Krogerus & TschäppelerWir versprechen uns zu schnell zu viel von neuen Dingen
Eine Anleitung für mehr Geduld – dank Amaras Gesetz.
«Wir neigen dazu, die Auswirkungen einer Technologie kurzfristig zu überschätzen und langfristig zu unterschätzen.»
Diesen Satz formuliert in den Sechzigerjahren der Computerspezialist Roy Amara aus Stanford, Kalifornien. Seine Beobachtung galt dabei interessanterweise nicht den technologischen Entwicklungen, sondern dem menschlichen Verhalten: Wir sind neugierig, aber ungeduldig. Wir lassen uns leicht von Neuem begeistern, aber sind schnell enttäuscht, wenn es nicht so gut funktioniert, wie gedacht.
Natürlich stösst alles Neue immer auch auf Gegenwind, der Mensch liebt Beständigkeit und fürchtet Veränderung. Aber gerade bei Technologien, so Amaras Beobachtung, versprechen wir uns zu schnell zu viel und haben zu wenig Verständnis dafür, dass Innovation ein Prozess und ein Produkt ist. Es muss sich entwickeln. Langsam.
Ein aktuelles Beispiel? KI. Anfangs herrschte eine Mischung aus Euphorie und Untergangsstimmung. Die einen knieten vor KI wie vor einer Marienerscheinung, die anderen tanzten den Apocalypso. Inzwischen hat sich vieles relativiert, die Begeisterung, aber auch die Befürchtungen wurden ein bisschen runtergerechnet. Amara würde sagen: Wir neigen dazu, die Auswirkungen einer Technologie kurzfristig zu überschätzen und langfristig zu unterschätzen.
Anderes Beispiel: Die erste Dotcomwelle der späten Neunzigerjahren. Man dachte, alles könne im Internet geregelt werden, sogar Kleider könne man kaufen. Unvergessen: Boo.com, der von drei Schwed:innen gegründete Onlinekleidershop, der massiv steil und dann krachend Pleite ging und das Ende der New-Economy-Ära einläutete. Mit Blick auf Zalando möchte man mit Amara sagen: Wir neigen dazu, die Auswirkungen einer Technologie kurzfristig zu überschätzen und langfristig zu unterschätzen.
Dieser Satz, der als «Amara’s Law» oder «Amaras Gesetz» bekannt wurde, gilt aber nicht nur für technologische Innovationen. Man kann ihn auf fast alle Bereiche anwenden. Zum Beispiel auf unser Gesundheitsverhalten: Wir neigen dazu, Verhaltensänderungen – etwa eine neue Trainingsmethode, morgendliche Meditation, Keto-Diät – anfangs zu überschätzen und begeistert als Allheilmittel zu betrachten, den langfristigen Nutzen aber zu unterschätzen. Der Punkt ist: Die meisten bleiben nicht lange genug bei einem Verhalten, um seinen wahren Nutzen und Ertrag zu erkennen.
Oder nehmen wir Menschen. Wir lernen eine Person kennen. Sie ist charmant, sympathisch, klug. Sie gefällt uns. Wir verlieben uns. Sehen sie und alles durch eine rosarote Brille. Dann fangen wir an, Fehler im anderen zu erkennen. Was uns anfangs noch begeisterte, irritiert nun. Der Rosarot wird Dunkelgrau. Wenn wir die Phase aber durchstehen, wenn wir merken, dass die andere Person nicht perfekt ist (wir aber auch nicht), dann wendet sich das Blatt. Wenn wir uns selbst und das Gegenüber in der Unperfektion lieben können, entsteht eine tiefere Verbindung. Kurz: Wir neigen dazu, Menschen kurzfristig zu überschätzen und langfristig zu unterschätzen.
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