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Seltsames Lichtphänomen beobachtet
Lawine sendet blaue Blitze aus – was hat es damit auf sich?

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In Kürze:
  • Ein Astrofotograf beobachtete blaue Lichtblitze bei einer Eislawine in China.
  • Das Phänomen wird wahrscheinlich durch Tribolumineszenz bei Eisbruch verursacht.
  • Tribolumineszenz tritt auf, wenn Kristalle brechen oder sich verformen.
  • Fachleute bestätigen Ladungstrennung, sind jedoch überrascht über sichtbare Entladungen.

Eigentlich wollte der chinesische Astrofotograf Shengyu Li Sternschnuppen über dem 5998 Meter hohen Berg Xiannairi in Sichuan, China, fotografieren. Dazu stellte er seine Kamera in der Nacht des 27. Oktober gegenüber des Berges auf und startete einen Zeitraffer des Sternenhimmels. Plötzlich löste sich ein Eisblock von einem Hängegletscher am Berg.

Mit blossem Auge hatte Li dabei nichts Ungewöhnliches bemerkt. Als er aber die Filmsequenz anschaute, zeigte sich Erstaunliches: Die Eislawine sandte blaues Licht aus. Vor allem wenn die herabstürzenden Eismassen am Berg zerschellten, war das blaue Leuchten besonders intensiv.

«Unsere erste Hypothese ist, dass die Lumineszenz durch Reibung während der Zersplitterung des Eises hervorgerufen wird», sagt Li gegenüber dem Blog Spaceweather.com. Tatsächlich ist die wahrscheinlichste Erklärung für das Phänomen die sogenannte Tribolumineszenz. Sie kann entstehen, wenn Kristalle zerbrechen oder sich verformen.

Blitzphänomen auch bei Würfelzucker sichtbar

Bei Würfelzucker lässt sich das sogar im eigenen Haus beobachten: Reibt man zwei Würfelzucker in einem völlig verdunkelten Raum aneinander oder zerdrückt einen Würfelzucker mit einer Zange, entstehen bläuliche Blitze. Der englische Philosoph Francis Bacon schrieb bereits in einem 1605 erschienenen Aufsatz, dass harter Zucker, der geschickt mit einem Messer abgekratzt wird, ein funkelndes Licht erzeugt.

Was aber ist die Ursache für das Mini-Gewitter in kristallinen Stoffen?

Beim Würfelzucker ist es die Deformation oder die Zerstörung der Kristallstrukturen. Dabei werden positive und negative Ladungen voneinander getrennt. Es entstehen Mikropartikel unterschiedlicher elektrischer Ladung und damit verbunden auch lokal starke elektrische Felder zwischen diesen Mikropartikeln. Dabei kann es wie bei einem Blitz in der Atmosphäre zu einem Strom elektrischer Ladungen kommen, also zu einem winzigen Blitzschlag. Treffen die schnellen Ladungen auf Stickstoffmoleküle in der Luft, absorbieren die Moleküle Energie und geben sie in Form von Licht wieder ab. Ein Grossteil der Lichtemissionen liegt dabei im nahen ultravioletten Bereich, ist für uns also unsichtbar. Wir sehen nur den kleinen, für uns sichtbaren blauen Ausläufer der Lichtblitze.

Eine Studie von 1996 zu elektromechanischen Phänomenen in Eis erklärt detailliert, wie auch Brüche im Eis Lichtemissionen auslösen können. Beobachtet wurde das Phänomen demnach nicht nur bei Gletschereis, sondern auch bei Brüchen in Eis auf Seen und bei Brüchen in Meereis.

Fachwelt wusste nichts von Lichtblitzen in Lawinen

Michael Lehning, Meteorologe und Schneeforscher am WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF in Davos, bestätigt, dass Ladungstrennung wie beim Zucker auch bei Schnee und Eis vorkommt. «Diese spielt zum Beispiel bei der Entstehung von Schneewechten und bei durch Wind bewegtem Schnee in der Luft eine Rolle», sagt Lehning. Davon handelt auch eine 2012 in «Environmental Chemistry» erschienene Studie. Lehning war aber nicht bekannt, dass sich diese Ladungstrennung durch optisch sichtbare Entladungen in Lawinen beobachten lassen könnte.

Auch dem Schneeforscher Martin Schneebeli vom SLF ist das Phänomen bei Lawinen nicht bekannt. «Es ist bei sehr tiefen Temperaturen aber sicher möglich», sagt Schneebeli. Da der Berg Xiannairi circa 6000 Meter hoch und der Himmel sehr klar sei, wäre eine sichtbare Abstrahlung der Tribolumineszenz durchaus plausibel. «Ob der Blitz für unsere Augen tatsächlich blau war, ist aber unklar, da es sich um eine Astrokamera handelt, und die braucht oft spezielle Filter.»

Heute ist von mehreren Hundert verschiedenen Kristallen bekannt, dass sie das Phänomen der Tribolumineszenz zeigen, von dem es mehrere Varianten gibt. Auch beim schnellen Abrollen von Klebebändern und beim Öffnen der Klebestreifen von Briefumschlägen werden Lichtblitze ausgelöst, was sich ebenfalls in absoluter Dunkelheit beobachten lässt. Ein verwandtes Phänomen entsteht, wenn Kieselsteine aus Quarz aneinander gerieben oder zusammengeschlagen werden.

Praktischer Nutzen der Tribolumineszenz

Die Tribolumineszenz findet sogar praktische Anwendung in der Materialforschung, zum Beispiel um die Belastung von Bauteilen in einer Turbine zu untersuchen. Dazu werden Substanzen, die Tribolumineszenz aufweisen, in die Bauteile integriert. Dort, wo im Betrieb am meisten Licht emittiert wird, ist die mechanische Belastung besonders hoch.

Was die Tribolumineszenz bei Lawinen betrifft, so war der Astrofotograf Li nicht der Einzige, der das Phänomen beobachtet hat. Ein von der Chinesin Lu Miao am 3. Oktober aufgenommener Film zeigt ein ähnliches blaues Aufleuchten einer Lawine am rund 7500 Meter hohen Berg Muztagata, was auf Deutsch «Vater der Eisberge» bedeutet.

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