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Aussergewöhnlicher Tennisstar
Scheitert er, schlüpft er in den Anzug und moderiert

epa10738053 Christopher Eubanks of USA reacts celebrates winning his Men's Singles 4th round match against Stefanos Tstsipas of Greece at the Wimbledon Championships, Wimbledon, Britain, 10 July 2023. EPA/TOLGA AKMEN EDITORIAL USE ONLY
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Das Tennis bringt gerade einige verblüffende Jungstars hervor. Coco Gauff gewann das US Open mit 19. Carlos Alcaraz wurde noch vor seinem 20. Geburtstag die jüngste Nummer 1 im Männertennis und hat bereits zwei Grand-Slam-Titel gewonnen. Doch für jedes Wunderkind gibt es Tausende, die auf dem Weg nach oben stecken bleiben und ihren Traum loslassen müssen. Fast wäre das auch Chris Eubanks passiert.

Der Amerikaner musste 26 werden, um in diesem Frühjahr erstmals die magische Grenze der Top 100 zu durchbrechen. «Mein Weg ist der Beweis dafür, dass sich Beharrlichkeit auszahlt», sagt der 2,01-Meter-Mann beim Gespräch in der Basler St. Jakobshalle. «Die Challenger-Tour kann sehr hart und entmutigend sein. Aber da muss man sich durchkämpfen. Ich habe einfach gewartet und gewartet und gewartet und darauf vertraut, dass es irgendwann passieren würde. Und tatsächlich wurde 2023 zum Jahr, in dem viele gute Dinge passiert sind.»

Eubanks wurde praktisch über Nacht zum Star. Er war die Feelgood-Story Wimbledons, stürmte da in den Viertelfinal und stellte mit insgesamt 331 Winnern einen Turnierrekord auf. Dabei hatte er sich, weil es mit dem Tennis nicht zu klappen schien, im Jahr zuvor bereits ein zweites Standbein als TV-Kommentator beim Tennis Channel aufgebaut. Aktuell ist er, der mit seiner Grösse über einen der besten Aufschläge verfügt und seine einhändige Rückhand nach dem Vorbild Roger Federers entwickelt hat, die Nummer 34 der Welt.

Aber wie schaffte er, nachdem er jahrelang bei zweitklassigen Turnieren herumgetingelt war, den Durchbruch? Eubanks schmunzelt. «Es ist für jeden anders. Zum einen hängt es vom Spielstil ab, zum anderen von der Persönlichkeit. Bei mir war es so, dass ich aufhören musste, das Gewinnen als einziges Ziel zu sehen. Ich brauchte eine andere Denkweise. Ich musste mir sagen: Ich werde all diese Dinge tun, die ich für richtig halte, und bin mir bewusst, dass es vielleicht trotzdem nicht klappt. Aber deshalb werfe ich nicht gleich wieder alles über den Haufen. Egal, ob ich gewinne oder verliere, ich werde es einfach eine Weile aussitzen.»

Keine einfache Aufgabe in einem Sport, in dem einen Sieg oder Niederlage täglich begleiten, in dem man jede Woche ein Zeugnis bekommt in Form des Abschneidens an einem Turnier und dem neusten Ranking. «Ich versuchte, den Prozess zu geniessen», sagt Eubanks. «Solange du gewinnst, ist das einfach. Aber wenn du verlierst, musst du darauf vertrauen, dass du das Richtige tust, um ein besserer Tennisspieler zu werden. Vielleicht nicht diese Woche, vielleicht nicht die nächste, vielleicht nicht im nächsten Monat. Aber auf lange Sicht. Und tatsächlich lief es irgendwann wie von selbst.»

Als TV-Experte wurde er zum Problemlöser

Dabei kam ihm sein Nebenjob als TV-Experte entgegen: «Es ist sehr spannend, Matches von Anfang bis zum Schluss zu schauen und erklären zu müssen, was genau abgelaufen ist. Ich verstand das Spiel dadurch besser, und das half mir, selber auf dem Court Probleme zu lösen.»

«Punkto Spielniveau ist der Unterschied zur Challenger-Tour nicht gross. Aber sonst sind es Welten.»

Chris Eubanks

Das Kommentieren ist ihm so sehr ans Herz gewachsen, dass er trotz seines inzwischen gedrängten Programms weiter dafür Zeit finden will. So tauschte er am US Open, nachdem er in Runde 2 ausgeschieden war, die kurzen Hosen mit einem Anzug und setzte sich in die Kommentatorenbox, um für den Sportsender ESPN zu berichten. Was ihm zudem half, seine frühe Niederlage zu vergessen.

Nach Jahren in der Tennisprovinz geniesst Eubanks nun das Leben auf der ATP-Tour. «Punkto Spielniveau ist der Unterschied nicht gross», sagt er. «Aber was die Infrastruktur und die sonstigen Annehmlichkeiten betrifft, sind das Welten. Es dreht sich im Tennis vieles um Beständigkeit und Professionalität. Und auf der ATP-Tour wird es einem viel leichter gemacht, professioneller zu sein, weil einem da alles dafür geboten wird.»

Eubanks erklärt: «Bei den Challenger-Turnieren muss man um jede Trainingsstunde kämpfen, die Physios sind nicht so erfahren, man kriegt nur eine Dose Bälle für den ganzen Tag. Irgendwann begann ich, die eigenen Bälle mitzubringen.» An ATP-Turnieren wie in Basel ist für alles gesorgt. Die Spieler steigen in schönen Hotels ab, können auf die besten Physios zurückgreifen und trainieren, wann sie wollen. «Viele Spieler staunen, wie das Leben hier oben aussieht, wenn sie den Durchbruch geschafft haben», sagt Eubanks.

Doch viele schaffen ihn nicht. Der Amerikaner hat diesen Teufelskreis von quälenden Niederlagen, Selbstzweifeln und schwierigen Umständen durchbrochen. Und jetzt, da er auf der höchsten Tennisbühne angekommen ist, möchte er es auch noch eine Weile auskosten.