Interview mit Touristikerin zum Burkaverbot«Das Image der Schweiz als freundliche Gastgeberin dürfte leiden»
Barbara Gisi erwartet für die in den Golfstaaten beliebten Schweizer Destinationen starke Verluste. Dies zeigten auch Erfahrungen im Tessin, das seit 2016 ein Burkaverbot kennt.
Die Schweiz sagt knapp Ja zur Burkainitiative. Was bedeutet das für den Tourismus?
Wir mussten wegen der Pandemie im vergangenen Jahr schon katastrophale Verluste hinnehmen. Jetzt wird es Destinationen wie Genf, Interlaken oder Luzern zusätzlich hart treffen. Denn die Gäste, deren Frauen Burkas tragen, werden künftig darauf verzichten, uns zu besuchen. Insbesondere orthodoxe Muslime pochen auf eine Gesichtsverschleierung und werden deshalb die Schweiz nicht mehr bereisen. Und dieses neue Regime spricht sich in den betroffenen Golfstaaten sehr schnell herum, weil gerade in diesem Raum die Mundpropaganda eine grosse Rolle spielt.
Weshalb ist dies ein so grosser Verlust?
Häufig sind Touristen etwa aus Saudiarabien sehr gut situiert und geben entsprechend viel Geld in der Schweiz aus. Sie lieben es, zu shoppen, Produkte zu kaufen, die sie nicht kennen oder die im Luxusbereich angesiedelt sind. Und sie schätzen das eher kühle Klima hier in der Schweiz. Sie geniessen es sogar, wenn es regnet. Die Beliebtheit der Schweiz in den Golfstaaten sieht man auch eindrücklich bei der Entwicklung der Logiernächte: Zwischen der Jahrtausendwende und 2019 sind diese um stolze 355 Prozent gestiegen.
Können Sie den zu erwartenden Verlust quantifizieren?
Das ist sehr schwierig. Wer sicher nicht mehr kommen wird, sind die sehr strenggläubigen Muslime respektive Musliminnen, welche die Burka auf keinen Fall ablegen wollen. Wir können das auch deshalb schwer quantifizieren, weil wir ja keine Erhebungen machen, wie viele Touristinnen tatsächlich eine Burka tragen.
Und wie sieht es mit den Erfahrungen im Tessin aus, das ja bereits seit 2016 ein Burkaverbot kennt?
Die Logiernächte aus den Golfstaaten sind im Südkanton zwischen 2000 und 2016 um 900 Prozent gestiegen und zwischen der Einführung des Burkaverbotes und 2019 um 30 Prozent gefallen. Es lässt sich zwar ausgehend von diesen Zahlen nicht abschliessend beweisen, dass die sinkenden Zahlen der Logiernächte nur auf das Burkaverbot zurückzuführen sind. Aber eine eindeutige Tendenz lässt sich nicht bestreiten.
«Das Image der Schweiz als freundliche und offene Gastgeberin dürfte leiden.»
Wird das Burkaverbot auch bei nicht strenggläubigen muslimischen Touristen einen negativen Effekt haben?
Die Gefahr ist tatsächlich vorhanden, weil das Image der Schweiz als freundliche und offene Gastgeberin leiden dürfte. Das könnte auch gemässigte Musliminnen und Muslime abschrecken. An diesen Effekt hat das Egerkinger Komitee wohl nicht gedacht, als es diese aus meiner Sicht völlig unnötige Initiative lanciert hat. Resultate wie beispielsweise in der Stadt Luzern, die die Initiative mit über 64 Prozent ablehnt, zeigen eines deutlich: Die Bevölkerung in Destinationen mit vielen Nikab-Trägerinnen stört sich nicht so stark an der Gesichtsverhüllung und weiss genau um die Bedeutung für den Tourismus.
Könnte nicht auch das Gegenteil eintreten, dass Nikab-Trägerinnen andere Gäste nun nicht mehr irritieren und deshalb vermehrt Touristen aus anderen Ländern nach Interlaken oder Genf kommen?
Davon gehe ich nicht aus, für einen solchen komplementären Effekt gab es schlicht zu wenige Touristinnen, die einen Nikab trugen. Theoretisch denkbar ist, dass einige wenige Schweizer Touristen wieder Destinationen stärker für sich entdecken, die in der Vergangenheit stark von muslimischen Gästen mit einer Gesichtsverhüllung frequentiert wurden, wobei dies die Ausnahme sein dürfte.
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