerungen, gute Gefühle. Es tönt wie ein Klischee – aber man muss einfach versuchen, in der Gegenwart zu leben.
Was machen Sie, wenn Sie nicht Golf oder Piano spielen?
Piano spiele ich nicht mehr so oft, wie ich gern würde, mit all den Reisen ist dies schwierig. Aber ich bin jemand, der immer etwas machen muss, ich kann nicht lange ruhig auf einem Sofa sitzen. Ich betreibe andere Sportarten, erkunde Neues.
Schauen Sie nicht oft Netflix?
Nein, nicht wirklich … (lacht) Höchstens am Abend für eine Stunde.
Sie spielen links, Ihre Schwester rechts. Sind Sie eine eindeutige Linkshänderin?
Ja, eindeutig, das war nie eine Frage. Dabei wäre es einfacher im Golf, Rechtshänderin zu sein. Viele Marken haben auch eine viel kleinere Auswahl beim Material für Linksspielende.
Noch ein Unterschied zu Ihrer Schwester: Im Gegensatz zu Morgane, die lange Rückenprobleme hatte, hatten Sie selber bisher kaum grössere Blessuren.
(Steht auf, sucht und findet eine Holzwand und klopft darauf) Ich hatte Glück, hatte nie Probleme. Und das kann so bleiben.
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