Entwarnung aus BrüsselEMA: AstraZeneca-Impfstoff «sicher und wirksam» – es wird weitergeimpft
Die europäische Arzneimittelbehörde hält an ihrer Empfehlung für das Vakzin des britisch-schwedischen Herstellers fest; man sehe kein erhöhtes Blutgerinnsel-Risiko. Der Impfstoff soll nun aber mit einem Warnhinweis versehen werden.
Die europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) hält am Corona-Impfstoff von AstraZeneca fest. «Unsere wissenschaftliche Haltung ist, dass dieser Impfstoff sicher ist und eine wirksame Möglichkeit ist, um Bürger vor Covid-19 zu schützen», sagte EMA-Leiterin Emer Cooke am Donnerstag. Wenn es um sie ginge, «würde ich mich morgen impfen lassen», fügte Cooke hinzu. Die Vorteile des Vakzins würden die Risiken übersteigen, teilte die Behörde am Donnerstag mit.
Anlass der Empfehlung waren Berichte über Blutgerinnsel, die bei mehreren Patientinnen und Patienten nach einer Impfung auftraten. Mehr als ein Dutzend europäische Länder setzten die Impfungen mit dem Vakzin deshalb vorerst aus, darunter Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien.
In der Schweiz hat Swissmedic den Impfstoff von AstraZeneca noch nicht zugelassen, aber das Bundesamt für Gesundheit hat 5,3 Millionen Dosen bestellt.
Für Risiken und Nebenwirkungen…. die Packungsbeilage
Die EMA-Leiterin Emer Cooke sagte, die Behörde könne nicht definitiv ausschliessen, dass es eine Verbindung zwischen dem Impfstoff und dem seltenen Typ von Blutgerinnseln gebe. Die EMA empfehle daher, eine Beschreibung dieser Fälle in die Beipackzettel für den Impfstoff zu geben, damit die Thrombosefälle den Mitarbeitern des Gesundheitswesens und Patienten bekannt seien. Cooke betonte, in klinischen Studien habe das Mittel eine Wirksamkeit von mindestens 60 Prozent gezeigt. Hinweise in der «echten Welt» deuteten daraufhin, dass die Wirksamkeit vielleicht noch höher sei. (Lesen Sie dazu auch: Die Vielfalt der Thrombosen.)
Kurz vor der EMA hatte die britsche Arzneimittelaufsicht erklärt, es sei nicht nachgewiesen, dass das Vakzin die Reaktion ausgelöst habe. Die Behörde sprach sich für die weitere Verwendung aus. Auch die Weltgesundheitsorganisation WHO und der Pharmakonzern selbst hatten keine Hinweise festgestellt und empfohlen, die Impfungen mit dem Mittel fortzusetzen.
Auch WHO hält am Vakzin fest
In dieser Woche hatte Cooke in Bezug auf die Debatte über AstraZeneca erklärt: «Wir sind besorgt, dass es Auswirkungen auf das Vertrauen in die Impfstoffe geben könnte.» Priorität für die Behörde habe die Bestätigung, dass das Produkt sicher sei. Da das Coronavirus in Europa täglich noch immer viele Menschen betreffe, seien Impfstoffe zentral, um die Ausbreitung aufzuhalten.
Die WHO wollte am Mittwoch trotz der Fälle von Blutgerinnseln vorerst an dem Corona-Mittel festhalten. Man prüfe die Entwicklung genau, sei aber nach derzeitigem Stand der Ansicht, dass die Vorteile des Impfstoffs die Risiken überwögen.
Selbst wenn eine Verbindung zu dem Vakzin nachgewiesen werden sollte, sei das medizinische Phänomen «sehr selten», erklärte Kate O’Brien, Chefin der WHO-Abteilung für Immunisierungen und Impfstoffe, am Mittwoch in Genf. Im Allgemeinen seien Empfehlungen für Impfstoffe aber eine dynamische Sache. Dies bedeute, dass sie über Tage, Monate und Jahre überprüft würden. Wichtig sei, dass man bei gravierenden Symptomen – ob geimpft oder nicht – medizinische Behandlung in Anspruch nehme, ergänzte O’Brien.
In den EU-Ländern soll wieder gespritzt werden
Als Reaktion auf die Empfehlung der EMA hat der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn die weitere Verwendung des AstraZeneca-Impfstoffs genehmigt – allerdings mit Warnhinweisen. Die Impfungen mit dem Präparat sollten noch im Laufe des Freitags wieder aufgenommen werden, sagte Spahn am Donnerstagabend in Berlin. Die Impfwilligen sollten über Risiken informiert werden.
Auch in Frankreich wird der Corona-Impfstoff von AstraZeneca ab Freitag wieder verabreicht. Das Gutachten bestätige, dass der Impfstoff nicht nur hochwirksam, sondern auch sicher sei, sagte Frankreichs Premierminister Jean Castex am Donnerstagabend. Er wolle sich selbst direkt am Freitagnachmittag mit dem Präparat impfen lassen, kündigte der Regierungschef an. Damit wolle er zeigen, dass man volles Vertrauen in den Impfstoff haben könne.
Der italienische Ministerpräsident Mario Draghi begrüsste die Entscheidung der EMA und kündigte an, in seinem Land werde bereits ab Freitag wieder mit dem Vakzin von AstraZeneca geimpft.
Spanien will die Impfungen voraussichtlich ab kommenden Dienstag wiederaufnehmen. Das habe das Gesundheitsministerium den Regionen vorgeschlagen, berichtete die Zeitung «El País» am Donnerstagabend. Voraussichtlich solle der Impfstoff auch für Menschen über 55 Jahre freigegeben werde
Inmitten schnell steigender Corona-Zahlen hat auch Bulgarien die Fortsetzung seiner Impfkampagne mit Dosen von AstraZeneca angekündigt. «Schon morgen wird der Impfstoff auch bei uns angewandt werden», sagte der Chef der bulgarischen Arzneimittelagentur, Bogdan Kirilow, am Donnerstag in Sofia.
In der EU ist der AstraZeneca-Impfstoff seit Ende Januar für Menschen ab 18 Jahren zugelassen. Es war der dritte Corona-Impfstoff, der eine EU-weite Zulassung erhielt. Er ist günstiger und leichter lagerbar als die beiden zuvor zugelassenen Vakzine von Biontech/Pfizer und Moderna und spielt in den Impfplänen vieler Länder eine entsprechend grosse Rolle.
afp/sda/red
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