Bitte um Evakuierung aus Mariupol«Das könnte der letzte Appell unseres Lebens sein»
Es ist ein dramatischer Hilferuf, den Serhi Wolyna, ukrainischer Kommandeur in Mariupol, an die Welt richtet. Er ist mit seinen Truppen umzingelt und will raus. «Der Feind ist uns 10 zu 1 überlegen.»
«Wir appellieren an alle führenden Politiker der Welt, uns zu helfen», sagt Serhi Wolyna, Kommandeur der ukrainischen 36. Marineinfanteriebrigade, in einer am frühen Mittwochmorgen auf Facebook veröffentlichten einminütigen Videobotschaft. Er bittet für die verbliebenen Marineinfanteristen in der schwer umkämpften Hafenstadt Mariupol um eine Evakuierung in einen Drittstaat. «Der Feind ist uns 10 zu 1 überlegen.»
Russland habe Vorteile in der Luft, bei der Artillerie, den Bodentruppen, bei Ausrüstung und Panzern, sagt Wolyna weiter. Die ukrainische Seite verteidige nur ein Objekt, das Stahlwerk Asowstal, wo sich ausser Militärs noch Zivilisten befänden.
Wolyna bittet, das «Verfahren der Extraktion» anzuwenden und alle – das Militär der Mariupol-Garnison, mehr als 500 verwundete Kämpfer und Hunderte Zivilisten – auf dem Territorium eines Drittlandes in Sicherheit zu bringen. «Das ist unser Appell an die Welt», sagt Wolyna. «Das könnte der letzte Appell unseres Lebens sein.»
Zum TV-Sender CNN sagte Wolyna, eine Evakuierung könne etwa per Schiff oder per Helikopter erfolgen. Auch eine internationale humanitäre Mission sei eine Möglichkeit. Zur Frage, wie viele ukrainische Militärs sich auf dem Gelände des Stahlwerks aufhielten, machte er keine Angaben.
Klar ist am Mittwochmorgen: Kiew und Moskau haben nach ukrainischen Angaben für Zivilisten in der umkämpften Hafenstadt einen Fluchtkorridor ausgehandelt. «Uns ist es vorläufig gelungen, einen humanitären Korridor für Frauen, Kinder und ältere Menschen zu vereinbaren», teilte die ukrainische Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk im Nachrichtenkanal Telegram mit. Ab 14.00 Uhr Ortszeit (13.00 MESZ) könnten diese hinausgelangen. Danach solle eine Fahrzeugkolonne über Berdjansk ins rund 200 Kilometer entfernte Saporischschja fahren.
Tags zuvor hatte die russische Armeeführung erneut eine Waffenruhe und den freien Abzug von Zivilisten in Aussicht gestellt, die sich in dem von ukrainischen Kämpfern gehaltenen Stahlwerk Asowstal aufhalten. Zudem wurden die dort verbliebenen ukrainischen Soldaten aufgefordert, sich zu ergeben.
Russland führt seit knapp acht Wochen einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Die Vereinten Nationen haben über 2100 getötete Zivilisten erfasst, gehen aber von weitaus höheren zivilen Opferzahlen aus.
Die südostukrainische Hafenstadt Mariupol wurde am 1. März kurz nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs komplett von russischen Truppen eingeschlossen. Die Stadt und auch der Hafen gelten zu grossen Teilen als zerstört. Zuletzt hielten sich russischen Angaben zufolge rund 2500 ukrainische Kämpfer und 400 ausländische Söldner in dem Stahlwerk verschanzt. Ukrainischen Mitteilungen zufolge sollen rund 1000 Zivilisten dort Schutz gesucht haben. Russland hat die ukrainischen Truppen dort bereits mehrmals dazu aufgerufen, sich zu ergeben.
AFP/SDA/cpm
Fehler gefunden?Jetzt melden.