Porträt von Franz Perrez«Dann ist nicht nur unser Land, sondern auch unser Wohlstand gefährdet»
Er ist hartnäckig und eckt an. Franz Perrez hat sich auf dem Parkett der internationalen Umweltpolitik einen Namen gemacht. Nun kämpft der Leiter der Schweizer Delegation an der Klimakonferenz in Ägypten um die Einhaltung der Ziele.
Nun kommt die Zeit des Franz Perrez, Umweltbotschafter und Leiter der Schweizer Delegation an der Klimakonferenz in Sharm al-Sheikh. Hier ist sein Platz. Das Parkett der internationalen Umweltverhandlungen. Mehr als zwei Monate ist er jedes Jahr dafür unterwegs. Die jährlichen Klimaverhandlungen sind der Höhepunkt.
Dieser Eindruck entsteht jedenfalls beim Besuch in seinem Büro an der Monbijou-Strasse in Bern. So kann er beflissen von seinem provisorischen Arbeitsplatz im Gebäude aus der Nachkriegsmoderne der 50er-Jahre schwärmen, vom alten Lift, der vor langer Zeit Dokumente von Stockwerk zu Stockwerk hin und her beförderte. Doch so richtig dreht er erst beim Thema Klima auf.
Der Mann hat den Ruf, stets unter Strom zu sein. Selbst bei sperrigen Themen wie Emissionshandel spürt man allein an seinem Tempo in der Sprache: Perrez hat grosse Ansprüche. «Wir sind unter Druck, wir wollen auch als kleines Land und entsprechend kleine Delegation mitgestalten.» Nur beobachten, nein, das geht nicht. Die Schweiz sei in den Verhandlungen nicht der Neutralität verpflichtet, sagt Perrez. «Wir müssen nicht zwischen Staaten vermitteln, wir vertreten in den Verhandlungen unsere ureigenen Interessen und sind nicht Gutmenschen.»
Die Interessen? Das sind starke Regeln, damit in den nächsten Jahren der globale Klimaschutz im Sinne des Pariser Klimaabkommens umgesetzt wird. Die Schweiz sei heute schon vom Klimawandel stark betroffen, sagt Perrez. «Und wenn es keine globalen Lösungen gibt, dann ist nicht nur unser Land, sondern auch unsere Exportwirtschaft und damit unser Wohlstand gefährdet.»
Und genau darum geht es an der zwei Wochen langen 27. UNO-Klimakonferenz: den Druck auf die Vertragsstaaten aufrechtzuerhalten. «Wir müssen uns weiterhin dafür einsetzen, eine Erderwärmung um 1,5 Grad zu verhindern. Es besteht die Gefahr, dass dieses Ziel verloren geht», sagt der 55-jährige Jurist. Ein gutes Beispiel dafür ist Gastgeber Ägypten. Für die ägyptische Präsidentschaft stehe die Reduktion der Emissionen nicht an erster Stelle, gerade weil das Land selber hohe Emissionen habe.
Die Schweiz kann eine wichtige Rolle spielen, um Positionen einzelner Staaten zu beeinflussen. Sie glänzt dabei zwar nicht mit einer Erhöhung ihres Klimaziels für 2030, einer Halbierung der Emissionen, wie das Umweltorganisationen fordern. Noch gibt es auch keine starke nationale Gesetzesbasis, um dieses Ziel zu erreichen.
«Aber wir können dafür einstehen, dass die internationalen politischen Rahmenbedingungen aufrechterhalten bleiben», sagt Perrez. Dass dies auch als kleines Land möglich ist, hat die Schweiz in den letzten Jahren mehrmals bewiesen. Der grösste Erfolg gelang ihr wohl im letzten Jahr, als dank der Hartnäckigkeit der Schweiz – gegen Brasilien und die USA – scharfe Regeln für den Handel von Emissionszertifikaten im Ausland beschlossen wurden.
Inzwischen sind die Zeiten für die internationale Klimapolitik noch schlechter geworden. Erst bremste die Corona-Krise den Fortschritt, nun drosselt der Ukraine-Krieg das Tempo des Wandels. Der Weltklimarat IPCC gibt sich pessimistisch, dass es gelingen wird, die Erderwärmung bei höchstens 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu halten. Der Umweltbotschafter Perrez will sich weiterhin am schärfsten Klimaziel des Pariser Klimaabkommens orientieren, nur so seien die Chancen intakt, wenigstens das Hauptziel des Vertrages zu erreichen: deutlich unter einer Erwärmung von 2 Grad zu bleiben.
«Wenn das nicht gelingt, haben wir ein Problem.»
Dabei geht es um Vertrauen und sehr viel Geld. Die armen Staaten befürchten, dass die Milliarden, die Europa und die USA in den Ukraine-Krieg stecken, schliesslich für den Klimaschutz der Ärmsten fehlen. Die Entwicklungsländer wurden bereits in Glasgow im letzten Jahr enttäuscht, weil es die Industriestaaten nicht fertiggebracht hatten, das vereinbarte Ziel zu erreichen, ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar für die armen Staaten zu mobilisieren. Bis 2025 soll das nun nachgeholt werden. «Wenn das nicht gelingt, haben wir ein Problem», sagt Franz Perrez. Grossbritannien zum Beispiel hat die versprochenen Klimagelder in diesem Jahr noch nicht bezahlt.
Auch die von der EU beschlossenen Notmassnahmen für die Energieversorgung des kommenden Winters – der temporäre Einsatz von Kohle- und Gaskraftwerken – sind für die Entwicklungsländer nicht vertrauensfördernd. «Die Allianz der kleinen Inselstaaten Aosis verlangt eine Zusicherung, dass diese Infrastruktur nicht auch in Zukunft bestehen bleibt», erklärt der Umweltbotschafter. Nun brauche es viel Überzeugungskraft, die Entwicklungsländer vom Gegenteil zu überzeugen.
Protestaktion per T-Shirts
Die NGO Global Campaign for Climate Action hat Perrez vor Jahren an der Klimakonferenz in Doha zu den zehn besten Verhandlern erkoren. «Dossiersicher, verliert sich nicht in diplomatischem Dünkel, schafft zwei Wochen auch fast ohne Schlaf», fasst Patrick Hofstetter zusammen. Der Klimaexperte des WWF Schweiz ist langjähriges Mitglied der Schweizer Delegation. «Er hat ein gutes Gespür, wie er die Mitglieder der Delegation optimal einsetzen kann», sagt Markus Nauser, langjähriges Delegationsmitglied.
Und zuweilen greift Perrez auch zu unorthodoxen Mitteln. Als Saudiarabien an einer Vorbereitungskonferenz die Ergebnisse des IPCC einmal mehr nicht als Referenz für Verhandlungen anerkannte, liess er kurzerhand T-Shirts für die von der Schweiz geleitete Umweltintegritätsgruppe drucken mit der Aufschrift «Wissenschaft lässt sich nicht verhandeln». Die Aktion sorgte damals für wirkungsvolle Aufmerksamkeit. Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass er die Aktionen der schwedischen Umweltaktivistin Greta Thunberg gut fand. «Sie hat uns beschimpft, das war ja auch legitim.»
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Diplomatie sei nicht farblos, sagt Perrez. «Der gute Diplomat kann auch anecken. Wenn die Verhandlungen harzen, muss man auch unangenehm sein», sagt der Umweltdiplomat. Seine Positionen gefallen denn auch nicht immer gewissen Entwicklungsländern und den NGOs. So hält er es offenkundig für unfair, dass sich Staaten wie Saudiarabien oder auch China nach wie vor nicht gemäss ihren Emissionen pro Kopf an der Klimafinanzierung beteiligen müssen. «Die Zeit der traditionellen Geberländer aus dem Westen ist vorbei», sagt Perrez. Da müssten bis 2024 die Weichen gestellt werden. Und wie steht es mit der Schweiz? Der Beitrag unseres Landes sei bisher im Verhältnis zu den Beiträgen vergleichbarer Staaten angemessen, denkt Perrez. 2020 waren es 659 Millionen Dollar.
Gegner eines zusätzlichen Klimafonds
Klare Vorstellungen hat er auch bei den von den NGOs und der Aosis vehement geforderten Entschädigungen für unvermeidbare Schäden nach Klimakatastrophen, im Konferenzlatein als Loss and Damage bezeichnet.
Er ist dezidiert gegen einen weiteren Klimafonds, der in Sharm al-Sheikh auf der Traktandenliste der Verhandlungen stehen wird. «Die Hilfe für die ärmsten Länder und Inselstaaten ist ganz wichtig. Doch dafür gibt es bereits gut funktionierende Systeme, die aber gestärkt werden müssen», so Perrez. Mit der Forderung spiele man all jenen Staaten in die Hände, die keine umfassende Lösung für das Klimaproblem wollen. Falsch findet er, dass Staaten wie Saudiarabien oder China auch Zugang zu den Geldern hätten, die nicht zu den Ärmsten gehörten.
Seit 2010 ist Perrez Umweltbotschafter der Schweiz. Die Karriere des Juristen begann in der Direktion für Völkerrecht im Departement für auswärtige Angelegenheiten. Er verliess dann das EDA, um an der New York University School Völkerrecht und internationales Umwelt- und Wirtschaftsrecht zu studieren. Dort promovierte er auch. Dann kehrte er in die Schweiz zurück. Seit 2001 leitet er die Abteilung Internationales im Bundesamt für Umwelt.
Das Verhandlungsgeschick von Perrez ist bereits früher aufgefallen. So hat er sich in der internationalen Abfall- und Chemikalienpolitik einen Namen gemacht. Er gilt als Vater des Quecksilber-Abkommens, das die Freisetzung des Schwermetalls zum Beispiel in Kohlekraftwerken oder in der Abfallverbrennung eindämmen soll.
Im nächsten Jahr wird sich zeigen, wie die einzelnen Staaten ihren Klimakurs einschätzen.
Perrez drängt auf Resultate. Insofern passt sein Naturell eigentlich gar nicht zu diesem riesigen Apparat der Klimarahmenkonvention, der nur gemächlich vorwärtskommt. «Aber immerhin kommen wir jedes Jahr nach Hause und sehen, dass wir etwas bewegen konnten, wenn auch nicht so weit, wie wir wollten», sagt Perrez.
Und manchmal wird der ambitionierte internationale Auftritt der Schweiz durch die nationale Politik zurückgebunden. So zum Beispiel nach dem Volks-Nein zur Revision des CO2-Gesetzes im letzten Jahr. «Das war ein Rückschlag, und das spürte man in den Verhandlungen», erinnert er sich. Doch Perrez war auf die Niederlage vorbereitet, er verschickte, sofort als das Resultat bekannt war, zahlreiche Mails an wichtige Partnerländer, um zu erklären: Die Schweiz erhält trotzdem das Klimaziel für 2030 aufrecht.
Noch ist allerdings vieles einfach auf dem Papier. An der Umsetzung hapert es jedoch deutlich, wie ein neuer UNO-Bericht dokumentiert. Im nächsten Jahr wird sich zeigen, wie die einzelnen Staaten ihren Klimakurs einschätzen. Dann ist der erste Transparenzbericht fällig, in dem die Staaten Bericht erstatten, wo sie in der Umsetzung ihrer eingereichten Klimapläne stehen. «Deshalb muss schon in diesem Jahr der Druck auf die Staaten aufrechterhalten werden», so Perrez.
Das gilt auch für die Schweiz. Noch sind wir längst nicht auf Kurs.
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