Mieten statt kaufenDank der Krise boomen Auto-Abos
Gerade in unsicheren Zeiten erfreuen sich mehrmonatige Abonnemente grosser Beliebtheit. Das belebt die in der Schweiz noch junge Branche.
Ein Abo für ein Auto? Die Corona-Krise hat die Nachfrage nach diesem in der Schweiz noch wenig bekannten Modell erhöht. Dabei mieten Kunden ein Fahrzeug für einige Monate zu einer festgesetzten Pauschale – inklusive Versicherung, Reifen, Service, Reparaturen und Vignette. Wer den Wagen nach Ablauf des Abos nicht mehr will, kann ihn zurückgeben.
Im Ausland ist dieses Modell bereits weiter verbreitet, während die meisten Anbieter in der Schweiz erst vor wenigen Jahren gestartet sind. Doch der Markt wächst – in den vergangenen Monaten vor allem wegen der Krise.
«Corona hat uns zusätzlichen Schub gegeben.»
Das hat mehrere Gründe: Zum einen meiden Pendler aus Angst vor einer Ansteckung öffentliche Verkehrsmittel und sind daher kurzfristig auf das Auto umgestiegen. Zum anderen schrecken viele Menschen in unsicheren Zeiten bei einem drohenden Jobverlust vor grossen Anschaffungen zurück.
Beides spielt den Abo-Anbietern in die Hände. «Corona hat uns zusätzlichen Schub gegeben», sagt Léa Miggiano. Sie ist Co-Gründerin des seit 2018 bestehenden Abo-Anbieters Carvolution aus Bannwil BE. Vor allem kürzere Laufzeiten von drei, sechs und zwölf Monaten seien sehr gefragt, während Langfristabos von drei Jahren im Zuge der Krise etwas abgenommen hätten, erklärt sie. «Die Leute setzen sich intensiver mit ihren Finanzen auseinander. Sie kaufen sich nicht einfach ein Auto oder unterzeichnen einen Leasingvertrag – sondern wollen genau wissen, welche Kosten auf sie zukommen», sagt Miggiano.
Die Mietwagenfirma Hertz, die Abos unter dem Name Minilease anbietet, verzeichnet ebenfalls ein gesteigertes Interesse. «Mit dem Angebot sprechen wir Kunden an, die nur ein oder zwei Monate ein Auto brauchen oder sich an einen Autokauf herantasten wollen und das ausprobieren», sagt Roberto Delvecchio, der bei Hertz Schweiz für Marketing und Vertrieb zuständig ist.
Auch das erst seit Oktober 2019 bestehende Start-up Clyde, das aus dem Amag Innovation & Venture Lab in Zürich hervorging, verzeichnet einen positiven Trend. «Ob das ausschliesslich wegen Corona ist oder ob uns mittlerweile mehr Leute wahrnehmen als Marke, das lässt sich aus den Zahlen nicht eindeutig herauslesen», sagt der Clyde-Marketingverantwortliche Olivier Pasche.
Abos sind teurer als ein Kauf, lohnen sich aber für einige Nutzer
Doch lohnt sich das Abo für die Nutzer finanziell? Unter Umständen ja. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung des Vergleichsdienstleisters Comparis von Ende vergangenen Jahres. Der Aufpreis im Vergleich zu einem Autokauf liegt monatlich bei teils weniger als 50 Franken. Damit ist das Abo angesichts flexibler Laufzeiten und einem geringeren Zeitaufwand für viele attraktiv, wie Comparis-Mobilitätsexpertin Andrea Auer erklärt.
Zu den klassischen Kunden zählen Städter, die im Winter gern ein Allradfahrzeug für ihre Skiausflüge abonnieren. Und internationale Angestellte, die das Land nach einer bestimmten Zeit wieder verlassen wollen. Oder Pensionäre, die nicht wissen, wie lange sie noch Auto fahren.
Zudem greifen Firmen zunehmend zu dieser Form. «Wenn ein Mitarbeiter das Unternehmen verlässt, dann kann man das Auto zurückgeben. Das lohnt sich besonders für kleine und mittelständische Firmen», sagt Auer.
Auch die Autobranche profitiert
Der wachsende Abomarkt ist ein willkommener zusätzlicher Absatzkanal für die krisengebeutelte Autobranche. In der Schweiz und Liechtenstein brach die Zahl der Neuzulassungen in den ersten vier Monaten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um gut ein Drittel auf knapp 65’000 Fahrzeuge ein. Im April allein waren es mit knapp 9400 Fahrzeugen in einem einzigen Monat so wenige wie seit der Ölkrise in den 70er-Jahren nicht mehr.
Je nach Geschäftsmodell profitieren von den Abos Händler oder Garagen. Der Anbieter Carify etwa bietet Autogaragen eine Internet-Plattform, um so deren Fuhrpark auf die Strasse zu bringen und Umsatz zu generieren. Clyde kann auf junge Gebrauchtwagen des Autoimporteurs Amag zurückgreifen. Carvolution bezieht die Fahrzeuge meist direkt vom Schweizer Importeur oder Händler.
Wie gross der Abomarkt mittlerweile ist, ist ein gut gehütetes Geheimnis. «Es ist ein junger und dynamischer Markt. Im Vergleich zum Neuwagen- und Occasionsmarkt steckt er noch in den Kinderschuhen», sagt Andrea Auer von Comparis. Die meisten Anbieter geben ihre Kundenzahlen nicht bekannt. Carvolution kommt nach gut zwei Jahren auf 1200 Kunden.
Doch eines steht fest: Das Abomodell ist auch für die einzelnen Hersteller so attraktiv, dass sie mit eigenen Angeboten nachziehen und das Geschäft nicht fremden Start-ups überlassen wollen. Toyota, Volvo und BMW etwa bieten in der Schweiz mittlerweile entsprechende Modelle an.
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