8 Ansätze zum HandelnDas können Männer tun, damit sich Frauen sicher fühlen
Frauen bewegen sich im öffentlichen Raum nicht gleich selbstbestimmt wie Männer. Diese stehen in der Verantwortung, dass sich daran etwas ändert. Zwei Fachleute zeigen mögliche Lösungen auf.
«Text me when you get home» – «Schreib mir, wenn du zu Hause bist».
Es sind sechs Wörter, die deutlich machen, dass Frauen sich unterwegs oft nicht sicher fühlen. Und diese sechs Wörter befeuern – mit einem Hashtag versehen – in den sozialen Medien gerade die Debatte um Ängste und Übergriffe, denen Frauen im Alltag ausgesetzt sind. Auf Twitter und Instagram wurden in den vergangenen Tagen Tausende Beiträge mit #TextMeWhenYouGetHome geteilt.
Dabei wird vermehrt von Männern eingefordert, Verantwortung in der Sache zu übernehmen. Denn, ohne alle Männer unter Generalverdacht zu stellen, Tatsache ist: Die Täter sind allermeistens männlich, wenn Frauen Gewalt erleben. Das wiederum schürt die Angst vor ihnen.
Ebenso klar scheint, dass viele Männer etwas gegen dieses Problem unternehmen wollen.
Wo können Männer konkret ansetzen, damit sich Frauen sicherer fühlen? Darüber haben wir mit Valentin Kilchmann von Männer.ch und Corina Elmer von der «Frauenberatung sexuelle Gewalt» gesprochen. Hier sind acht Ansätze.
Bewusstsein entwickeln
Ein erster wichtiger Schritt sei, sich in die Situation der Frauen einzufühlen, sind sich die Fachpersonen einig. Jeder Mann kenne eine Frau, sagt Corina Elmer: «Was heisst es für sie, wenn ich hinter ihr gehe, auf sie zulaufe oder ihr auf der Strasse einfach so etwas zurufe?»
Um ein besseres Bild davon zu erhalten, was Frauen im öffentlichen Raum im Alltag widerfährt, müsse man ihnen zuhören und ihnen Fragen stellen, sagt Valentin Kilchmann. So seien Catcalling, Anstarren oder sexistische Sprüche derart verbreitet, dass sie für Männer und auch einige Frauen als normal gälten. Doch auch das Einer-Frau-etwas-hinterher-Rufen sei bereits eine Verletzung der persönlichen Grenzen. «Und das ist der Boden, auf dem dann auch viel schlimmere Dinge passieren», sagt Corina Elmer.
Abstand halten, Strassenseite wechseln
Die Erlebnisse, die Frauen aktuell auf Social Media teilen, zeigen: Viele fühlen sich unsicher, wenn ihnen auf der Strasse ein Mann dicht folgt oder sie überholt. Das habe auch nur bedingt mit der Tageszeit zu tun, ist Corina Elmer überzeugt. Hier können Männer direkt handeln: Den Abstand vergrössern, allenfalls kurz warten. «Wenn man es eilig hat, am besten auf der anderen Strassenseite überholen», sagt Elmer.
Keine Sprüche abfeuern
Männer nehmen sich im öffentlichen Raum immer wieder das Recht heraus, eine Frau ungefragt anzusprechen. «Das kann Angst auslösen», sagt Elmer. Also: kein Catcalling, keine Bemerkungen oder Kommentare zum Aussehen machen, wenn eine Frau an einem vorbeigeht oder neben einem steht.
Dabei geht auch darum, zu bedenken, wie viel Raum man als Mann einnimmt, verbal oder physisch. Wie breitbeinig setzt man sich im ÖV hin, lässt man auf dem Trottoir genug Platz für andere, wie laut ist man, gerade auch unterwegs in der Männergruppe?
Klare Signale geben, mehr lächeln
Ein unmissverständliches Verhalten seitens der Männer ist entscheidend, um Frauen zu signalisieren, dass von ihnen keine Gefahr ausgeht. Man solle sich überlegen, welche nonverbalen Zeichen als bedrohlich wahrgenommen werden können, sagt Kilchmann. Hier könne je nach Situation bereits etwas Einfaches helfen: «Macht ein freundliches Gesicht, lächelt mehr!»
Einschreiten und Grenzen aufzeigen
Wer etwas verändern will, braucht Zivilcourage: Männer, die Zeuge davon werden, wie eine Frau belästigt wird, sollen das nicht tolerieren oder wegschauen, sondern beherzt eingreifen (sofern es die Situation erlaubt, ohne dass man sich in Gefahr begeben muss). Bedränge ein Mann zum Beispiel im Zug eine Frau, könne man auf zwei Arten handeln, sagt Elmer. «Einerseits dem Mann signalisieren: ‹Das geht nicht.› Oder der Frau ein Angebot zum Schutz machen, indem man sie fragt: ‹Möchten Sie zu mir sitzen?›»
Das heisst: Männer müssen anderen Männern die Grenzen aufzeigen und übergriffiges Verhalten ansprechen. Das gelte nicht nur im öffentlichen Raum, sondern auch im Freundeskreis, in der Familie oder am Arbeitsplatz. «Wer schweigt, hilft mit, die Verhältnisse aufrechtzuerhalten», sagt Valentin Kilchmann.
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Mit anderen Männern reden
Unter Männern selbst muss ein Austausch darüber stattfinden, wie sie sich gegenüber Frauen verhalten, etwa von Erwachsenen mit ihren Söhnen, in der Schule oder unter Freunden. Es braucht die Bereitschaft, über Rollenbilder, Sexualität, eigene Sehnsüchte und Ängste zu reden. Welche Verhaltensweisen gelten als männlich, welche Männer dienen als Vorbilder – und kann man hinter diesen stehen?
Die Schuld nicht auf andere schieben
«Man muss die Haltung auflösen, es seien immer die anderen», sagt Corina Elmer. Dazu gehört, sich selbst zu reflektieren und kritisch zu hinterfragen, wie man etwa auf sexistische Witze reagiert, ob man vielleicht auch mal eine Frau zu lange anstarrt und wo man überall mitmacht und mitlacht. «Versucht, solches Verhalten in Zukunft zu vermeiden, seid keine Mitläufer», sagt Kilchmann.
Dabei ist es wichtig, sich als Mann nicht zu rechtfertigen oder in andere Abwehrreflexe zu verfallen. «Wenn männliches Verhalten kritisiert wird, wirst in der Regel nicht du als Person kritisiert», sagt Kilchmann. Das müsse man trennen können. Das Ziel müsse sein, dass Frauen sich selbstbestimmt und frei im öffentlichen Raum bewegen können, genauso wie Männer, so Elmer.
Einverständnis einholen
Respektvolles Verhalten gegenüber Frauen muss auch im Privaten, in den Familien und Partnerschaften (vor-)gelebt werden. «Es beginnt zu Hause – wo statistisch Frauen auch am meisten Gewalt erleben», sagt Elmer. Beziehungen auf Augenhöhe bedeuten: nichts zu machen, was das Gegenüber nicht will.
Was geschieht, muss unter Einverständnis und ohne Verletzung der persönlichen Grenzen geschehen. «Nur weil man zum Beispiel eine Frau nach Hause begleitet hat, ist das noch kein Freipass, sie küssen zu dürfen. Oder wenn sie einen mit in die Wohnung lässt, ist das kein Freipass für Sex», sagt Corina Elmer.
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