SRF-Sendung «Politik auf dem Teller» Unfreiwillig komisch
Der «Club» versammelt Schweizer Politgrössen am Herd – und verrennt sich damit irgendwo zwischen «Landfrauenküche» und «Markus Lanz».
«Lavare questo, e poi muess das in Chüelschrank.» Grünen-Präsident Balthasar Glättli ist im Element, führen und viel reden, das scheint ihm zu behagen. «Non c’è posto, es hat keinen Platz», meldet Mitte-Chef Gerhard Pfister vom Kühlschrank zurück, und Marco Chiesa, der SVP-Präsident aus dem Tessin, dessentwegen hier alle ihr Schulitalienisch spazieren führen, zuckt mit den Schultern und lächelt.
Der «Club» ist in der Sommerpause, und statt in der Diskussionsrunde versammelt die Sendung Politikerinnen und Politiker während der nächsten Wochen in der Küche. Den Auftakt machen am Dienstag die Parteipräsidenten, die in zwei Teams gegeneinander ankochen, mit einem möglichst landestypischen Menü, befragt von den angestammten Barbara Lüthi und Mario Grossniklaus, bewertet von zwei Profis.
Das Experiment einer politischen Kochshow
Noch viel schweizerischer als die krampfhaft helvetisierten Älplermagronen, die die beiden Teams unabhängig voneinander als das repräsentativste Landesmenü auserkoren haben, muten so Szenen wie die in der Ecke von Küchenchef Glättli an. In der Küche gegenüber wirken FDP-Präsident Thierry Burkart, GLP-Chef Jürg Grossen und Mattea Meyer, Co-Präsidentin der SP, in einer etwas weniger hierarchisch organisierten Runde.
Die simple Erkenntnis, dass alles rund ums Essen politisch ist, dient als Aufmacher für diese Sendung, die die erste politische Kochshow sein will, sich aber irgendwo zwischen dem Dekor einer «Landfrauenküche» und der schnappatmigen Statement-Kultur von Diskussionssendungen wie «Markus Lanz» einpendelt.
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Die Aufmachung hat experimentellen Charakter. Als Zuschauer checkt man zu Beginn noch einmal die Tonspur, rüttelt am Fernseher: Muss das wirklich so? Der bekannte, newsige «Club»-Jingle wirkt, als wäre er versehentlich unter die Bilder aus dem TV-tauglichen Kochstudio gerutscht, eine echte Ton-Bild-Schere.
Ganz grundsätzlich ein Problem: die unterschiedliche Auffassung von Ernsthaftigkeit. Die Seriosität, mit der die Moderierenden bei den Teams nachfühlen, ob sie in der Küche mit ähnlicher Strategie wie im Bundeshaus vorgehen, kommt bei den Politikern nicht an, weil sie sich auf einen lockeren Abend, auf eine Sendung am Herd und nicht am Rednerpult eingestellt haben. So kommt nicht ganz heraus, in welche Richtung es gehen soll: Unterhaltung oder Information?
Was isst der Papst?
Es wird ein holpriger Mittelweg. Die beiden Experten hätten eine Menge Interessantes zu erzählen, nur bekommen sie dafür kaum Zeit – wie auch, wenn alle Vorsitzenden der regierenden Schweizer Parteien eingeladen sind, von denen man sich in der Sommerpause knackige Statements verspricht. David Höner ist Koch, Schriftsteller und Journalist, als Gründer der Hilfsorganisation «Cuisine sans frontières» setzte er sich auch schon mit verfeindeten Stämmen in Kenia an einen Tisch. Und David Geisser begann als Schweizer Gardist in Rom, bevor er sich unter Papst Benedikt zu dessen Koch hocharbeitete und auch Papst Franziskus versorgte. Dessen Lieblingsessen: Dulce de leche.
Und so sind es die unfreiwillig komischen Dialoge, die einen einigermassen durch den noch etwas länger als üblich geratenen «Club» tragen. «Herr Glättli, was machen Sie da?», fragt Lüthi einmal irritiert, als er unerklärlich viel kochendes Wasser vom modernen Durchlauferhitzer zapft und die ganze Gruppe in eine Dampfwolke hüllt. «Herr Glättli macht heisse Luft», sagt Pfister trocken.
Irgendwann sind die Magrönli al dente, es wird gegessen, und sozusagen zum Dessert schneiden Lüthi und Grossniklaus – nach 60 Minuten Sendezeit – noch rasch die nächste Bundesratswahl an. «Wir sind an einem Sitz interessiert, aber man sollte nicht mit vollem Mund essen», sagt der Grüne Glättli und sorgt mit dem unabsichtlichen Versprecher für ein weiteres Bonmot.
Wer sich an den Dienstagabenden regelmässig durch langatmige «Club»-Abende kämpft, für den ist diese Kochrunde eine angenehme Abwechslung. Wer in den Auseinandersetzungen Tiefe erwartet, wird enttäuscht. «Sie ist am Essen», sagt Moderatorin Lüthi einmal entschuldigend für die kontrovers befragte SP-Meyer – und ortet dabei unfreiwillig ein zentrales Problem der Sendung.
Was bleibt, sind viel zu offene Fragen, die viel zu viel Raum für sprachbildwütige Politiker bieten. «Was wünschen Sie sich für eine Schweiz?» ist so eine – GLP-Präsident Grossen kann darauf ungestraft worthülsern: «Dass wir auch in Zukunft alle an einem Tisch sitzen können.»
Den Sieg schliesslich sichert sich das Team um Küchenchef Glättli, die beiden Experten sind sich einig. Verlierer und FDP-Präsident Burkart schliesst mit einem der lichteren Momente der Sendung, als er erwähnt, dass die Politik manchmal vergesse, wer am Ende wirklich essen müsse, was sie koche. Und wer bitte schön löffelt die etwas schal schmeckende Suppe dieser Sendung aus? Eben.
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