Der Staatsanwalt ermitteltCorona-Verstösse: Lazio Rom wird zum Gerichtsfall
Auswärtsspiele statt Quarantäne, Training statt Isolation: Der Umgang mit Corona-positiven Spielern und die Auslegung der Regeln bringen den Spitzenclub nun vor Gericht.
Bis zuletzt hatte man auf einen Vergleich gehofft, etwas Aussergerichtliches. Vielleicht eine Geldstrafe, notfalls auch eine gesalzene. Claudio Lotito, der Vereinspräsident von Lazio Rom, soll sich am Montag noch heimlich mit den Ermittlern getroffen haben, für einen allerletzten Versuch. Doch die liessen sich nicht erweichen. Gegen Lazio, den Vorsitzenden Lotito und zwei Vereinsärzte wird es einen Prozess vor dem Gericht des italienischen Fussballverbands geben, wohl ab März. Es wird ihnen vorgeworfen, im vergangenen Herbst die Regeln des Corona-Protokolls missachtet zu haben. In mehreren Fällen.
Es drohen Bussen, Punkteabzüge, im Höchstfall sogar der Ausschluss aus der Serie A. Lotito persönlich könnte seinen Sitz als Ratsmitglied im Verband verlieren, für immer. «Erdbeben Lazio» titelt der «Corriere dello Sport», die Sportzeitung der Römer. Und das Lokalblatt «Il Messaggero» schreibt: «Die Hölle der Tests ist noch nicht überstanden, sie droht gar, Lazio zu überwältigen.»
Das Testlabor des Vertrauens
Die Ermittlungen des Verbandes begannen Ende Oktober 2020. Damals kam der Verdacht auf, dass Lazio Spieler, die positiv getestet worden waren, oder Spieler, die in Kontakt mit positiv getesteten Personen waren, nicht in Quarantäne geschickt und in einigen Fällen aufgeboten hatte. Und das kam so: Als einziger Verein der Serie A hatte Lazio ein Labor ausserhalb seiner Region mit den Testverfahren beauftragt, bei der Futura Diagnostica im süditalienischen Avellino. Offenbar war es dort billiger, und das Labor hatte Kapazitäten frei. Ausserdem wurden dort auch die Abstriche der Salernitana aus der Serie B ausgewertet, und die gehört ebenfalls Claudio Lotito.
Ciro Immobile reiste mit nach Turin, obschon er in Quarantäne hätte sein müssen.
Für Verwirrung sorgte, dass Spieler, die für die Futura Diagnostica als «negativ» galten, bei den Tests des Uefa-Labors vor den Champions-League-Spielen gegen Brügge und Zenit St. Petersburg «positiv» waren. Trainer Simone Inzaghi liess für die europäischen Begegnungen jeweils die halbe Mannschaft draussen. Doch für Trainings und für die Spiele in der Meisterschaft bot er die meisten von ihnen trotzdem auf. Im Visier der Justiz steht unter anderem das Spiel Torino gegen Lazio vom 1. November: Ciro Immobile, als Torjäger ein wichtiger Mann im Team, reiste mit, obschon er in Quarantäne hätte sein müssen. Er wurde in der zweiten Halbzeit eingewechselt und erzielte ein Elfmetertor. Lazio gewann 4:3. Auch gegen Juve war mindestens ein Spieler dabei, der gemäss Protokoll nicht hätte dabei sein dürfen.
«Fahrlässige Herbeiführung einer Epidemie» wird untersucht
Die Ermittler werfen dem Verein und seinen Verantwortlichen nun vor, sie hätten die positiven Tests nicht wie gefordert den zuständigen Gesundheitsbehörden gemeldet und damit mutwillig die Anstrengungen aller hintertrieben, einen einigermassen sicheren Betrieb zu garantieren. Lazio kontert, das Melden sei nicht Aufgabe des Vereins gewesen, sondern jene des medizinischen Labors. Um die Futura Diagnostica kümmert sich schon die ordentliche Strafjustiz der Republik, nämlich die Staatsanwaltschaft von Avellino: Sie untersucht, ob dem Labor «fahrlässige Herbeiführung einer Epidemie» nachgewiesen werden kann.
Dieser gravierende Tatbestand wird von der Sportjustiz im Verfahren gegen Lazio nicht verhandelt. Doch es ist nicht ausgeschlossen, dass er in einer späteren Phase aufkommen könnte, sofern die Sportrichter das Verhalten Lotitos, der Ärzte und des Vereins als vorsätzlichen Regelbruch erachten. Und dann wäre das «Erdbeben Lazio» richtig gross.
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