Das Impeachment eint die Demokraten – und schwächt sie
Die Ukraine-Affäre droht den gesamten politischen Prozess in den USA zu überschatten. Das Verfahren könnte nicht nur für den Präsidenten gravierende Folgen haben.
Zwei Orte, fast 1000 Kilometer voneinander entfernt, illuminierten am Mittwoch den Zustand der Vereinigten Staaten: In Atlanta traten zehn demokratische Präsidentschaftsanwärter zu ihrer fünften TV-Debatte an, zuvor schon hatte Donald Trumps EU-Botschafter Gordon Sondland vor dem Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses in Washington zur Ukraine-Affäre ausgesagt und seinen Dienstherrn dabei belastet.
In Atlanta machten sich die demokratischen Bewerber Hoffnungen auf die Präsidentschaftskandidatur ihrer Partei, in Washington gilt nach den Anhörungen zum Impeachment als wahrscheinlich, dass dem derzeitigen Amtsinhaber wohl im Januar 2020 im Senat der Prozess gemacht werden wird.
Aber sowohl in der Hauptstadt als auch in der Südstaaten-Metropole Atlanta offenbarten sich Ungewissheiten: Was bedeutet ein Impeachment für Trumps Präsidentschaft und für den Ausleseprozess der Demokraten? Und wie wird ein solches Verfahren im Senat die kommenden Präsidentschafts- und Kongresswahlen beeinflussen?
Ein gewisser Realitätsverlust
Überdies wurde bei der Anhörung im Kongress wie bei der demokratischen Debatte ein gewisser Realitätsverlust erkennbar. Auf dem Capitol-Hügel erklärten Trumps republikanische Verteidiger den Präsidenten in der Ukraine-Affäre einmal mehr für unschuldig, obschon dies bereits vor Botschafter Sondlands Einvernahme reinem Wunschdenken entsprang. Und in Atlanta wurden dem Publikum wie schon bei vorherigen demokratischen Debatten von progressiv-linken Anwärtern wie Elizabeth Warren und Bernie Sanders kostspielige und weitreichende Pläne unterbreitet, die vielen Amerikanern Unbehagen einflössen.
Dass Donald Trumps Verfehlungen die Debatte in Atlanta teilweise beherrschten, ist verständlich: Der Präsident eint die Demokraten. Doch auch in Atlanta zeigte sich der Riss zwischen gemässigten Präsidentschaftsanwärtern wie Joe Biden, Amy Klobuchar und Pete Buttigieg und Vertretern des progressiven Parteiflügels.
Besorgt warnte Barack Obama seine Partei kürzlich, sie solle weniger über Revolution reden und mehr über graduelle Verbesserungen der amerikanischen Lebensbedingungen. Denn die Demokratische Partei bewegt sich nach links, ohne dass bislang ersichtlich wäre, ob ihr die Wähler folgen wollen.
Womöglich zöge sich der demokratische Auswahlprozess im Gefolge eines Impeachments gegen Trump in die Länge.
Obendrein kommt dem demokratischen Auswahlprozess, der in zweieinhalb Monaten mit den Parteiversammlungen in Iowa beginnt, wahrscheinlich das Impeachment-Verfahren in die Quere. Ein Prozess gegen Donald Trump würde den demokratischen Vorwahlkampf überschatten, die Anwärter Elizabeth Warren, Bernie Sanders, Kamala Harris, Cory Booker und Amy Klobuchar müssten im Senat über Trump richten, ohne Wahlkampf in Iowa und anderswo betreiben zu können.
Joe Biden wäre bei einem solchen Prozess allgegenwärtig, würde dem Präsidenten doch unter anderem zur Last gelegt, dass er von der Ukraine politischen Schmutz über Biden und dessen Sohn Hunter erpressen wollte. Womöglich zöge sich der demokratische Auswahlprozess im Gefolge eines Impeachments gegen Trump in die Länge, ein klarer Favorit schälte sich vielleicht erst im April oder Mai 2020 heraus.
Für den Präsidenten könnte ein Impeachment-Verfahren gleichfalls gravierende Folgen haben: Auch wenn er einen Prozess im Senat politisch überlebte, so würde er doch angeschlagen in die Wahlschlacht 2020 als ein Präsident ziehen, der sein Amt entehrte und missbrauchte. Die gestrigen Ereignisse in Washington signalisierten jedenfalls neue und für die Stabilität der amerikanischen Republik bedrohliche Turbulenzen.
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