Terror in russischer RepublikMindestens 20 Menschen in Dagestan getötet – Behörden vermuten Islamisten hinter Anschlägen
Ziel der Angriffe waren Gotteshäuser und die Polizei. Gouverneur Sergej Melikow machte am Montag Mitglieder einer vom Ausland gesteuerten islamistischen Schläferzelle für die Taten verantwortlich.

Nach der Anschlagsserie auf Gotteshäuser und eine Polizeiwache in der russischen Teilrepublik Dagestan im Nordkaukasus mehren sich Hinweise auf ein islamistisches Tatmotiv. Gouverneur Sergej Melikow machte am Montag Mitglieder einer vom Ausland gesteuerten islamistischen Schläferzelle für die Taten verantwortlich, bei denen 20 Menschen, darunter mindestens 15 Polizisten, getötet wurden. Der Ableger der Terrorgruppe Islamischer Staat in Afghanistan, der im März einen verheerenden Anschlag auf eine Konzerthalle bei Moskau für sich reklamierte, teilte jetzt mit, die Anschläge in Dagestan seien von «Brüdern im Kaukasus» verübt worden, «die zeigen, dass sie noch stark sind».

Der Ermittlungsbehörde zufolge richteten sich die Anschläge gegen zwei orthodoxe Kirchen, eine Synagoge und einen Polizei-Kontrollpunkt. Ermittelt wird wegen «terroristischer Handlungen». Vertreter der jüdischen Gemeinde erklärten, bei dem Angriff sei auch eine zweite Synagoge in Brand gesetzt worden.
Die Angreifer seien von Spezialeinheiten der Sicherheitskräfte gestellt und getötet worden, teilte das Ermittlungskomitee mit, die wichtigste Strafermittlungsbehörde Russlands. Die regionalen Gesundheitsbehörden erklärten, neben den Toten habe es 46 Verletzte gegeben, unter ihnen mindestens 13 Polizisten. Die Behörden in Dagestan riefen eine dreitägige Trauerzeit aus.

Die Angriffe fanden in Dagestans Hauptstadt Machatschkala und im nahegelegenen Derbent statt. Ausserdem schossen Bewaffnete in der zwischen Machatschkala und Derbent gelegenen Ortschaft Ortschaft Sergokala auf ein Polizeiauto und verletzten dabei einen Polizisten.
Die in Washington beheimatete Denkfabrik Institute for the Study of War erklärte, vermutlich stehe der kaukasische IS-Ableger Wilajat Kawkas hinter der Terrorwelle. Diese sei «komplex und koordiniert» gewesen.
Russischen Nachrichtenberichten zufolge waren unter den Angreifern zwei Söhne und ein Neffe des regionalen Vorsitzenden der Kremlpartei Einiges Russland in Dagestan. Magomed Omarow wurde von der Polizei zum Verhör festgenommen, die Partei schloss ihn aus.
Anspielungen auf Ukraine
«Wir wissen, wer hinter diesen Terroranschlägen steckt und welche Ziele sie verfolgen», betonte Dagestans Gouverneur Melikov. Der Gouverneur machte Anspielungen auf den Ukraine-Krieg: «Wir müssen verstehen, dass der Krieg auch in unsere Häuser kommt. Wir haben es bereits gespürt, aber heute stehen wir ihm gegenüber», erklärte er. Alle Mitglieder der an den Angriffen beteiligten «Schläferzellen» würden verfolgt werden, sagte der Gouverneur weiter.

Die Angriffe ereigneten sich rund drei Monate nach dem Anschlag auf die Konzerthalle Crocus City Hill in einem Vorort von Moskau mit mehr als 140 Todesopfern, zu dem sich die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) bekannt hatte. Russische Behörden hatten damals Kiew vorgeworfen, eine Rolle bei dem Angriff gespielt zu haben, ohne jemals Beweise vorzulegen.
Die mehrheitlich muslimische Region Dagestan liegt an der Grenze zu Georgien und Aserbaidschan. Im April waren in der Kaukasusrepublik vier Menschen im Zusammenhang mit dem Anschlag auf die Crocus City Hall festgenommen worden. Sie sollen nach Angaben des russischen Geheimdienstes FSB Geld und Waffen für den Anschlag geliefert haben.
Zahlreiche Kämpfer aus Dagestan hatten sich in den vergangenen Jahren dem IS in Syrien angeschlossen. In der Nachbarrepublik Tschetschenien kämpften die russischen Behörden in den 90er Jahren in zwei blutigen Kriegen gegen islamistische Separatisten. Seit dem Ende der Tschetschenien-Kriege befinden sich die russischen Behörden in einem schwelenden Konflikt mit militanten Islamisten aus dem gesamten Nordkaukasus, bei denen bereits zahlreiche Zivilisten und Polizisten getötet wurden.
Der Kreml wies am Montag die Möglichkeit einer Rückkehr einer Gewaltwelle, wie sie die Kaukasusregion in den 90er und 2000er Jahren erschüttert hatte, zurück. Russland habe sich verändert, die russische Gesellschaft sei «gefestigt», sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Montag. «Solche Erscheinungsformen des Terrorismus werden von der Gesellschaft in Russland oder in Dagestan nicht unterstützt.»
DPA/AFP/oli/sme
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