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Zensur auf sozialen Netzwerken
China stellt Sprachwitz unter Strafe 

Widerspruch aus der Bevölkerung mag er nicht: China Präsident Xi Jinping. 
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Für ein Tier, das es in Wirklichkeit gar nicht gibt, findet man im chinesischen Internet erstaunlich viele Bilder vom Gras-Schlamm-Pferd. Mit seinem langen Hals, den kurzen Beinen und rosa Wangen sieht es ein bisschen aus wie ein Alpaka. Sein Name allerdings ist ein recht vulgäres Wortspiel, das sich eine Besonderheit in der chinesischen Sprache zunutze macht. So begnügt sich Mandarin mit knapp 400 Silben und vier Tönen, weshalb viele Wörter ähnlich oder identisch klingen. Das Gras-Schlamm-Pferd etwa setzt sich aus den drei Silben Cao, Ni und Ma zusammen. Spielt man etwas mit den Tönen, klingt der Name des niedlichen Tiers wie eine derbe Beleidigung gegen, nun ja, die Mutter des Empfängers, der Empfängerin.

2009 wurde das Gras-Schlamm-Pferd das erste Mal im chinesischen Netz gesichtet. Die Netzwelt ist auch in China ein Ort für die grossen sozialen Debatten und den privaten Frust von Menschen. Politische Sorgen hingegen werden zensiert, die staatlichen Löschkolonnen haben ihre Instrumente dafür immer weiter ausgebaut. Begriffe werden geblockt, Fotos auf sensible Inhalte gescannt und Messenger-Nachrichten gelöscht, bevor sie ihren Empfänger erreichen. Unter Parteichef Xi Jinping ist die Kontrolle des Netzes so massiv wie nie zuvor.

Jetzt soll diese noch einen Schritt weiter gehen. Die wichtigste Blogplattform Chinas, Weibo, hat angekündigt, künftig noch stärker gegen Begriffe mit mehreren Bedeutungen und absichtlich «falsch geschriebene Wörter» vorzugehen, Nutzer sind gar aufgefordert, besagte Wortkünstlerinnen und -künstler zu melden. Der Sprachwitz ist in China jetzt also unter Strafe gestellt.

Offiziell geht es um Falschinformation

Offiziell geht es dem Internetriesen Weibo um den Kampf gegen Falschinformation. Sehr viel wahrscheinlicher ist aber, dass den Behörden das Herumtanzen der Gras-Schlamm-Pferde auf ihren Nasen reicht. Denn das fiktive Wesen steht für eine Onlineprotestbewegung, die bei sensiblen Jahrestagen und unliebsamen Debatten mit Kreativität den Zensurapparat austrickst und die trockene staatliche Rhetorik ins Lächerliche zieht.

Jüngstes Beispiel: die Proteste in Henan, wo Banken über Nacht Hunderttausende Konten einfroren. Statt ihren Sparern zu helfen, schickte die Regierung Schlägertrupps und liess den Widerstand im Netz zensieren. Um das Verbot zu umgehen, tauschten die Netzbürger den Namen der Provinz Henan gegen Helan aus, das chinesische Wort für Holland, und entwickelten laut der niederländischen Zeitung «de Volkskrant» eine regelrechte Geheimsprache, in der aus der Provinzhauptstadt Zhengzhou Amsterdam und aus den Bank-Accounts Tulpen wurden.

546 Spitznamen von Xi blockiert

Da der Bevölkerung immer neue sprachliche Umwege einfallen, hat China allein rund um das Massaker am Platz des Himmlischen Friedens am 4. Juni 1989 mehr als 260 Begriffe blockiert.
Und die Plattform Xiaohongshu, das chinesische Instagram, soll laut einem Datenleck allein in zwei Monaten 546 Spitznamen für den chinesischen Parteichef geblockt haben. Xissolini als Anlehnung an den italienischen Diktator Mussolini gehörte noch zu den schmeichelhafteren.

Weibos Ankündigung diskutieren jetzt Tausende im Netz. Darunter auch einige verdriesslich dreinblickende Gras-Schlamm-Pferde.