Wahlen in PeruDas knappe Rennen in Peru könnte zu Protesten und Chaos führen
Bei der Präsidentschaftsstichwahl liegen beide Kandidaten fast gleichauf. Einst ein Musterland in der Region, leidet Peru heute unter einer fast allumfassenden Krise.
In Peru ist die Auszählung der Stimmen der Präsidentschaftsstichwahl zu einem Krimi geworden. Am Sonntag hatten die Bürger in Südamerikas drittgrösstem Land über ein neues Staatsoberhaupt abgestimmt. Am Montagmittag Ortszeit trennten beide Bewerber nach Auszählung von mehr als 92 Prozent der Stimmen nur ein paar Punkte hinter dem Komma: Keiko Fujimori von der Partei Fuerza Popular kam auf 50,17 Prozent der Stimmen, Pedro Castillo von Perú Libre dagegen auf 49,82.
Das knappe Rennen hat die ohnehin schon angespannte Lage in dem Land weiter verschärft. Die Sorge wächst, dass der knappe Ausgang der Wahl zu noch mehr Unruhe oder sogar Protesten und Chaos führen könnte.
Politikverdrossenheit ist gross
Einst ein Musterland in der Region, leidet Peru heute unter einer fast allumfassenden Krise: Über Jahre hinweg hatten hohe Rohstoffpreise die Wirtschaft boomen lassen, Armut und Arbeitslosigkeit sanken, der Wohlstand wuchs, gleichzeitig aber auch die Ungleichheit. Ein Grossteil der Peruaner arbeitet heute in prekären Jobs, viele junge Menschen sehen kaum noch eine Zukunft für sich in ihrem Land, und nach mehreren grossen Korruptionsaffären ist die Politikverdrossenheit gross.
Mit der Pandemie hat sich die Lage noch verschärft: Die peruanische Wirtschaft ist im letzten Jahr um über elf Prozent eingebrochen, dazu starben mehr als 180’000 Menschen an dem Erreger. Gemessen an der Bevölkerungsgrösse macht dies Peru zu einem der Länder, die weltweit am härtesten von Covid-19 getroffen wurden.
Anfang April standen ganze 18 Kandidaten in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl auf den Stimmzetteln, keiner erreichte damals mehr als 20 Prozent, und am Ende zogen zwei Bewerber in die Stichwahl ein, die kaum unterschiedlicher hätten sein können.
Keiko Fujimori ist die Tochter des Ex-Präsidenten Alberto Fujimori, der Peru in den 90er-Jahren autoritär regierte und heute wegen Menschenrechtsverbrechen in Haft sitzt. Bereits zweimal hat sich Keiko Fujimori um das Amt bemüht, beide Male scheiterte sie in der Stichwahl. Mit einer Politik der harten Hand hat sie um Wähler geworben, dazu steht sie für eine Fortführung des wirtschaftsfreundlichen Modells der letzten Jahre.
Pedro Castillo dagegen tritt für eine marxistisch-leninistische Partei an und verspricht, die Reichtümer des Landes gerechter zu verteilen. Bergbaufirmen sollen verstaatlicht werden, dafür mehr Gelder in Bildung und Daseinsfürsorge fliessen, und schlussendlich will Castillo auch eine neue Verfassung, um die abzulösen, die noch aus der Fujimori-Zeit stammt.
Castillo gibt sich als Mann des Volkes. Früher war er Dorfschullehrer, sein Wahlkampf fand abseits der Hauptstadt in der Provinz statt. Viele arme und abgehängte Peruaner erhoffen sich von ihm mehr Teilhabe und Chancen. Gleichzeitig ist vor allem bei den Angehörigen der Mittel- und Oberschicht die Sorge gross, dass Castillo das Land auf einen sozialistischen Kurs ähnlich dem von Venezuela oder Kuba bringen könnte, mit Enteignungen und einer Gleichschaltung der Presse.
Unter schwerem Korruptionsverdacht
Keiko Fujimori hat diese Ängste in ihrem Wahlkampf noch geschürt. Ein grosser der Teil der peruanischen Rechten und der konservativen Elite hat sich hinter ihr versammelt, unter anderem auch Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa. Gleichzeitig aber steht Fujimori unter schwerem Korruptionsverdacht und sass deswegen auch schon in Untersuchungshaft. Dazu kommen ein autoritärer Führungsstil und ihre nie richtig aufgearbeitete Beteiligung an der Regierung ihres Vaters, unter der es zu Mord, Folter und massenhaften Zwangssterilisationen kam.
Fujimori wird sich bei einem Sieg mit Reformforderungen aus der Bevölkerung konfrontiert sehen, die sie am Ende dazu zwingen könnten, ihren wirtschaftsfreundlichen Kurs abzuändern. Pedro Castillo dagegen wird mit seinen Vorschlägen und Versprechen vermutlich im extrem zersplitterten Kongress scheitern. Auch nach der Wahl also bleibt die Stimmung im Land weiter angespannt.
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