Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Verbrechen schockiert Spanien
Das grösste vorstellbare Leid

«Es gibt geschlechtsspezifische Gewalt gegen Mütter»: Irene Montero, Gleichstellungsministerin Spaniens.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Bevor die beiden kleinen Mädchen verschwanden, holte der Vater nachmittags erst die einjährige Anna bei ihrer Mutter ab und danach ihre fünf Jahre ältere Schwester Olivia von einer Schulveranstaltung. Tomás G. hatte der Mutter gesagt, er wolle den Nachmittag mit seinen Töchtern verbringen. Er brachte die Mädchen ins Haus seiner Eltern in Santa Cruz, der Hauptstadt der Kanareninsel Teneriffa. Die Mutter hatte sich im vergangenen Jahr von ihm getrennt, sie fällte die Entscheidung während des Lockdown, damals war sie noch mit Anna schwanger.

Die beiden kannten sich, seit sie Teenager waren, zwanzig Jahre lang waren sie ein Paar gewesen. Auch deshalb war die Mutter wohl lange davon ausgegangen, dass der Vater ihrer Kinder den Kleinen nichts angetan hatte, dass er «nichts Verrücktes» gemacht hatte, wie sie noch am Donnerstag in einer Audionachricht auf Instagram sagte. Da waren Tomás G. und die beiden Mädchen schon mehr als sechs Wochen verschwunden. Die Mutter glaubte damals noch, er wolle sich mit ihnen in ein afrikanisches Land absetzen. Er hatte ihr zuvor schon mehrfach beleidigende Dinge gesagt und geschrieben, kam nicht damit klar, dass sie einen neuen Partner hatte.

Nicht nur entführt, sondern womöglich auch getötet

Doch offenbar hat Tomás G. seine Töchter nicht nur entführt, sondern sie womöglich auch getötet. Am Freitag wurde die Leiche der sechsjährigen Olivia vor Teneriffa auf dem Meeresgrund gefunden. Ein Tauchroboter entdeckte sie mittels Sonar und barg sie aus rund tausend Meter Tiefe. Die Umstände lassen auf einen gewaltsamen Tod schliessen. Ihre einjährige Schwester Anna wird weiterhin vermisst, ebenso wie der Vater. Die Behörden vermuten, dass der 37-Jährige auch sie getötet hat. «Du wirst die Mädchen und mich nie wiedersehen», hatte er seiner Ex-Frau noch am Telefon gesagt.

Die spanische Öffentlichkeit bewegt der Fall, seitdem die Mutter am 27. April dieses Jahres eine Vermisstenanzeige aufgegeben hatte. Verzweifelt wandte sie sich auf der Suche nach ihren Töchtern auch an die Öffentlichkeit, postete Bilder der Kinder auf der Onlineplattform Instagram und sprach bis zuletzt öffentlich davon, dass sie hoffe, ihre Mädchen bald wiederzusehen.

In diesem Jahr sind bereits 19 Frauen in Spanien von Männern getötet worden.

Der Mann habe seiner früheren Partnerin «das grösste vorstellbare Leid» zufügen wollen, heisst es nun in der Anklageschrift der Ermittlungsrichterin. Er habe die Mutter in Ungewissheit darüber lassen wollen, was mit ihren Kindern geschehen sei, und habe sie auf «unmenschliche» Weise leiden lassen wollen. Das spanische Gleichstellungsministerium interpretiert derartige Taten in seinen Statistiken als «geschlechtsspezifische Gewalt gegen Mütter».

Strukturelle Gewalt an Frauen

Spaniens Gleichstellungsministerin Irene Montero spricht von «der anderen Pandemie», die das Land heimsuche, und von struktureller Gewalt, die Frauen erlitten, «weil sie Frauen sind». In einem Fernsehinterview nach dem Fund der Leiche des Mädchens sagte die linke Politikerin, die spanische Gesellschaft und die Institutionen hätten die Verantwortung, Frauen und Kinder vor derartigen Verbrechen zu schützen.

Ministerin Montero erinnerte ausserdem daran, dass im Laufe dieses Jahres bereits 19 Frauen in Spanien von Männern getötet worden seien. Erst an diesem Samstag wurde eine 36-Jährige in der Stadt Jaén im Nordosten Andalusiens von ihrem Partner umgebracht. Nach Angaben ihres Ministeriums wurden in den vergangenen acht Jahren, also seit Beginn der statistischen Erfassung, 39 Kinder in Spanien von ihren biologischen Vätern oder den Partnern oder Ex-Partnern ihrer Mütter ermordet. Wenn sich der Verdacht im Fall von Anna und Olivia erhärtet, sind es inzwischen 41.