Kommentar zu «Nein heisst Nein»Damit wird es nicht weniger Vergewaltigungen geben
Das neue Sexualstrafrecht stärkt die Opfer – ein wichtiger Schritt. Aber es weckt auch falsche Hoffnungen.
Die Angst steigt plötzlich auf. Breitet sich im ganzen Körper aus. Bleibt zäh in den Gliedern haften. Und legt sich schwer über die Gedanken.
Zu erstarren im Moment der Bedrängung, bewegungs- und denkunfähig zu sein in einem Moment höchster Gefahr – das wurde Vergewaltigungsopfern bislang rechtlich häufig zum Verhängnis.
Ihre Schock-Passivität, ein verbreitetes Phänomen bei Sexualdelikten, half im Strafverfahren potenziell den Tätern. Diese mussten wegen der Erstarrung keine physische oder psychische Gewalt anwenden, um das Opfer zu überwältigen, wie es das Gesetz bedingt hätte.
Das soll sich nun ändern: Damit ein Übergriff rechtlich als Vergewaltigung qualifiziert wird, muss der Täter das Opfer nicht mehr gewaltsam genötigt haben. Entscheidend ist nur noch, ob er gegen den – verbal oder eben nonverbal geäusserten – Willen des Opfers gehandelt hat. So hat es der Ständerat entschieden; der Nationalrat dürfte die Abschaffung der Nötigung gutheissen.
Für eine effektvolle Abschreckung der Täter bleiben die neuen Mindeststrafen von mehr als zwei Jahren zu tief.
Diese Reform ist ein Meilenstein. Sie trägt dem modernen Verständnis konsensueller Sexualität Rechnung und entlastet Vergewaltigungsopfer von der rechtlich auferlegten Schuld, sich nicht aktiv gewehrt zu haben.
Nach einer intensiven Kampagne beklagen Aktivistinnen nun, diese «Nein heisst Nein»-Lösung führe zu wenig weit. Nötig sei eine explizite Einwilligung in den Sexualakt («Nur Ja heisst Ja»). Die Befürchtungen sind allerdings überzeichnet: Vor Gericht muss bei beiden Varianten der Wille des Opfers sorgfältig eruiert werden. Formen der Einwilligung sind zudem nicht einfacher zu belegen als solche der Ablehnung.
Ohnehin sei vor falschen Hoffnungen gewarnt: Der Nachweis eines Vieraugendelikts wird schwierig bleiben. Und weniger Vergewaltigungen wird es wegen dieser Reform auch nicht geben. Für eine effektvolle Abschreckung der Täter bleiben die neuen Mindeststrafen von mehr als zwei Jahren schlicht zu tief.
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