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11 Tipps zur Schmerztherapie
Das können Sie gegen chronische Schmerzen tun

Kaum auszuhalten: Chronische Schmerzen können für Betroffene zu einer grossen Belastung werden.
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Fachleute empfehlen Betroffenen, ihre Schmerzkrankheit von verschiedenen Seiten anzugehen. Einer der wichtigsten Punkte: Gegensteuer geben. Diese Tipps können dabei helfen:

Sich von unrealistischen Vorstellungen verabschieden

Wer schon lange an Schmerzen leidet, wird sich kaum ganz davon befreien können. Schmerzfreiheit ist umso unrealistischer, wenn die Betroffenen älter sind und bereits mehrere Erkrankungen sowie «Abnützungserscheinungen» haben, etwa an den grossen Gelenken.

Erreichbare Ziele setzen

Kleinere Ziele lassen sich durchaus erreichen, und da kommt es auch darauf an, was dem Patienten am wichtigsten ist: Schmerzreduktion um ein Drittel, besserer Schlaf, die Arbeitsfähigkeit erhalten, trotz Schmerzen nicht vereinsamen, keine Schmerzen im Ruhezustand haben, allmählich mehr Alltagsaktivitäten nachgehen können, starke Attacken unterdrücken …

Den Schmerz beschreiben

«Der Patient sollte den Schmerz beherrschen – und nicht der Schmerz den Patienten»: Petra Hoederath, Schmerzspezialistin an der Klinik Stephanshorn in St. Gallen

«Einer der häufigsten Fehler ist, dass die Art des Schmerzes nicht richtig behandelt wird», sagt Petra Hoederath, Neurochirurgin und Schmerzspezialistin an der Hirslanden-Klinik Stephanshorn in St. Gallen. Sind die Schmerzen zum Beispiel einschiessend, stechend, bohrend, dumpf – oder welche andere Beschreibung trifft am besten zu? Sind sie stets da, oder schwankt ihre Intensität? Wann und wodurch werden die Schmerzen ausgelöst, gelindert oder verschlimmert? An wie vielen Tagen pro Woche oder wie oft täglich treten sie auf? Welche Körperstellen schmerzen am stärksten, wohin strahlt der Schmerz aus? Wie stark ist der Schmerz im Minimum und maximal? Wie stark beeinträchtigen die Schmerzen: allgemein, wenn sie am stärksten sind, wenn sie am schwächsten sind und im Moment? Was lösen die Schmerzen beim Betroffenen aus? Welche Auswirkungen fürchtet er? Woher rühren die Schmerzen?

Für eine erfolgreiche Behandlung ist es beispielsweise sinnvoll, die Intensität des Schmerzes zu protokollieren.

Die Antworten auf diese Fragen sind wichtig, weil sich daraus die Behandlung ableitet und weil sie einen Hinweis auf die Ursache liefern können, die sich vielleicht beheben lässt. «Es kommt immer wieder vor, dass man einen Grund für die Schmerzen findet, der zuvor jahrelang übersehen wurde», sagt Hoederath.

Risikofaktoren reduzieren

Zu hoher Blutzucker, Übergewicht, Stress, schlechter Schlaf, unterdrückter Ärger, eine belastende Lebenssituation, Ängstlichkeit oder zum Beispiel eine depressive Grundstimmung können den Schmerzen Vorschub leisten. Wer das Übel an der Wurzel packen möchte, kommt nicht umhin, auch diese Begleitumstände anzugehen.

Selbstwirksamkeit stärken

Die meisten Menschen fühlen sich der Situation ausgeliefert. «Der Patient sollte aber den Schmerz beherrschen – und nicht der Schmerz den Patienten», sagt Hoederath. Wer zum Beispiel weiss, wann seine Schmerzen immer am schlimmsten sind, der kann 20 bis 45 Minuten vorher Gegenmassnahmen ergreifen. Gute Information über die Erkrankung ist der erste Schritt auf dem Weg zur «Selbstwirksamkeit». Andere Möglichkeiten sind zum Beispiel Meditation, Selbsthilfegruppen, Schmerzbewältigungstraining, Einreiben mit einem Schmerzöl, Entspannungsübungen …

Die Erwartungshaltung beachten

Derselbe Reiz tut je nach Situation stärker oder schwächer weh, denn das Empfinden wird auch von der Erwartung beeinflusst. Deshalb kann Ablenkung manchmal helfen. Wer ängstlich-besorgt bei jeder Bewegung mit Schmerzen rechnet, wird sie mit grösserer Wahrscheinlichkeit auch heftiger spüren. Dann «feuern» bestimmte Nervenzellen im Gehirn, die für das Bewerten von Schmerzen zuständig sind.

Häufige Fehler vermeiden

«Bei neuropathischen Schmerzen, die von geschädigten Nerven herrühren, nützen die üblichen Schmerzmittel wie Ibuprofen, Paracetamol oder Metamizol nichts. Sie wirken dann höchstens wie ein Placebo», sagt die Spezialistin. Auch das Herz-Kreislauf-Risiko, das manche gängigen Schmerzmittel wie etwa Ibuprofen bergen, wird ihrer Erfahrung nach oft zu wenig beachtet. «Wer schon Risikofaktoren für einen Herzinfarkt hat, sollte damit vorsichtig sein.»

Die lokale Behandlung nicht vergessen

Auflagen mit Bienenwachs, Wickel, Schmerzöle mit Moortorf, Kampfer, Lavendel oder Rosskastanie, ein «Bad» in warmen Linsen oder Erbsen für die Hände, Schmerz-, Lidocain- oder Capsaicin-Pflaster – solche lokalen Behandlungen würden viele Patienten sehr schätzen, so Hoederaths Erfahrung. Lidocain ist ein lokales Betäubungsmittel, Capsaicin stammt aus der Chilischote und hemmt ebenfalls die Wahrnehmung von Schmerzreizen. «Wer Wetterwechsel schlecht verträgt, dem tut oft Moortorf-Rosskastanien-Öl gut», weiss die Fachärztin.

«Bei Nervenschmerzen dagegen würde ich es eher mit Kampfer- oder lavendelhaltigen Präparaten versuchen. Wir lassen auch speziell angefertigte Salben und Gels von den Apotheken mischen.» Nicht alles ist gleichermassen gut erforscht und bewiesen, aber solange es nicht schadet und kein Vermögen kostet, darf man es versuchen.

Psychische Umstände mitberücksichtigen

Schmerz tut nicht nur weh, er zermürbt, frustriert, weckt Ängste … Das kann zum Teufelskreis werden: Der Schmerz lässt den Kranken verzweifeln, führt zur Vereinsamung oder zur Angst um den Arbeitsplatz. Dadurch steigt die Muskelspannung, und das wiederum verstärkt die Beschwerden. Ausschliesslich die Schmerzen zu behandeln, greift darum zu kurz. Umgekehrt können sich Depressionen oder Ängste auch körperlich manifestieren. Eingebildet sind diese Beschwerden dann nicht. Denn jeder chronische Schmerz ist ein Zusammenspiel biologischer, seelischer und sozialer Faktoren. Wer ihn erfolgreich behandeln will, muss also psychische und soziale Umstände mitberücksichtigen. Deshalb ist bei vielen Patienten auch eine Psycho- oder eine Traumatherapie wichtig bei der Behandlung, weil sie bei der Stressbewältigung hilft wie auch beim Umgang mit den Schmerzen.

Auch an nicht medikamentöse Massnahmen denken

Auf Dauer keine Lösung: Schmerzmittel können die Nieren schädigen oder andere unerwünschte Nebenwirkungen haben.

Dauergebrauch von Medikamenten kann je nach Substanz zu Nierenschäden, Abhängigkeit oder anderen unerwünschten Folgen führen. Nicht medikamentöse Methoden sind daher mindestens so wichtig wie Pillen und Tabletten. Bewegung, soweit möglich, ist fast nie verkehrt. Physiotherapie – auch als Wassertherapie, Osteopathie oder Faszienbehandlung – kann etwa bei Rückenweh oft kleine Wunder wirken. Die Triggerpunkt-Therapie können Betroffene selbst anwenden: Dabei drückt man auf die Stelle, die am meisten wehtut. Lässt der Schmerz nach, lässt man los. Achtsamkeitstraining (Mind-Body-Therapie), Musik, Meditation, Qigong und Entspannungsverfahren können ebenfalls helfen, den Schmerzmittelgebrauch zu senken. (Selbst-)Massage oder Tuina löst verspannte Muskeln.

Tagebuch führen – über die guten Momente

«Immer wieder kommen Patienten mit dicken Schmerztagebüchern», sagt Petra Hoederath. Davon rät sie ab. «Ein solches sollte man nur zu Beginn einer neuen Behandlung führen, um zu schauen, ob sie anschlägt – aber nicht länger.» Denn es verleite dazu, immer wieder an den Schmerz zu denken. «Das Gehirn ist veränderbar, und das kann man nutzen. Besser ist deshalb, ein Genusstagebuch zu führen.» Dort hinein kommen alle Erlebnisse, die gutgetan haben – den Schmerzen zum Trotz.