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Neues Buch von Josef Ackermann
«Das war der Kardinalfehler der Credit Suisse, der schliesslich zum Untergang führte»

Josef Ackermann, Wirtschaftskapitän, hier bei einer Ausfahrt vor Helsinki.
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Fast schaffte es Josef Ackermann in den Neunzigerjahren an die Spitze der Credit Suisse, bis er sich 1996 mit seinem langjährigen Mentor Rainer E. Gut überwarf. Anschliessend machte der Schweizer Manager Karriere in Deutschland und wurde Chef der Deutschen Bank.

Nun präsentiert Ackermann seine Memoiren. Die SonntagsZeitung bringt einen Auszug der Autobiografie, in der Ackermann sein schwieriges Verhältnis zu Gut, den Bruch zwischen den beiden und Ackermanns Hadern mit dem weiteren Schicksal der Credit Suisse bis zu ihrem Untergang beschreibt.

Bestenfalls die Nummer zwei

Rückblende: Nach der Matura studierte Ackermann bis 1973 an der Universität St. Gallen. Sein Studium schloss er mit einem Lizentiat in Bankwirtschaft ab. Danach ging er 1977 zur damaligen Schweizerischen Kreditanstalt (SKA), der späteren Credit Suisse). Für die SKA war er in Lausanne, New York und London tätig. Ab 1990 war er Mitglied in der Geschäftsleitung, und 1993 wurde er zum Vorsitzenden gewählt.

Damit war er eigentlich der Chef der Kreditanstalt. Doch in der Praxis war er bestenfalls die Nummer zwei, denn die SKA war nur eine Tochtergesellschaft der Credit Suisse Holding, und da thronte Rainer E. Gut als Präsident und Konzernchef.

In Ackermanns Amtszeit fiel die Übernahme der Schweizerischen Volksbank von 1993, die wenig später komplett in der Credit Suisse aufging. Diesen Deal zogen Ackermann und Gut gemeinsam durch.

Ein irreparables Zerwürfnis

Es galt als ausgemacht, dass Ackermann bald Guts Nachfolger würde, doch dann kam es zum grossen Krach. Im Juli 1996 verliess Ackermann die Credit Suisse, und Gut sprach bis kurz vor seinem Tod im vergangenen Herbst kein Wort mehr mit ihm. In seinem Buch beschreibt Ackermann, wie es dazu kam:

«Das Jahr 1996 wurde für mich zu einem Schicksalsjahr. Mit 48 Jahren stand ich plötzlich an einem Scheideweg. Grund dafür war das irreparable Zerwürfnis zwischen Rainer E. Gut und mir.

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Mutter Margrith und Vater Karl mit den Kindern Karl, Daniel und Josef Ackermann (2. von rechts).
Joe Ackermann als Zünfter beim traditionellen Zürcher Sechseläuten.

Viele Faktoren dürften eine Rolle gespielt haben. Aus meiner Sicht als CEO war es untragbar, dass Gut an jeder SKA-Geschäftsleitungssitzung teilnahm. Alle wussten, dass er am Schluss die Höhe der Boni entscheiden würde. Auch wenn eine gute Absicht dahinterstand, war es für meine Position und das Team-Building schwierig. Auch in anderen Belangen fiel es ihm schwer, loszulassen.

Hinzu kam, dass ich zwar die Bank führte, aber Gut als CEO und VR-Vorsitzender in der übergeordneten Holding, in der ich im Board sass, das Sagen hatte. Auf allen Ebenen schienen mir die Hände gebunden zu sein. So meinte der Chef der Investmentbank Allen Wheat: «Du weisst, was zu tun ist, ich weiss es, lass es uns machen.» Er meinte die Integrationsstrategie.

Eine Gruppe von Managern – das Fachmagazin Schweizer Bank sprach einmal von Jungtürken – drängte auf einen radikalen Umbau des Finanzkonglomerats mit einer Integration der Tochtergesellschaften.

Aus dem Radio vom Übernahmeversuch erfahren

Als ich dann aus dem Radio erfahren musste, dass Gut in einem spektakulären Coup die Bankgesellschaft übernehmen wollte, war dies eine herbe Enttäuschung. Die SonntagsZeitung hatte in diesem Zusammenhang Gut scharf attackiert, worauf die Parole ausgegeben wurde: Mit der SonntagsZeitung machen wir nichts mehr und schalten auch keine Anzeigen mehr.

Unser Leiter der Unternehmenskommunikation Jörg Neef sagte zu mir, das könne man nicht machen, weil es sich um ein wichtiges Medium handle. Ich gewährte der SonntagsZeitung daher ein Interview und Gut kritisierte mich und Kommunikationschef Neef daraufhin als «unkollegial». Ausgerechnet mit jenen zu reden, die ihn heftig kritisiert hatten, musste ihn hart getroffen haben.

Gut war persönlich unglaublich empfindlich und sah das Ganze vermutlich als Affront. Der Druck auf ihn war nach dem gescheiterten Übernahmeversuch immens. Dann erreichten uns Briefe, in denen empfohlen wurde, mich auf der nächsten Generalversammlung zum neuen Vorsitzenden zu wählen. Ich reagierte fair und zeigte Gut diese Schreiben. Für mich war das zum damaligen Zeitpunkt gar keine Option gewesen.»

Der endgültige Bruch

Als Peter Küpfer, Chef der Konzerntochter Bank Leu, anlässlich seiner Kündigung Gut mitteilte, dass auch Ackermann ihm gegenüber kritisch eingestellt sei, galt das in Guts Augen als Verrat. Ackermann schreibt dazu:

«Von da an war die Atmosphäre gereizt und spannungsgeladen. Es war fast wie in einer Ehe, die zu Ende gegangen ist. Wir hatten nie Streit, es war nie laut, aber irgendwie war Schluss. Als McKinsey-Berater dann eine neue Struktur initiierten, in der die traditionelle starke SKA-Kultur aufgebrochen und sogar zerschlagen werden sollte, war es endgültig aus.

Ich hätte zwar das prestigeträchtige Investmentbanking führen sollen, fand aber die vorgesehene Struktur grundsätzlich falsch, wie ich im Kündigungsschreiben darlegte. Als Folge hielten eine exzessive Bonuskultur und eine geringere Risiko- und Akquisitionsdisziplin Einzug.

Bereits 1998 erlitt die CS in Russland Schiffbruch, als während der Rubelkrise durch sogenannte «carry trades» die russischen Anleihen massiv an Wert einbüssten und der Bank einen Milliardenverlust bescherten.

Im Nachhinein bin ich überzeugt, dass diese Umstrukturierung der Kardinalfehler der CS war, der schliesslich zum Untergang führte. Nachdem Rainer E. Gut mir Monate zuvor gesagt hatte, dass er mich als Nachfolger sehe, war meine Opposition gewagt, aber richtig. Ich habe es nie bereut.

Ich empfand immer stärker, dass Gut nicht mehr hinter mir stand. Auf beiden Seiten fand man dann wohl Argumente und Indizien, die die jeweilige Sicht bestätigten. Das Ergebnis war meine innere Kündigung. Natürlich sahen andere Kollegen in der neuen Struktur Aufstiegschancen für sich selber, sodass auch der Teamgeist auf der Strecke blieb.

Heute höre ich, dass man damals wohl besser zusammengestanden hätte. Ehemalige Manager sagen heute oft: «Hätten wir damals deine Seite unterstützt, stünde das Haus heute viel besser da.» Dann wäre es vielleicht nicht so weit gekommen, dass die älteste Grossbank der Schweiz durch eine Zwangshochzeit von der UBS übernommen wurde.

Ende Juni 1996 unterschrieb ich meine Kündigung. Mein Nachfolger sollte McKinsey-Berater Lukas Mühlemann werden. Er musste nach fünf Jahren das Handtuch werfen.

MüHLEMANN Lukas,
CEO und VRP der CS an der CS Bilanz PK

Gut und ich haben jahrelang nicht mehr miteinander geredet. Sogar während der Beerdigung eines Kollegen ging er mir aus dem Weg. Erst wenige Monate vor seinem Tod haben wir uns zufällig in der legendären Kronenhalle (in Zürich) getroffen und führten ein kurzes freundliches Gespräch.

Was auf den ersten Blick wie eine Niederlage wirkte, entpuppte sich schnell als Sprungbrett für grössere Aufgaben. So, wie man beim Skilaufen nach einem Sturz aufsteht, den Schnee abschüttelt und ohne denselben Fehler zu wiederholen einfach weiterfährt. Doch diese Erkenntnis kam erst hinterher.

Als ich nach Hause kam, lief mir unsere zwölfjährige Tochter ganz aufgeregt entgegen und rief: «Papi, was machst du jetzt, was machen wir, wovon leben wir jetzt?» Sie war entsetzlich besorgt und meinte wohl, die Welt geht unter. Ich versuchte, sie mit dem Hinweis zu beruhigen, dass ich schon irgendeine Arbeit finden würde. Und so sollte es auch kommen.»

TA 27.12.2004 : Düsseldorf,
Bildtext: Deutsche Bank Chief Executive Josef Ackermann shows a victory before his trial in a Duesseldorf courtroom January 21, 2004. Ackermann and five co-defendants appeared in court in Mannesmann's hometown of Duesseldorf for the formal opening of Germany's highest profile corporate trial, which could result in Ackermann being jailed for up to 10 years if found guilty. REUTERS/Oliver Berg/Pool

Noch im selben Jahr wurde Ackermann Mitglied der Geschäftsleitung der Deutschen Bank. Im Mai 2002 folgte er auf Rolf-Ernst Breuer als Vorsitzender der Konzernleitung, was er bis Ende Mai 2012 blieb.

In diese Zeit fiel der Mannesmann-Prozess, der berühmt wurde, weil sich Ackermann mit dem Victoryzeichen fotografieren liess. Angeklagt war er wegen Untreue. Ackermann gewann den Prozess, bereut aber die Geste.

Genauso wie die teilweise starke Nähe zu Wladimir Putin und seinen Oligarchen. Dazu schreibt Ackermann:

«Putin ist eine bittere Enttäuschung für mich. Es ist wahrlich erschütternd, (…) wie militaristische Mittel und kranke Methoden wie perverse Giftattentate überhandgenommen haben. Eine ‹Spezialoperation›? Es ist ein barbarischer Krieg. Das bedeutet Tod, Verderben und Zerstörung. Unfassbar.»

Bittere Pille Credit Suisse

Als ehemaliger Chef der Kreditanstalt hat Ackermann das Ende der Credit Suisse stark aufgewühlt. Er schreibt dazu:

«Die Lektionen des CS-Fiaskos sind bitter. Ein überfordertes Management, ein in Finanzfragen wenig kompetenter Verwaltungsrat, jahrelange Schlamperei bei Compliance und Risk-Management, fehlende Kontrollen, grosse Egos und hohe Verluste, hochdefizitäre Kommunikation und mangelhaftes Geschäftsmodell haben alle zu dem Debakel beigetragen.

Geradezu peinlich, wie sich Ex-CEO Tidjane Thiam in der Financial Times per Eigenlob von seinen gravierenden Fehlern und Pannen reinzuwaschen versuchte.

Aber auch Finma, SNB und die Classe Politique waren überfordert. Warnzeichen gab es genug, hart eingegriffen wurde nicht. Schritt für Schritt wuchs die Gefahr, die Botschaften nach aussen lauteten dagegen: alles im grünen Bereich.

Einmal mehr zeigt sich, dass solide Daten wie Eigenkapital oder Liquiditätspuffer bei dramatischen Krisen wie Bank Runs oder Kurseinbrüchen nicht viel zählen. Ein Vertrauensverlust als Hauptursache ist durch keine Statistik wettzumachen. Durch Schönreden und Beschwichtigen schon gar nicht.

Der gute Wille allein reicht nicht. Übersicht und Weitsicht sind unverzichtbar, spezielle Kenntnisse und Einholen von Expertise ebenso. Klar wird auch, dass die Finanzmarktaufsicht (Finma) zu wenig Kompetenzen und zu wenig Biss hat. Die Finma kann ein Management nicht einfach auswechseln. Sie kann nicht einmal wie andere ausländische Schwesterorganisationen massive Bussen und Strafzahlungen verhängen. Die Öffentlichkeit wird nur über ausgewählte Verfahren informiert.»

Ein Damoklesschwert, das nie fallen darf

Laut Ackermann hätte das Ende der Credit Suisse nicht sein müssen. Er schreibt:

«Eine teilstaatliche Lösung mit energischem Eingreifen und klarer politischer Botschaft hätte den Entscheidungsträgern Zeit verschafft – und andere Optionen eröffnet. (…)

Meine grösste Enttäuschung beim Untergang der Credit Suisse war die fehlende Zusammenarbeit und Kohäsion zwischen Politik und Finanzwirtschaft (…) Keiner der Verantwortlichen konnte oder wollte mit krisenerprobten Spezialisten aus der Bankenbranche reden. Rat war nicht gefragt. Kein guter Ansatz. (…)

Dasselbe gilt für den neuen Koloss UBS/CS. Diese für schweizerische Verhältnisse Megabank ist eindeutig «too big to fail». Wenn die Riesenbank UBS/CS je ins Straucheln kommen sollte, wird man die jetzt gewählte Ausrichtung auf eine einzige Grossbank anders bewerten. Auch aus der Sicht der Steuerzahler und Stimmbürger stellt die UBS/CS mit einer solchen Grösse ein Damoklesschwert dar, das nie fallen darf.»

Josef Ackermann: Mein Weg. Langen-Müller-Verlag, München 2024. 460 Seiten, 38.90 Franken