«Dann vernichte ich meinen Mitgliedsausweis»
Nach seiner rassistischen Aussage muss sich Schalke-Boss Clemens Tönnies vor dem Ehrenrat verantworten. Viele fordern seinen Rücktritt.
Es lohnt sich, über Clemens Tönnies ein, zwei Dinge zu wissen. Zum Beispiel ist der 63-Jährige nicht nur Aufsichtsratsvorsitzender und damit der Boss von Bundesligist Schalke 04, sondern auch passionierter Jäger. Und von Beruf Wurstfabrikant. Laut «Spiegel» hat der Milliardär mit umstrittenen Cum-Ex-Funds viel Geld verdient, und sein Unternehmen wurde einst wegen illegaler Absprachen mit einer Busse von 128 Millionen Euro bestraft. Das Geld konnte nicht eingezogen werden: Tönnies hatte die betroffene Tochtergesellschaft rechtzeitig liquidiert.
Ach ja, eines noch: Clemens Tönnies hat fünf Geschwister.
Und das mit den fünf Geschwistern ist einigermassen lustig, schliesslich sind für ihn kinderreiche Familien störend. Jedenfalls in Afrika. Jedenfalls tat er dies vor zwei Tagen in einer Rede kund, die ihn nun in die Bredouille bringt. Am «Tag des Handwerks» in Paderborn sagte er: «Statt neuer Steuern einzuführen, um den Klimawandel zu bremsen, sollte man in Afrika lieber 20 Kraftwerke aufstellen. Dann», dozierte er, «würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenns dunkel ist, Kinder zu produzieren.»
Rückendeckung vom Verein
Später veröffentlichte Schalke 04 eine Medienmitteilung, in der sich Tönnies rechtfertigte, die Aussage sei «falsch, unüberlegt und gedankenlos» gewesen. Zudem bat er «explizit Fans, Mitglieder und Freunde des FC Schalke 04» um Verzeihung. Für den Club war die Angelegenheit damit erledigt. Sportvorstand Jochen Schneider sagte zur «Bild»-Zeitung: «Clemens hat eine unbedachte Aussage getätigt und sich aufrichtig entschuldigt. Für mich ist die Sache abgehakt und gut.»
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Trotzdem drohen ihm jetzt intern Konsequenzen: Der Ehrenrat von Schalke 04 hat den Aufsichtsratsvorsitzenden einbestellt und will ihn anhören. Der Ehrenrat, ein Schlichtungsgremium und eine Art moralische Instanz, besteht aus fünf Mitgliedern, zu denen ein Strafrechtsprofessor der Universität Bochum, ein ehemaliger Pfarrer sowie eine Richterin und ein Richter. Laut «Bild» hat der Ehrenrat die Befugnis, den Aufsichtsratsvorsitzenden zu entlassen. Tönnies hat zugestimmt, sich vor ihm zu verantworten.
Und genau um die Frage geht es jetzt beim FC Schalke: Kostet ihn die Aussage den Job? Weite Kreise der Fans fordern dies. Auch prominente. Hans Sarpei etwa, ehemaliger Spieler und bis heute Aktivmitglied des Clubs, schrieb auf Twitter: «Natürlich kann man sich entschuldigen, aber dann sollte man es auch bei denjenigen machen, die man rassistisch in Kolonialmanier beleidigt und nicht bei Dritten.» Sarpei ist in Ghana geboren, aber in Köln aufgewachsen.
Unüberlegte Rede?
Auf Twitter hat Sarpei knapp 500'000 Follower, und nun will er dafür sorgen, dass Tönnies sich nicht einfach davonstehlen kann – schliesslich: Wer bereitet schon eine Rede vor, in der dann «falsch, unüberlegt und gedankenlos» Dinge gesagt werden? Sarpei schrieb Klartext: «Als Mitglied wünsche ich mir, dass der Ehrenrat klar Position bezieht und über Konsequenzen berät. Wenn solche Äusserungen Schalker Werte sind, dann vernichte ich noch heute meinen Mitgliedsausweis.»
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Sarpei erhält mit seiner Forderung – neben etwas Gegenwind – sehr viel Zuspruch auf dem sozialen Netzwerk. «Das ist (...) kolonialistischer Rassismus der übelsten Sorte», antwortete einer und appellierte an die übrigen Fans: «Jeder Schalker muss sich wehren!»
Auch die «Schalker Fan-Initiative» schrieb: «Jemand, der unseren Verein repräsentiert, darf solche Gedanken nicht in sich tragen. Der Verein muss jetzt ein Zeichen setzen und Konsequenzen ziehen.» Vor weniger als zwei Jahren war das Fanprojekt für sein Engagement gegen Rassismus vom Deutschen Fussballbund mit dem bedeutenden Julius-Hirsch-Preis ausgezeichnet worden.
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Der «Spiegel» kommentierte: «Clemens Tönnies ist vielleicht kein Rassist, aber solche Äusserungen in einer öffentlichen Rede zu tun, lassen daran zweifeln, dass er nicht wirklich so denkt». Nur passt das nicht zu Schalke, diesem Club, der stolz ist auf seine Vergangenheit als Arbeiterclub, als Verein der Kumpel und Knappen, die aus aller Welt in den Ruhrpott gekommen waren, um im Kohlebau zu schichten.
Die nächste Woche wird zeigen, ob das der Schalker Ehrenrat auch so sieht.
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