Software-VersionenChrome wird 100
Googles Browser hat eine dreistellige Versionsnummer. Ist das ein greifbares Zeichen für Fortschritt oder bloss Marketing? Und sind Apples sprechende Produktnamen besser?
Nach knapp zwölf Jahren und unzähligen Versionen ist es so weit: Google hat bei seinem Browser die Versionsnummer 100 erreicht. Seit Dienstag wird diese Version über die Update-Funktion ausgeliefert.
Nun würde man annehmen, dass sich Google für diesen Meilenstein etwas habe einfallen lassen: eine grossartige neue Funktion, einen technologischen Durchbruch – ein greifbares Zeichen des unaufhaltsamen Fortschritts, das uns Nutzer in Feierlaune versetzt.
Aber nein: Die Verbesserungen sind so marginaler und technischer Natur, dass sie an dieser Stelle noch nicht einmal aufgezählt werden müssten. Die einzig nennenswerte Neuerung ist das überarbeitete Logo. Doch auch bei dem sind die Änderungen so dezent ausgefallen, dass sie vielen Leuten nicht auffallen werden: Der Schatten ist verschwunden, und die Farben sind eine Nuance kräftiger – mehr nicht.
Sind den Ingenieuren bei Google die Ideen ausgegangen? Oder soll das ein Statement gegen plumpen Zahlenmystizismus sein? Ein Statement für eine nüchterne, naturwissenschaftliche Betrachtungsweise, bei der auch eine runde Zahl nur eine Zahl wie jede andere ist?
Nur ja keine Blähware
Wir wissen es nicht. Aber es ruft in Erinnerung, auf welche Wege und Abwege sich die Softwarehersteller schon begeben haben, weil sie einen alten Spagat nicht auf die Reihe bekommen. Dieser Spagat besteht darin, dass eine neue Softwareversion einerseits so viele Innovationen bringen muss, dass die Nutzer die Notwendigkeit erkennen, sich dieses Update zu kaufen.
Andererseits dürfen die Veränderungen die Anwender nicht überfordern und ihnen keinen allzu grossen Aufwand fürs Umlernen aufnötigen. Und die Hersteller müssen vermeiden, unter «Bloatware»-Verdacht zu geraten: Eine Blähware ist eine Software, die mit allerlei Funktionen aufgeblasen wird, die kein Mensch braucht und die das Produkt langsam und träge machen – und bei denen es offensichtlich nur darum geht, dass die Marketingabteilung das eigene Unternehmen als Treiber des Fortschritts anpreisen kann.
Den Fortschritt zu bewirtschaften, ist eine Kunst, die nicht alle Unternehmen gleich gut beherrschen: Apple hat in den letzten Jahren eine Meisterschaft darin erlangt, die Neuerungen so gezielt zu dosieren, dass die Weltöffentlichkeit reflexartig hinhört, wenn Updates angekündigt werden – auch wenn die Produktnummern (iPhone 13, Airpods 3 Generation, iOS 15) keinen Zweifel daran lassen, dass wir längst in einem evolutionären Prozess angelangt sind, bei dem es tunlichst darum geht, nicht alles Pulver aufs Mal zu verschiessen. Beim Mac-Betriebssystem pflegt Apple die charmante Eigenheit, jeder grossen Version einen Namen zu geben. Seit einigen Jahren kommen dafür Gegenden aus Kalifornien zum Zug. Mit den ästhetisch perfekten Hintergrundbildern zu Mojave, Catalina, Big Sur und Monterey gibt es auch immer gleich visuelle Erkennungsmittel, was die Identifikation vereinfacht.
Google hat keine Idee und Microsoft keinen Plan
Auf der anderen Seite wirkt Microsoft auch nach bald fünfzig Jahren Firmengeschichte planlos: Mal hat das Unternehmen seine Produkte mit Jahreszahlen versehen (Windows 95), was dazu führte, dass sie nach Neujahr veraltet wirkten, selbst wenn sie es nicht waren. Dann hat man sich lustige Bezeichnungen wie XP oder Vista ausgedacht, was aber komplett sinnlos war, weil der Kunde nicht wie in anderen Branchen zwischen x unterschiedlich gestylten Produkten dasjenige auswählen kann, mit dem er sich identifiziert. Es gibt schliesslich kein Windows Fiesta, kein Office 959, keinen Internet Explorer Speedster und kein Skype Beetle.
Letztes Jahr hat Microsoft in einer Hauruckübung Windows 10 durch Windows 11 abgelöst, ohne dass die neue Version als echte Weiterentwicklung zu erkennen gewesen wäre. Und um das Chaos perfekt zu machen, verwendet Microsoft auch weiterhin parallel drei Schemata, um das Entwicklungsstadium anzuzeigen: Die im Oktober veröffentlichte Version von Windows 11 trug die interne Versionsnummer 21H2, war mit der Buildnummer 22000 ausgestattet und hatte den Codenamen «Sun Valley» – worauf man, frei nach Obelix, den Kopf schütteln und «Die spinnen, die Microsoft-Leute» rufen kann. Im Vergleich dazu ist Googles vertane Chance mit Chrome 100 geradezu harmlos.
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