Aerosole aus der Luft saugenCorona zerstörte fast seine Eventfirma – jetzt bodigt er Corona
Die Air Cleaner AG und ihr Gründer Pascal Calzaferri reiten auf der Erfolgswelle dank ihrer Luftreiniger. Denn die Geräte tilgen auch Coronaviren.
Für Unternehmer Pascal Calzaferri schien die Corona-Pandemie als finanzielles Desaster zu enden. Denn seine Firma vermietete Möbel für Events und Messen – bis Corona kam. Ohne Events musste der 43-Jährige umsatteln.
Im Produkteportfolio fanden sich schon damals UV-C-Luftreiniger. Calzaferri entschied sich kurzerhand, die Air Cleaner AG zu gründen und seinen Fokus komplett auf Luftreiniger zu richten. Er entwickelte die Geräte weiter und hat nun sechs Varianten davon im Angebot. Die UV-C-Luftreiniger saugen Coronaviren und andere Keime aus der Luft und tilgen sie mittels UV-C-Licht. Die Nachfrage ist gross: «Wir haben im November und Dezember so viel verkauft wie noch nie», freut sich Calzaferri.
So funktionieren Calzaferris UV-C-Luftreiniger
Luft aus der Umgebung wird angesaugt und in ein Gefäss gepresst. Innerhalb des Reinigers ist eine UV-C-Lampe angebracht. Diese bestrahlt die Luft im Gefäss und greift so die Viren und Keime an. Die saubere Luft wird dann wieder ausgestossen. Die Air-Cleaner-Produkte tilgen bis zu 99,999% der Viren, die eingesaugt werden. Ein Problem von UV-C-Licht ist jedoch, dass es bei direktem Kontakt sehr gefährlich für die Augen oder die Haut sein kann. Deshalb wird bei Air Cleaner die Strahlung im Innern von einer Brennkammer abgeschirmt. Produziert wird in Attikon und in Galmiz in Freiburg. Das günstigste Modell kostet gut 5000 Franken, das leistungsstärkste 12’000 Franken.
Das Problem mit den Aerosolen
Nun hören sich die 99,999% im ersten Moment sensationell an. Ist das die Lösung, um die Corona-Pandemie zu beenden? Ganz so einfach ist es nicht. Hier kommen die sogenannten Aerosole ins Spiel. Diese sind die mikroskopisch kleinen Tröpfchen, die man beim Atmen oder Sprechen ausstösst und mit denen man auch das Coronavirus verbreitet. Diese Aerosole schweben nach dem Ausstossen in der Luft.
Es werden nun nicht 99,999% aller Viren in der Raumluft getilgt, sondern nur jene, die effektiv eingesaugt werden. Je nach Stärke des Luftreinigers dauert es eine gewisse Zeit, bis die gesamte Raumluft durch den Reiniger gesogen wurde. Bis dann können schon wieder neue Aerosole von Personen im Raum ausgestossen werden.
«In allen Ess-, Aufenthalts- und Sitzungsräumen der Klinik werden die UV-C-Luftreiniger eingesetzt.»
Es gibt unterschiedlich leistungsfähige Geräte. Welches man braucht, hängt stark von der Raumgrösse, der Anzahl Personen und der Aktivität im Raum ab. Der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein empfiehlt, dass ein Luftreiniger pro Person im Raum mindestens 30 Kubikmeter Luft pro Stunde entkeimen können muss. Je nach Tätigkeit der Menschen im Raum kann ein höherer Wert empfohlen werden.
Lesen Sie dazu: Warum Sie sich nicht vor dem Türgriff fürchten müssen.
Solche Luftreiniger können andere Hygienemassnahmen nicht ersetzen. Das bestätigt auch Calzaferri. Doch würden seine Maschinen die Aerosole bei einer Sitzung mit acht Teilnehmern «locker absaugen können». Er hat eine Studie beim Münchner Fraunhofer-Institut in Auftrag gegeben, die die Wirksamkeit in Realsituationen nachweisen soll.
Unter den Kunden ist unter anderem die Privatklinik Aadorf. Direktor Stephan Trier ist überzeugt von den Produkten. Der Betrieb wollte sich zusätzlich zu den bestehenden Hygieneregeln besser gegen Aerosole schützen. «Deshalb werden in allen Ess-, Aufenthalts- und Sitzungsräumen der Klinik die UV-C-Luftreiniger eingesetzt.»
«Das Ansteckungsrisiko von Angesicht zu Angesicht wird nicht reduziert.»
Ein Experte sieht das Thema Luftreiniger kritischer. Heinz-Jörn Moriske ist Leiter der Kommission für Innenraumlufthygiene beim deutschen Umweltbundesamt und beschäftigt sich mit verschiedensten Systemen zur Luftreinigung. Er sieht grosse Unterschiede in der Qualität der einzelnen Angebote. Von Billigprodukten rät er gänzlich ab. Aber auch hochwertige Reiniger seien nur bei der indirekten Ansteckungsgefahr über Aerosole sinnvoll. «Das Risiko von Angesicht zu Angesicht wird überhaupt nicht reduziert.» Deshalb dürfe auf keinen Fall auf andere Massnahmen wie Abstandhalten, Masketragen und Stosslüften verzichtet werden.
Moriske findet aber den Einsatz von qualitativ hochwertigen Luftreinigern besonders in Arztpraxen sinnvoll. Dort gehen erkrankte Personen ein und aus, weshalb die Luftreinigung als zusätzliche Massnahme geeignet sei. Auch hier soll nicht auf regelmässiges Lüften verzichtet werden.
Aerosole – vernachlässigtes Thema beim Bund?
Calzaferri geht davon aus, dass uns die Pandemie noch lange beschäftigen wird. Gerade deshalb müsse man in der Schweiz weitere Lösungen finden, besonders in puncto Aerosole. Als er letztes Jahr seine neu entwickelten Luftreiniger testen wollte, haben dies sämtliche Schweizer Labore abgelehnt. Erst das deutsche Fraunhofer-Institut akzeptierte seine Bitte. Auch beim BAG stiess er auf taube Ohren, als er seine Produkte als mögliche Alternativen im Kampf gegen Corona vorstellen wollte.
«Wir haben x-mal beim BAG angerufen und wollten unsere Lösung präsentieren. Niemand hat geantwortet.»
Die fehlende Bereitschaft, sich mit den Aerosolen auseinanderzusetzen, sieht er auch bei der Kommunikation des Bundes. Die Leute wüssten immer noch viel zu wenig darüber, wie Aerosole eigentlich funktionieren und wie sie verbreitet werden. Hier müsse der Bund stärker aufklären, meint der Unternehmer.
Die Forschung hat sich dies bereits zur Aufgabe gemacht: Arbeitshygieniker und Risikoforscher Michael Riediker hat zur besseren Aufklärung ein Tool modelliert, mit dem man gleich selber die Ansteckungsgefahr durch Aerosole je nach Situation ausrechnen kann.
Fehler gefunden?Jetzt melden.