Session bis tief in die NachtGestärkt mit Raclette und Weisswein zur Credit-Suisse-Debatte
Bis rekordverdächtig spät diskutierten Parlamentarier über die Milliarden-Kredite. Das brachte einige Gewohnheiten durcheinander.
Die Sitzung des Nationalrats von Dienstagnacht war in verschiedener Hinsicht denkwürdig. Im Bundeshaus brannte so lange das Licht wie selten zuvor. Der Grund: Bis 1.16 Uhr dauerte die Diskussion im Nationalrat über die Bundesmilliarden zur CS-Übernahme durch die UBS.
Das ist rekordverdächtig – zwar nicht, was die Länge der Debatte betrifft: Da gab es Sitzungsmarathons, die viel länger gingen. Der letzte war die Corona-Debatte im Nationalrat vom März 2021. Diese startete um 14.30 Uhr. Beendet war sie kurz nach 0.40 Uhr. Am Dienstag wurde es noch später, punkt 1.16 Uhr läutete Nationalratspräsident Martin Candinas die Ratsglocke und wünschte «Gute Nacht».
Der Grund für den späten Schluss ist einfach. Statt wie geplant um 17.15 Uhr durften die Mitglieder der grossen Kammer erst um 19.15 Uhr ran – der Ständerat brauchte für seine Debatte als Erstrat satte zwei Stunden länger als vorgesehen. Das politische Pingpong zwischen den beiden Kammern war nur bedingt planbar. Dies hatte – auch das ist aussergewöhnlich – eine rote Warnung auf dem Deckblatt des Sessionsprogramms zur Folge. «Achtung: Die Zeitangaben sind Richtwerte und können je nach Ablauf der Beratungen in einem Rat oder einer Kommission durch die Ratspräsidien kurzfristig geändert werden.»
Weisswein oder Tee?
Die Nachtmenschen im Nationalrat waren am Dienstag im Vorteil. Zu ihnen gehörten gezwungenermassen auch die Dienstleisterinnen und Dienstleister des Bundeshausrestaurants Galerie des Alpes. Sie bedienten bis nach 2 Uhr früh.
Die Lösung, hungrige Mäuler jederzeit dann zu stopfen, wenn sie individuell danach verlangten, war einfach und typisch schweizerisch: Es gab Raclette von drei grossen Halbkäsen – für zehn Franken die Portion. Dazu Weisswein oder Tee.
Die Ernsthaftigkeit der Debatte zeigte sich an der Disziplin der Rätinnen und Räte, die allesamt bis zum Schluss durchhielten. Das belegen die Abstimmungsresultate. Keine Kehrausstimmung, kein vorzeitiges Verlassen der Sitzung, zu ernst war die Lage mitten im Wahljahr.
Nach geschlagener Sitzung bot sich vor dem Bundeshaus ein aussergewöhnliches Bild. Einige Taxis standen um halb zwei bereit. Weil kein ÖV mehr fuhr, brachten sie jene in Hotels, Wohnungen oder nach Hause, die nicht in Fussdistanz zum Bundeshaus wohnen.
Wer im Umkreis von zehn Kilometern Luftdistanz wohnt, hat kein Anrecht auf Übernachtungsentschädigung, die für alle anderen 180 Franken pro Nacht beträgt.
Hotelzimmer hin, Miet- oder eigene Wohnung her – die meisten zog es nach geschlagener Sitzung direkt ins Bett. Zum Teil wohl notgedrungen: Die Bundesstadt ist Dienstagnacht alles andere als ein verführerisches Ausgehpflaster. Morgens um zwei sind die Trottoirs längst hochgeklappt. Höchstens noch die eine oder andere Hotelbar ist offen.
Zum Beispiel jene im Hotel Bären, wo diverse Räte von Mitte, SVP und FDP logieren. Hotelbetreiber Philipp Näpflin wartete geduldig, bis seine Gäste gegen halb zwei endlich kamen. Er servierte Fleischplättchen, Brot, Wein und Appenzeller. Dem Vernehmen nach gingen die Letzten kurz nach 3 Uhr ins Bett.
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