Kolumne «Dorfgeflüster»Corona-Verarbeitung am Lützelsee
Fast 22 Monate ist es her, als in Hombrechtikon eine der kuriosesten Corona-Massnahmen verordnet wurde. Irgendwie schwirrt diese immer noch in den Köpfen rum.

Wir waren wütend, eingeschüchtert, deprimiert, kurz hoffnungsvoll, dann umso zorniger, verwirrt, apathisch: Die letzten zwei Corona-Jahre haben uns richtig durchgeschüttelt. Wie auf einer Achterbahn. Keiner, die uns Freude bereitet. Eher einer, die uns schwindlig macht im Kopf. Und uns nicht so schnell vergessen lässt.
Ein Beispiel: Jedes Mal, wenn ich an den Lützelsee komme, muss ich an den 1. April 2020 zurückdenken. Als der Gemeinderat verordnete, dass man Hombrechtikons Lieblingsoase vorübergehend nur noch im Uhrzeigersinn umrunden durfte, um Ansteckungen zu verhindern. Die Massnahme war derart abstrus, ja beinahe kultig, dass viele sie für einen Aprilscherz hielten.
Mit dieser Erinnerung im Kopf achte ich nun jedes Mal darauf, in welche Richtung die Menschen laufen. Und siehe da: Zuletzt beobachtete ich fast nur Spaziergänger, die im Gegenuhrzeigersinn den See umrundeten. Zufall? Wahrscheinlich. Doch ich habe eine andere Theorie. Vielleicht entschieden sich diese Leute bewusst, die andere Richtung einzuschlagen. Konträr zu der kurzlebigen Corona-Massnahme.
Wie lautet die Devise in der Psychologie? Wer Höhenangst hat, muss in die Höhe gehen und sich dieser stellen. Und wer seelisch angeschlagen ist, der muss versuchen zu verarbeiten. Wir alle haben Jahre voller Probleme hinter uns, mussten auf vieles verzichten. Darum machen wir jetzt Dinge, die wir zuletzt nicht machen durften. Den Lützelsee anders umrunden: Das ist doch eine solche Option.
Zugegeben, dies ist etwas weit hergeholt, schliesslich hat die Massnahme bei niemandem gleich ein Trauma ausgelöst. Aber sie steht dennoch für ein Kapitel der Corona-Krise. Und wie sagt man bei der seelischen Verarbeitung? Man muss mit kleinen Schritten beginnen.
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