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Interview mit Greenpeace-Sprecher
«Das FSC-Label hat massiv an Glaubwürdigkeit verloren»

«Die weltweit zertifizierten Waldflächen und die Mengen an FSC-Produkten sind so gross, dass sie kaum mehr umfassend kontrolliert werden können», sagt Greenpeace-Sprecher Roland Gysin. 
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Was ist das Problem an Holz-Labels wie FSC?

Die Idee, die hinter solchen Labels steckt, wäre grundsätzlich gut. Deshalb haben Greenpeace und andere Umweltorganisationen 1993 bei der Gründung von FSC mitgearbeitet und waren bis Ende 2017 in der Trägerorganisation mit dabei. Doch es gab eine Reihe von Skandalen, durch die das Label massiv an Glaubwürdigkeit verloren hat. Das führte vor fünf Jahren zum Austritt von Greenpeace Schweiz aus der FSC-Trägerorganisation.

Greenpeace veröffentlichte einen kritischen Bericht mit dem Titel «Zertifizierte Zerstörung». Ist ein Label mit Schwächen nicht besser als gar keins?

FSC ist auch heute noch das einzige weltweit anerkannte Nachhaltigkeitslabel für Holz. Deshalb, besser minimale Leitplanken als gar keine. Aber die Skandale zeigen, dass bei FSC für Missbräuche Tür und Tor geöffnet sind. Die Einhaltung der Mindeststandards für ökologische Waldwirtschaft und Lieferketten lässt sich mit dem heutigen System nicht so kontrollieren, wie es nötig wäre.

Was müsste sich verändern, damit Greenpeace sich wieder hinter FSC stellen würde?

Das Label muss strengere Standards erlassen. Zum Beispiel müssen die Rechte indigener Völker vollständig geschützt sein. Kahlschläge gehören verboten, und die Lieferketten müssen lückenlos rückverfolgbar sein. Die Kontrollstellen, die diese Standards überprüfen, müssen unabhängig und transparent sein. Heute ist alles privatwirtschaftlich organisiert. Strenge Standards müssen in länderübergreifende Gesetze gegossen werden.

«Schweizer Holz ist grundsätzlich ausländischem Holz vorzuziehen.»

Was ist das Problem an der privatwirtschaftlichen Organisation?

Es ist ein System voller Interessenskonflikte. Die zertifizierten Firmen zahlen der Label-Organisation sowie den Zertifizierungsstellen jährliche Gebühren. Das sind die Haupteinnahmen der Organisation und der Zertifizierer. Sie haben also ein starkes finanzielles Interesse, möglichst viele zahlende Mitglieder zu haben. Die weltweit zertifizierten Waldflächen und die Mengen an FSC-Produkten sind so gross, dass sie kaum mehr umfassend kontrolliert werden können. Die vielen Problemfälle zeigen, dass die finanziellen Interessen von FSC und Zertifizierern oft grösser sind als das Interesse, fundierte Kontrollen durchzuführen.

Journalisten weltweit haben nun Fälle von über 340 zertifizierten Holzfirmen zusammengetragen, die gegen Umweltgesetze oder Nachhaltigkeitsverpflichtungen verstossen haben. Überrascht Sie diese hohe Zahl?

Sie ist die logische Folge der schon länger bekannten Mängel. Die Vielzahl der Fälle zeigt, dass das Problem wirklich systemisch ist und es grundlegende Veränderungen braucht.

Also dienen Labels wie FSC nur dem Greenwashing?

Das ist zu hart ausgedrückt. Es gibt auch Beispiele, wo sich der Waldschutz und die Rechte von Arbeitnehmenden dank der Zertifizierung verbessert haben. Aber in der Masse ist das Label im heutigen Zustand nicht zuverlässig genug.

Was machen Konsumenten, die nachhaltige Holzprodukte kaufen möchten?

Schwierig. Ich würde beim Verkaufspersonal nachfragen und versuchen, zu beurteilen, wie plausibel dessen Erklärungen zur Herkunft sind. Von FSC-Mix-Produkten würde ich die Finger lassen, weil da das Risiko für Missbrauch am grössten ist. Auch die Herkunft des Holzes ist ein wichtiger Faktor. Je näher, desto besser. Schweizer Holz ist grundsätzlich ausländischem Holz vorzuziehen. In Weltregionen, wo Arbeitsbedingungen schlechter und Korruptionsrisiken grösser sind, ist die Anfälligkeit für Missbrauch besonders hoch.

Was ist mit Tropenhölzern?

Tropenhölzer würde ich ganz meiden, auch solche mit Label. Die wichtigste Frage vor jedem Kaufentscheid aber ist: Brauche ich das Produkt – oder komme ich auch ohne aus oder kann ich es in einer Brockenstube kaufen? Den Konsum zu reduzieren, ist mit Abstand am wirksamsten für den Umweltschutz. Labels wie FSC sind da leider sogar kontraproduktiv, weil sie Konsum ohne schlechtes Gewissen vorgaukeln.