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Künstliche Intelligenz für alle
Kleine Firmen sind die wahren Gewinner des Deepseek-Dramas

Das App-Symbol von DeepSeek auf einem Smartphone-Bildschirm in Zürich, Schweiz, am Donnerstag, 30. Januar 2025.
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In Kürze:
  • Deepseek verursacht Nervosität bei US-Techkonzernen und Investoren.
  • Chinas KI-Modell lässt Open AI im Preisvergleich 27-mal teurer wirken.
  • Die Nutzer profitieren von tieferen Kosten, dank erhöhter Effizienz durch KI.
  • Schweiz setzt KI limitiert ein, andere Länder sind weiter fortgeschritten.

600 Milliarden Dollar Börsenwert hat die überraschende Veröffentlichung des neuen chinesischen KI-Modells allein beim US-Chiphersteller Nvidia in Luft aufgelöst. Was Deepseek besonders macht: Seine Entwicklung war viel günstiger als jene von Chat-GPT und anderen KI-Modellen. Das macht diejenigen Investoren nervös, die auf riesige, monopolähnliche Gewinne der US-Techkonzerne gewettet haben.

Wenn neue Wettbewerber wie Deepseek zu tieferen Kosten eine gleich gute oder bessere Leistung bieten, beeinträchtigt dies die Gewinnaussichten der bisherigen Platzhirsche wie Microsoft, Alphabet, Amazon, Meta oder eben Nvidia als grösstem Anbieter von KI-Chips.

Aber andere Unternehmen freuen sich. Der Deepseek-Coup zeigt, dass in diesem Geschäft nicht nur Milliardenkonzerne mitmischen können. Die Vorherrschaft der grossen Techkonzerne habe die Innovation sogar gebremst, sagt Andy Yen, Gründer und Chef des Schweizer Technologieunternehmens Proton: «Innovation kommt nicht von gigantischen, aufgeblähten Unternehmen mit Tausenden Angestellten im mittleren Management. Sie kommt von agilen und wendigen Kleinunternehmen.»

Satelliten liefern Prognose für die Ernte

Auch aus der Schweiz – zum Beispiel von Neugründungen an der ETH Zürich. Im letzten Jahr wurden dort 37 Spin-offs gegründet. An der Spitze stand mit zehn Firmen der Bereich künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen. Darunter die Terensis AG, die auf KI für die Landwirtschaft setzt. Mithilfe von Satelliten beurteilt Terensis den Zustand von Nutzpflanzen und sagt den zu erwartenden Ernteertrag voraus.

Ob diese Spin-offs einen Markt finden, wird sich zeigen. Klar ist, und das zeigt das Beispiel Deepseek: Auch eine kleine Firma kann ein ebenbürtiges Angebot lancieren – für einen Bruchteil der Kosten.

Das Auftauchen des kleinen, wahrscheinlich günstigeren Anbieters belebt den Wettbewerb und spornt die US-Techkonzerne zu besseren Leistungen an. Die wahren Gewinner sind deshalb letztlich nicht die Produzenten von KI oder die Hersteller von Computerchips, unter denen es immer Gewinner und Verlierer geben wird, sondern die Nutzer der künstlichen Intelligenz. 

Deepseek ist etwa 96 Prozent billiger

Die Börsenverluste haben deshalb kaum gesamtwirtschaftliche Bedeutung. Aktienkurse messen den Gegenwartswert der erwarteten zukünftigen Gewinne der Unternehmen, aber sie sagen nichts aus über den gesellschaftlichen Nutzen, der aus der Anwendung von KI entsteht.

Ein erster Preisvergleich zeigt, dass Open AI rund 27-mal teurer ist als Deepseek. Bei gleicher Leistung würde das die Nutzungsgebühren der KI-Anwender um etwa 96 Prozent reduzieren. Statt als Gewinn in die Kassen der Techkonzerne zu fliessen, bleibt das Geld in den Taschen der Nutzer. 

«Das verändert die Ausgangslage extrem», sagt Gregor Zebic, Chef der Swiss.AI, einer Zuger Firma, die eine Art KI-Suite im Abo-System für KMU entwickelt hat. Damit würden die KI-Programme für einen viel grösseren Kundenkreis zugänglich. «Wir können unseren KMU-Kunden KI-Werkzeuge viel günstiger anbieten», sagt Zebic.

Sinkende Kosten durch Effizienzsteigerungen erhöhen die Nachfrage – das zeigt ein Blick in die Geschichte. Der Wirtschaftsnobelpreisträger William Nordhaus hat es am Beispiel der Beleuchtung erklärt: Licht aus Kerzen, Öl- und Gaslampen war teuer und wurde deshalb sparsam genutzt. Die Glühbirne machte künstliche Beleuchtung viel effizienter und billiger. Statt weniger Licht zu verbrauchen, haben Menschen immer mehr Licht genutzt. Die effizienten LED-Lampen haben die Entwicklung nochmals beschleunigt. Trotzdem hat die Beleuchtungsindustrie nicht mehr annähernd die gleiche Bedeutung wie die Kerzenherstellung im 19. Jahrhundert. 

Die Eisenbahn machte den Schweizer Käse gross

So werden effizientere Anwendungen auch die Einsatzmöglichkeiten von KI erweitern. Ob aber die heute monopolartig einflussreichen Techfirmen dabei ihre dominierende Stellung halten können, ist eine andere Frage. 

Das war schon immer so mit dem technischen Fortschritt. Der Nutzen der Eisenbahn zeigte sich letztlich nicht bei den Bahngesellschaften oder deren Aktionären. Manche wurden reich, viele gingen pleite. Den grossen Nutzen erzielten die Reisenden und die Gütertransporteure in Form von Zeitersparnis, Zuverlässigkeit, Bequemlichkeit und Sicherheit.

Und dies befeuerte den Fortschritt und das Wachstum auf vielen anderen Gebieten. Dass die Schweizer Landwirtschaft heute für ihren Käse berühmt ist, war eine Folge des Eisenbahnbaus, der den Import von Getreide aus Osteuropa viel günstiger machte. Die Bauern mussten deshalb von Ackerbau auf Viehwirtschaft und Milchproduktion umstellen.

KI ist in der Schweiz noch wenig verbreitet

So wird auch bei der künstlichen Intelligenz entscheidend sein, wie die Technologien von den Anwendern und Konsumenten eingesetzt werden und wie dies die Produktion und den Konsum von Waren und Dienstleistungen beeinflussen wird. Es werden neue Produkte und Dienstleistungen entstehen und bestehende werden sich verändern – hoffentlich zum Besseren.

Zurzeit ist der Einsatz von KI in der Wirtschaft noch recht begrenzt. Viele Unternehmen warten auf einfach installierbare und sofort nutzbare Lösungen für ihren Betrieb. Schweizer Firmen seien das Thema künstliche Intelligenz bisher eher zögerlich angegangen, heisst es in einer am Freitag veröffentlichten Umfrage unter Firmenchefs.

Unternehmen aus Europa und den USA seien bei der Integration dieser Technologie um einiges weiter, stellt das Beratungsunternehmen Deloitte fest, das die Studie durchführte. Am weitesten fortgeschritten seien Projekte in den Bereichen IT und Cybersicherheit sowie im Marketing, Verkauf und Kundenservice. Schweizer Unternehmen hätten aber bisher deutlich weniger in KI investiert als die Firmen in den USA und in Europa. 

Die Revolution beginnt auf dem Smartphone

Die beschränkte Akzeptanz in den Unternehmen sei immer noch der wichtigste Grund dafür, dass die erhofften Produktivitätsgewinne durch KI bisher nicht realisiert werden konnten, schreibt Joseph Briggs, Ökonom der US-Investmentbank Goldman Sachs, in einer ersten Analyse der Deepseek-Folgen. Der zunehmende Wettbewerb durch neue Konkurrenten könne diese Akzeptanz und den Aufbau von KI-Plattformen und -Anwendungen nun beschleunigen. 

Damit steigen die Chancen eines Produktivitätsschubs durch die neue Technologie. Das sieht auch Gregor Zebic so. «Deepseek kann man auf einfache Weise auf einem Laptop oder Smartphone installieren. Das macht KI bereits heute zu einer Massenware», sagt er. Was die Chinesen mit Deepseek lieferten, habe diese Entwicklung entscheidend beschleunigt.